Willkommen in Manus Zeitforum
InformationenAnmelden Registrieren

Erweiterte Suche

DB - Privatisierung

Thema erstellt von Real 
avatar
Beiträge: 1.052, Mitglied seit 18 Jahren
Am 15.01.11 ist in der SZ ein doppelseitiger Bericht und ein Kommentar, die
m.E. in der SZ-Berichterstattung eine neue Stufe der Kritik am
Börsengang und der Privatisierung darstellen. Zwar hält man noch am
Ausschreibungs-Wettbewerb fest, aber der Börsengang wird deutlich als
überholt und falsch dargestellt.

Ein Kommentar lautet "Irrtum Börse" (Karl-Heinz Büschemann), Zitat: "Die
Zuverlässigkeits-Krise des Schienenunternehmens ist ein Beleg dafür,
dass ein historisches Experiment gescheitert ist: der Weg der Deutschen
Bahn an die Börse. Nach anderthalb Jahrzehnten ambitionierter Planung
stößt das Denken, wonach möglichst viele Bereiche des öffentlichen
Lebens dem Staat wegzunehmen seien, an eine Grenze. Die Bahn wurde
unzuverlässig, weil ihr Managment handelte und kalkulierte wie die Chefs
von Aktionsgesellschaften, deren wichtigste Aufgabe es ist, hohe
Renditen zu erzielen. (...) Regierung und die die Gesellschaft müssen
zur Kenntnis nehmen, dass ein funktionierendes Schienennetz zu einer
Wirtschaftsnation gehört wie ordentliche Schulen, Universitäten, Straßen
oder die öffentliche Sicherheit. Solche Aufgaben können der Markt oder
renditegesteuerte Firmen nicht lösen. Sie müssen Staatsaufgabe sein.
(...) Dagegen sollte es Wettbewerb auf den Schienen geben."

Ähnlich ein Interiew mit Prof. Christian Böttger (Berlin): Frage: "Lief
früher wirklich alles so viel besser? Antwort Böttger: Genaue
Vergleichszahlen gibt es nicht. aber zumindest war die Pünktlichkeit bei
schlechtem Wetter besser. - Frage: Und woran liegt das? - Antwort
Böttger: Ein wichtiger Punkt ist die Verfügbarkeit von Reserven. Es gibt
heute keine Ersatzfahrzeuge, wenn ein Zug ausfällt. Und es gibt keine
Reservelokführer, wenn der Lokführer nicht rechtzeitig da ist. Hier hat
die DB in den letzten Jahren massiv gespart. DAs geht weiter so bei der
Infrastruktur. Die große Zahl an Weichenstörungen hat es früher so nicht
gegeben. (...) - Frage: Ist denn der lang gehegte Traum vom Börsengang
das Problem? - Böttger: Jedenfalls hängen damit viele Probleme zusammen.
Die DB hat in den letzten Jahren - ohne dass das je formal beschlossen
worden wäre, aber mit Duldung der Politik - ihren Fokus verlegt auf die
Expansion im internationalen Geschäft. Das hat die Aufmerksamkeit des
Managements und des Kapitals weggeführt von Deutschland. Die Eisenbahn
in Deutschland ist somit genutzt worden, um eine Expansion zu
finanzieren, mit der die DB bis heute kein Geld verdient. - Frage: Und
der Steuerzahler zahlt nur? - Antwort Böttger: Der finanziert
Minenlogistik in Papua-Neuguinea und Weinlogistik in Australien. Was
übrigens für das Management interessante Dienstreisen mit sich bringt.
Ist ja viel interessanter, als wenn Sie sich immer um die kaputten
Weichen in Jüterborg kümmern müssen." Aber dann eben auch er für den
Ausschreibungswettbewerb: "Es braucht mehr Ausschreibungen im
Nahverkehr." Und auch die Käufe in England werden begrüßt.

Und dann ein Artikel "Totes Gleis - der Gang an die Börse ist nicht mehr
realistisch." U.a wird dort gesagt, die Arbeitsgruppe "Blue Chip", die
jahrelang den Börsengang vorbereitet hat, sei aufgelöst, und die
Abteilung "Investor Relation" geschrumpft.

Geschrieben von Markus Henn

+++

Erstens besteht der Koalitionsbeschluss weiter, sobald die Börsenlage es
zulässt die Bahn teilzuprivatisieren.

Zweitens ist die Börsenlage inzwischen gut.

