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"Die kosmische Eintagsfliege"

Thema erstellt von Suza 
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Beiträge: 399, Mitglied seit 10 Jahren
Ich bin immer begeistert, wenn kaum vorstellbare Größen oder Zusammenhänge mit Vergleichen anschaulich gemacht werden. Zum Beispiel die Sache mit der Milchstraße:

"Würde man die Milchstraße billionenfach auf die Größe der Erde verkleinern, hätte die Sonne nur den Durchmesser eines größeren Bakteriums. Die Erde wäre nicht größer als ein Virus und würde ihren Stern im Abstand von etwa 1,5 Millimetern umkreisen. Unser nächster galaktischer Nachbar, Alpha Centauri, wäre bereits 400 Meter entfernt. Wega, der hellste Stern des Nordhimmels, hätte einen Abstand von 2,4 Kilometern. Wer sich von der Mikro-Erde aus ins Zentrum der Galaxie aufmachen würde, hätte eine Reise von etwa 2.400 Kilometern vor sich."

Gefunden hier.

Ein ebenfalls sehr interessanter, anschaulicher und nachdenkenswerter Vergleich ist der der "kosmischen Eintagsfliege" (sorry, wenn der etwas umfangreicher ausfällt. Wer sich nicht interessiert - bitte einfach wegklicken!)

Zitat:
Machen wir uns dazu zunächst die banalen kosmologischen Fakten bewusst: Die Erde mag uns zweibeinigen Winzlingen riesig erscheinen, im kosmischen Maßstab ist sie aber so unscheinbar klein, dass es geradezu vermessen ist, sie als »Staubkorn im Weltall« zu bezeichnen.
Schon gegenüber unserer Sonne wirkt die Erde wie ein Melonenkern gegenüber einer Wassermelone. Dabei ist die Sonne selbst nur ein gelber Zwerg, der gegenüber dem roten Riesen Arcturus Melonenkerngröße annimmt und gegenüber dem roten Überriesen Beteigeuze optisch ganz verschwindet.

Seit Kopernikus dürfte es sich einigermaßen herumgesprochen haben, dass die Erde sich keineswegs im Mittelpunkt des Universums befindet (den es in einem unendlichen Kosmos auch gar nicht geben kann. Wir befinden uns nicht einmal im Zentrum unserer eigenen Galaxie, sondern in einem der äußeren Spiralarme, sozusagen in der tiefsten galaktischen Provinz, rund 26 000 Lichtjahre vom Zentrum der Milchstraße entfernt. Neben unserer Sonne tummeln sich in unserer Galaxie 300 Milliarden weiterer Sterne, wobei die Milchstraße nur eine Galaxie unter schätzungsweise 100 Milliarden Galaxien mit etwa 70 Trilliarden Sternen ist.

Die von Homo demens konsequent verdrängte kosmische Bedeutungslosigkeit des Menschen zeigt sich allerdings nicht nur in der räumlichen, sondern auch in der zeitlichen Dimension: So waren zwei Drittel der bisherigen »Lebenszeit« des Universums (insgesamt 13,7 Milliarden Jahre) bereits vergangen, als vor 4,6 Milliarden Jahren Sonne und Erde in den unermesslichen Weiten des Weltalls auftauchten. Von der vermeintlichen Krönung der Schöpfung war da beim besten Willen noch nichts zu erahnen. Es dauerte mehr als vier Milliarden Jahre, also 90 Prozent der gesamten bisherigen Erdgeschichte, bis überhaupt die ersten Wirbeltiere entstanden.

Vor 416 Millionen Jahren siedelten sich die ersten von ihnen an Land an, vor etwa 250 Millionen Jahren traten die ersten Säugetiere auf. Allerdings hätte man unseren aus Reptilien hervorgegangenen Vorfahren, die gerade einmal die Größe von Mäusen oder Ratten erreichten, kaum eine verheißungsvolle Zukunft prognostiziert. Allzu sehr standen sie im Schatten der Dinosaurier und Flugsaurier, die das Mesozoikum (Erdmittelalter) dominierten. Dies änderte sich erst mit den verhängnisvollen Meteoriteneinschlägen vor 65 Millionen Jahren, die zur Folge hatten, dass etwa die Hälfte aller damaligen Pflanzen- und Tierarten (darunter sämtliche Saurier und Flugsaurier) ausstarb. Erst nach dieser verheerenden Katastrophe konnten sich die Säugetiere entfalten, unter anderem auch die Ordnung der Primaten, der wir angehören.