Drittens läuft die Grube-Politik mit dem fortgesetzten Ankauf neuer
Bahnen im Ausland (2010 für knapp 3 Mrd. Euro Arriva!) durchaus weiter
in Richtung Vorbereitung auf einen privaten Konzern als global player
und an der Börse notiert.

Viertens wird im gleichen Beitrag der FDP-Mann und Bahn-AR Dörin
zitiert, der richtigerweise auf neue Privatisierungsmodelle verweist, so
auf einen kompletten Verkauf von Schenker/Railion (weltweite Logistik
und dem gesamten Schienengüterverkehr

Fünftens würde dies die Aufspaltung der DB AG förmlich erzwingen: eine
private Güterverkehrssparte würde mit EU-Recht drohen und massiv -
Stichwort: Wettbewerbsgleichheit usw. - verlangen, dass die
Infrastruktur neutral und getrennt von der Rest-DB AG sein müsste.

Sechstens bedeutet, dass die Gruppe "investors relations" weiter
bestehen bleibt doch, dass man sich weiter auf einen Börsengang
vorbereitet. Nur in einem solchen Fall unterhält man so eine Truppe.

Siebtens schreiben den Beitrag zwei SZ-Leute, die seit Jahren massiv für
einen Böresengang sind.

Alles in allem:
Über diese Brücke, dass der Börsengang weg sei, würde ich nicht gehen.

Anmerkungen von
Winfried Wolf

+++

Ramsauer sagte, dass er den Börsengang der Bahn derzeit nicht für
entscheidungsreif halte. "Die Voraussetzungen für einen solchen Schritt
sind nicht in hinreichendem Maße gegeben."

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will angesichts der Probleme
keinen Börsengang in nächster Zeit. "Es bleibt ein Ziel, aber die Bürger
haben für dieses Ziel kein Verständnis, solange die Bahn die Bürger
nicht davon überzeugt, dass und wie sie die Schwierigkeiten schnell
bewältigt, die zum Beispiel um die Weihnachtszeit aufgetreten sind",
sagte Merkel dem Stern.

Quelle:
http://www.taz.de/1/zukunft/wirtschaft/artikel/1/bo...

Signatur:
All sind alle
Beitrag zuletzt bearbeitet von Real am 16.02.2011 um 12:52 Uhr.
[Gäste dürfen nur lesen]
avatar
Beiträge: 1.052, Mitglied seit 18 Jahren
> In der taz fand sich am 5.1.2010 ein Artikel, wonach die Zulassung der
> Buslinienverkehre in Schweden der Bahn nicht geschadet habe. Motto:
> ?Konkurrenz belebt das Geschäft?. Andernorts wird das Beispiel der USA
> genannt, wo die Greyhound-Busse eine positive Rolle bei der
> Verkehrerserschließung gespielt hätten. Festzuhalten gilt:
>
> In den USA spielten die Greyhound-Linienverkehre ab den 1930er Jahren
> eine maßgebliche Rolle bei der Zerstörung der Eisenbahnfernverkehre.
> Diese Busverkehre wurden von den gleichen Autokonzernen gefördert, die
> gleichzeitig systematisch gegen die US-amerikanischen
> Schienenverkehrssysteme in den großen Städten vorgingen, ja, die diese
> auf konspirative Art und Weise zerstörten (siehe den sog. Snell-Report,
> USA 1974 ? verfasst von Bradford C. Snell für den US-Senat).
>
> In Schweden kam es 1999 zur Zulassung der Bus-Linienfernverkehre
> parallel mit der weitgehenden Privatisierung der schwedischen
> staatlichen Eisenbahn. Die schwedische Staatsbahn ging nach der
> Privatisierung pleite und musste vom Staat mit hohen Kosten teilsaniert
> werden (Studie Oliver Schöller/Schwedes 2004).
>
> Heute lässt sich in einigen Schwellenländern (und wohl auch in
> einzelnen EU-Ländern wie Großbritannien oder Spanien) beobachten, wie
> Busfernverkehre systematisch dazu eingesetzt werden, um die Schiene als
> alternatives Gesamtsystem zu zerstören. Das war im Zeitraum von 1980 bis
> 2005 gut in Argentinien und Mexiko zu beobachten, wo jeweils ein relativ
> flächendeckendes Schienennetz mit passablen Eisenbahnverbindungen
> innerhalb von rund 25 Jahren komplett zerstört wurde ? vor allem mit
> Hilfe eines zunächst preiswerteren Busliniensystems.
>
> Busfernverkehre als Zwischenstadium
>
> Oft heißt es, die Buslininienverkehre seien eine sinnvolle ?Ergänzung?
> zum Schienenfernverkehr. Die VCD-Vertreterin Heidi Tischmann geht ein
> Schrittchen weiter. ?Wir begrüßen diese Liberalisierung im Fernverkehr.
> (...) Hier kann die Bahn Wettbewerb vertragen. Denn hier fährt sie
> bislang ohne Konkurrenz.? (taz vom 5.1.2010).
>
> Tatsächlich steht die Bahn wie kaum ein anderer Betrieb in einem
> knallharten Wettbewerb. Das gilt gerade für den Schienenfernverkehr.
> Dieser konkurriert mit dem Pkw-Verkehr, mit Billigfliegern und
> vielerorts bereits mit Busbetreibern, die die Lücken in den bestehenden
> Gesetzen ausnutzen, und längst ansatzweise Busfernverkehr anbieten.
>
> Das Argument, hier gehe es schlicht um ein nettes Nebeneinander
> unterschiedlicher Anbieter, bei dem am Ende der Kunde König sei, ist
> blauäugig. In den USA wurde vorgeführt, dass dieser Buslinienfernverkehr
> nur das sinnvolle Zwischenstadium zur Zerstörung der Eisenbahnen im
> Fernverkehr ist. Die berühmte Greyhound-Gesellschaft, die
> US-flächendeckend diese alternativen Busverkehre angeboten hatte, ging
> in den 1990er Jahren pleite. Heute gibt es in den USA keinen
> Buslinienfernverkehr im Linienbetrieb. Und es gibt kein landesweites ?
> auch nur im Ansatz flächendeckendes - Schienennetz für den
> Personenverkehr mehr. Der Buslinienfernverkehr war das Übergangsmodell, mit dem die
> Schiene als flächendeckende Alternative zerstört wurde.
> Die Leute wurden in Pkw und Flugzeuge gezwungen.
Signatur:
All sind alle
[Gäste dürfen nur lesen]
avatar
Beiträge: 1.052, Mitglied seit 18 Jahren
Die Debatte über Busfernverkehre wird aktuell weitgehend wie im luftleeren Raum geführt. Wir befinden uns jedoch innerhalb eines politischen Systems, genannt Kapitalismus, und innerhalb eines verkehrspolitischen Rahmens, genannt Öl-Auto-Luftfahrt-Verkehrsgesellschaft.

Alle bisherigen Analysen für den Schienenpersonenverkehr besagen, dass dieser weitere Marktanteile verlieren wird. Vor allem sind sich fast alle Fachleute einig, dass eine Bahnprivatisierung zu einem weiteren Ausdünnen des Netzes und damit zu einem nochmaligen Rückgang der Anteile der Schiene im Gesamtverkehr führen werde.

Vor diesem Hintergrund kann die Offensive für Busfernverkehre als Todesstoß für die Schiene betrachtet werden.

Das gilt auch europaweit. Europa ist der einzige Kontinent, auf dem es noch ein weitgehend flächendeckendes Schienennetz gibt. Wenn in Deutschland die Schiene als grundsätzliche Verkehrsalternative ausgeschaltet wird, dann wird das übrige Europa diesem "Vorbild" weitgehend folgen. Das wäre mit Blick auf die Umwelt- und Klimadebatten und vor dem Hintergrund des Versagens der Kopenhagener-Klima-Konferenz ein Umwelt- und Klimaverbrechen.

In der Kriminalistik gilt als Klärung der Täter- und Schuldfrage die Regel: Cui bono ? wem nutzt es?
In der aktuellen Verkehrsdebatte wird dies meist komplett ausgeklammert.

Dazu ist dreierlei festzustellen:

Erstens gibt es im real existierenden Kapitalismus eine Gruppe, die die mit Abstand mächtigste ist.

Es ist die Öl-Auto-Flugzeugbau-Airline-Gruppe.

Diese Formation konzentriert allein unter den 500 größten Konzernen der Welt rund ein Drittel des addierten Umsatzes auf sich.