Bis zur Entstehung des modernen Menschen dauerte es von da an aber noch immer Jahrmillionen. Vor etwa 15 Millionen Jahren trennten sich die Vorfahren der heutigen Gibbons von unserer Stammlinie. Vor elf Millionen Jahren schlugen die Orang-Utans einen eigenen Weg ein, vor sechs Millionen Jahren die Gorillas. Knapp eine Million Jahre später trennten sich die Stammbäume der heutigen Schimpansen und Bonobos vom Stammbaum des Menschen, weshalb wir, was Homo demens gerne verdrängt, mit den Schimpansen enger verwandt sind als diese mit den Gorillas. Zum Zeitpunkt der Trennung der Stammeslinien von Mensch und Schimpansen hätten wir unserem Vorfahren kaum zugetraut, dass er jemals Nachkommen hervorbringen würde, die Kreuzworträtsel lösen oder ins All fliegen würden. Denn das Gehirn der Australopithecinen war nur unwesentlich größer als das eines heutigen Schimpansen. Erst bei Homo erectus, unserem direkten Vorfahren, setzte eine bemerkenswerte Entwicklung des Denkorgans ein.

Innerhalb von weniger als zwei Millionen Jahren verdoppelte sich sein Gehirnvolumen. (Wenn Sie heute die Bedienungsanweisung Ihres Fernsehers verstehen, haben Sie das nicht zuletzt dem guten alten Homo erectus zu verdanken.) Erst vor knapp 200 000 Jahren entwickelte sich aus Homo erectus der moderne Mensch, der, was oft vergessen wird, 95 Prozent seiner bisherigen Existenz als Jäger und Sammler verbrachte. Es mag verwundern, aber tatsächlich kam der moderne Mensch 99 Prozent seiner Artgeschichte ohne christliche Kirche aus, 99,9 Prozent ohne Dampfmaschine, 99,99 Prozent ohne Handy.

Wenn man die Geschichte unseres Universums auf ein Kalenderjahr umlegt, wird die kosmische Irrelevanz der Menschheit besonders offensichtlich:

Setzt man für den 1. Januar 00.00 Uhr den Urknall an, muss man schon bis Anfang September warten, bis Sonne und Erde entstehen. Ende September
entwickeln sich die ersten primitiven Lebensformen. Es dauert bis Mitte Dezember, bis die ersten Fische in den Ozeanen schwimmen. Um den 20. Dezember herum tauchen Landwirbeltiere auf. Die Dinosaurier beherrschen die Szenerie vom 28. bis zum 30. Dezember. Erst am 31. Dezember, wenige Minuten vor Mitternacht, tritt der erste Vertreter von Homo sapiens in Erscheinung. Die menschliche Kulturgeschichte schrumpft im Maßstab des kosmischen Kalenders auf die letzten Sekunden vor Neujahr zusammen.

Zählen wir also den Countdown herunter, damit das Neujahrsfeuerwerk beginnen kann:
10 – die Jungsteinzeit endet, die Bronzezeit beginnt,
9 – in Oberägypten wird die erste Buchstabenschrift verwendet,
8 – die Gräber im ägyptischen Tal der Könige werden angelegt,
7 – die Chinesen erfinden den Kompass, die Griechen vollziehen den Übergang von der Bronzezeit in die Eisenzeit,
6 – Pythagoras wirkt in Griechenland, Buddha in Indien, Konfuzius in China,
5 – nach dem Ende der griechischen Hochkultur entwickelt sich Rom zur Weltmacht,
4 – aus einer jüdischen Sekte entwickelt sich das Christentum zur dominanten Religion,
3 – die antike Kultur ist nach dem Ende des Römischen Reichs und der Expansion des Islam untergegangen, das Frühmittelalter beginnt,
2 – im Hochmittelalter rufen die Päpste zu Kreuzzügen auf und führen die Inquisition ein,
1 – Luther löst die Reformation aus, die europäische Hexenverfolgung beginnt, die Berechnungen des Kopernikus erschüttern das geozentrische Weltbild,
0 – prost Neujahr! In den letzten Millisekunden vor Mitternacht war Homo sapiens demens besonders rührig:
Er erfand nicht nur den Blitzableiter, die Glühbirne und die Digitalkamera, sondern schlachtete auch Hunderte Millionen seiner Artgenossen in unzähligen Kriegen ab. Lassen wir also die Sektkorken knallen! Allzu lange dürfte die Party ohnehin nicht dauern. Denn wie viele Sekunden wird der Mensch im ersten Jahr nach dem Urknall existieren? Eine Sekunde (umgerechnet etwa 434,5 Jahre)? Zehn Sekunden? Eine halbe Minute?

Würden wir es bis 00.01 Uhr am Neujahrstag schaffen (26 065 Jahre), wäre das für eine demente Spezies wie die unsrige schon beachtlich, eine Verweildauer bis ein Uhr morgens (1 563 927 Jahre) ein kleines Wunder. Am zweiten Januar (in 37 534 246 Jahren) wird es uns mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr geben. Allerdings werden wir nicht die Einzigen sein, die im Laufe des Januars von der Bühne des Lebens abtreten werden. Da die Leuchtkraft unserer Sonne kontinuierlich steigen wird, werden wohl schon am 14. Januar des kosmischen Kalenders (in etwa 500 Millionen Jahren) keine höheren Lebensformen mehr auf der Erde existieren, am 24. Januar (in etwa 900 Millionen Jahren) werden sämtliche Pflanzen verschwunden sein. Anfang März (in rund zwei Milliarden Jahren) wird sich die Erde in einen reinen Wüstenplaneten verwandelt haben.