Zweitens wurde die Profitabilität dieser Gruppe in jüngerer Zeit im allgemeinen und durch die weltweite aktuelle Krise im besonderem außerordentlich reduziert.
Der Pkw-Verkehr in den OECD-Ländern wächst kaum mehr. In der weltweiten Krise ging im Zeitraum 2007 bis 2009 die Herstellung von Kraftfahrzeugen von
72 Millionen (2007) auf weniger als 60 Millionen (2009) oder um rund 25 Prozent zurück.
Insgesamt liegen Anfang 2010 die nicht ausgelasteten Kapazitäten im weltweiten Nutzfahrzeugbau bei 40 Prozent. Solche Margen sind mit jährlichen Verlusten in Höhe von Dutzenden Milliarden Euro verbunden.
Diesartige Verluste sind in aller Regel mit einem aggressiven Marketing zugunsten einer Wiederlebung dieses spezifischen Marktes verbunden.

Drittens würde in Europa eine Ausschaltung der Schiene als Alternative zum Flugverkehr und zum Autoverkehr (Pkw und Lkw) eine erhebliche Ausweitung des Verkehrsmarkts für den Straßenverkehr und für den Flugverkehr mit sich bringen.
Das wäre pro Jahr mit vielen Dutzenden Milliarden Euro an Extraprofiten verbunden. Die davon profitierenden Konzerne wären zugleich diejenigen, die in der weltweiten Ökonomie und besonders in der BRD-Wirtschaft maßgebend sind.

Wenn Busfernverkehre eine nicht unwichtige Rolle dabei spielen, die Schiene in Richtung Abseits zu zwingen, haben daran die Autokonzerne, die Flugzeughersteller und die Airlines ein Interesse.
Originellerweise sind es dann sogar vor allem Daimler (Mercedes-Busse) und VW (MAN-Busse; MAN ist inzwischen de facto eine VW-Tochter), die sogar direkt von der Ausdehnung der Busverkehre profitieren werden.

Letzten Endes geht es jedoch um die indirekten Gewinne, um eine Umwandlung des europäischen Verkehrsmarkts auf US-amerikanischen Standard ? mit entsprechenden gewaltigen Gewinnen für die Ölkonzerne, für die Autohersteller, für die Flugzeugbauer und für die Airlines.
Signatur:
All sind alle
[Gäste dürfen nur lesen]
avatar
Beiträge: 2.939, Mitglied seit 17 Jahren
Hallo Real und guten Abend.
Was Du da zusammengetragen hast, macht in erdrückender Art und Weise deutlich,
wie nachhaltig diese Qulicke den sprichwörtlichen Zug schon vor die Wand gefahren hat.
Als Therapie gewissermaßen habe ich hier einen Beitrag der zeigt wie man es richtig macht.
Natürlich nicht in unserem Land (heul) sondern im japanischen Inselreich.

http://www.welt.de/wirtschaft/article12705814/Super...

http://de.wikipedia.org/wiki/Shinkansen

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c1/...

Viel Vergnügen und mit den besten Grüßen.
Ernst Ellert II.
Signatur:
Deine Zeit war niemals und wird niemals sein.
Deine Zeit ist jetzt und hier, vergeude sie nicht.
[Gäste dürfen nur lesen]
avatar
Beiträge: 2.939, Mitglied seit 17 Jahren
Die heiße Zeit des Sommers hat nicht einmal richtig begonnen da fällt in 20 Zügen die Klimaanlage aus.
Die Zeit-online.de schreibt dazu auf... http://www.zeit.de/reisen/2011-06/ice-klimaanlage-a...
Zitat:
Die Bahn hatte nach den Ausfällen im Sommer 2010 Besserung gelobt. Doch am heißen Wochenende versagte in IC, EC und ICE wieder die Kühlung. Züge wurden geräumt.
(...)
Die Bahn teilte am Sonntagabend mit, dass etwa 20 Züge Ausfälle im Kühlsystem hatten. Betroffen waren demnach Intercity-Züge, Eurocity-Züge und ICE.
Bleibt abzuwarten mit welch gravierenden Pannen die privatisierte und nur auf Gewinn ausgerichtete DB noch aufwarten kann. :-(

MfG Ernst Ellert II.
Signatur:
Deine Zeit war niemals und wird niemals sein.
Deine Zeit ist jetzt und hier, vergeude sie nicht.
[Gäste dürfen nur lesen]
In diesem Forum dürfen nur Mitglieder schreiben. Hier kannst du dich anmelden
Zum Seitenanfang Nach oben