Mitte Juli (in sieben Milliarden Jahren) wird sich die Sonne zu einem Roten Riesen aufblähen und das 250-Fache ihrer jetzigen Ausdehnung erreichen. Vermutlich wird die Erde kurz darauf in die Sonne stürzen, die nach einigen gigantischen Heliumblitzen Ende Juli (in 7,7 Milliarden Jahren) zu einem Weißen Zwerg mutieren wird, der – wie die Asche eines Lagefeuers – noch eine Zeit lang, mindestens bis zum Ende des zweiten kosmischen Kalenderjahres, still vor sich hin glüht, bis am Ende auch bei unserer guten alten Sonne sämtliche Lichter ausgehen.

Der Blick in den auf zwei Jahre komprimierten kosmischen Kalender macht zweierlei deutlich: Erstens, dass das irdische Leben bloß eine flüchtige Randerscheinung in den unendlichen Weiten des Universums ist. Zweitens, dass der Mensch innerhalb dieser Randerscheinung nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Im kosmischen Kalender hat Homo sapiens allenfalls den Status einer Eintagsfliege (geboren am 31.12, ausgestorben am 1.1.) – bei genauerer Betrachtung nicht einmal das. Die eigentlichen Herrscher der Erde waren und sind die Bakterien, die lange vor uns existierten und auch noch lange nach uns existieren werden. Was also ist davon zu halten, wenn sich ausgerechnet die »kosmische Eintagsfliege« Mensch einbildet, im Zentrum des Universums zu stehen? Gibt es einen klareren Beleg für die Unzurechnungsfähigkeit dieser Spezies? Wie blöde muss man eigentlich sein, um den Größenwahn zu übersehen, der uns Tag für Tag in Kirchen, Moscheen, Synagogen, Tempeln entgegenschwappt?

Der vermeintliche Schöpfer des unendlichen Universums soll wirklich nichts Besseres im Sinn gehabt haben, als sich ausgerechnet in Gestalt einer zufällig entstandenen und bald wieder aussterbenden Affenart auf dem Mini-Planeten Erde zu inkarnieren und gekreuzigt zu werden? Lächerlich! Er soll Wert darauf legen, dass die affenartigen Lebensformen auf diesem unbedeutenden Planetchen sich ihm unterwerfen, indem sie fünfmal am Tag arabische Sätze aufsagen? Grotesk! Der vermeintliche Schöpfer des Alls soll sich allen Ernstes daran stören, wenn zu bestimmten Zeiten, die diese Erdlinge als »Sabbat« bezeichnen, Kinderwagen geschoben werden? Völlig meschugge!

Das ist ein Ausschnitt aus dem Buch "Keine Macht den Doofen" von Dr. Michael Schmidt-Salomon (Hier ein Auszug aus der Lesung, in der auch der obige Abschnitt zu finden ist) und ich finde diese Gegenüberstellung von kosmischen Zeiten mit denen vom menschlichen Standpunkt aus überblickbaren Räumen mehr als faszinierend.
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Wenn man sein Essen mit jemandem teilt, hat man danach selbst etwas weniger.
Teilt man aber sein Wissen, hat man hinterher noch genau so viel, der andere aber etwas mehr als vorher.
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Derartige Vergleiche haben ihren Reiz, wenn man sie versteht. Gerade im Bezug auf unser Sonnensystem, auf die Milchstraße und unser Universum habe ich verstanden, dass ich als Mensch größentechnisch nicht nur nicht mehr darstellbar bin, sondern auch keinerlei Bedeutung für das Universum habe.
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Diesen Text gibt es übrigens auch in eindrucksvollen Bildern auf Youtube veranschaulicht.
Wer Interesse hat, einfach mal reinschauen.
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Wenn man sein Essen mit jemandem teilt, hat man danach selbst etwas weniger.
Teilt man aber sein Wissen, hat man hinterher noch genau so viel, der andere aber etwas mehr als vorher.
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Beiträge: 1.360, Mitglied seit 18 Jahren
In den Texten werden große Entfernungen in Raum und Zeit überbrückt. Angesichts dessen ist der Mensch wirklich bedeutungslos und das Universumm sinnlos.:smiley33:
Aber in unserem Alltag sind selbst gelehrte Leute sich dessen nicht ständig bewußt. Wir müssen nun mal dieses Leben bis zum Ende durchstehen.
Das Problem ist nicht die Sinnlosigkeit an sich, sondern die Unfähigkeit vieler Leute wirklich Sinnvolles anzupacken und durchzuziehen.
Ich sage dazu, daß man besser etwas Dauerhaftes aufbauen sollte, als etwas zu zerstören.:smiley7:
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Es gibt keine Urknall-Singularität.
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