Hallo Pepe,
Zitat:
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Ich finde deine Herangehensweise, diese Grundsätze, Annahmen und Konventionen als gegeben, unverrückbar und zu behauptend zu betrachten als dogmatisch und religiös. In Deiner Herangehensweise an die Naturwissenschaften unterscheidest Du Dich nicht viel von den Esoterikern, bzw. nur in den Grundannahmen. Das frappierende ist, dass Du Deine Herangehensweise als DIE naturwissenschaftliche verstehst.
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Was unterstellst du mir da? Anscheinend liest du meine Posts auch nicht gerade aufmerksam?
Ich habe geschrieben: "Die Naturwissenschaft basiert gerade auf nicht begründbaren Annahmen, auf Konventionen, die zwar der Erfahrung entlehnt sind, aber deren allgemeine Gültigkeit behauptet werden muss. "
Ich rede von Arbeitshypothesen, die ich absichtlich auch als solche kennzeichne. Und ich behaupte nicht deren Wahrheit, und auch nicht deren allgemeine Gültigkeit - was ist daran also dogmatisch oder religiös?
Es ist auch nicht so, dass ich diese Behauptungen keiner Diskussion oder Kritik aussetzen würde, weswegen sie "unverrückbar" sind.
Zum Beispiel sage ich nicht: "Es gibt andere empfindungsfähige Menschen, die ebenso real sind wie ich."
Sondern ich schreibe absichtlich: "Ich behaupte, es gibt andere empfindungsfähige Menschen, die ebenso real sind, wie ich."
Warum muss ich das Behauptungen? Warum muss ich das voraussetzen? Weil mein Standpunkt eben genau darauf basiert und zumindest mir keine Begründung für genau diese Behauptung bekannt ist.
Wäre dem nämlich so, würde man auch die Form des Solipsismus wiederlegen können, die sich weigert, über die Erfahrung hinaus zu gehen, und die Existenz der anderen zu behaupten.
Das heißt nicht, dass niemand diese Behauptung kritisieren darf, oder das sie wahr wäre oder sonst etwas – genau deswegen machen ich sie ja als Behauptung kenntlich.
Ich sage lediglich, dass meine Argumente, die ich hier vorbringe nur unter diesen Voraussetzungen gültig sind – mehr nicht.
Und wie gesagt, es gibt Annahmen, die sich überprüfen lassen und bei denen nur die allgemeine Gültigkeit behauptet wird. Es gibt aber auch Annahmen, Arbeitshypothesen in der Naturwissenschaft, die sich eben nicht überprüfen lassen – zum Beispiel die Annahme, dass du ebenso ein fühlender und denkender Mensch bist, wie ich es bin.
Die Relativitätstheorie zum Beispiel ist nur unter bestimmten Postulaten gültig, die du wohl kennen dürftest. Und viele Esoteriker lehnen zum Beispiel ganz einfach das Postulat der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ab. (Natürlich handelt es sich um ein Postulat, welches nicht der Erfahrung widerspricht)
Das meinte ich, als ich schrieb: „Das Problem an Diskussionen zwischen naturwissenschaftlich Orientierten und Esoterikern zum Beispiel besteht ja gerade darin, dass jede Seite die Grundannahmen der jeweils anderen ablehnt.“
Wenn jemand bereits die Postulate der RT ablehnt, gibt es auch keine Diskussionsgrundlage.
Das einzige, was man dann noch tun kann, ist es eine reine Grundsatzdiskussion zu führen. Aber mit was willst du dann noch argumentieren?
Grundsätze gegen Grundsätze?
Mit vernünftigen Argumenten wirst du jedenfalls nicht viel erreichen. Das hat auch nicht das geringste nur mit Physik oder Wissenschaft zu tun, sondern gilt im Alltag genau so. Wenn jemand deine Vorstellungen von Ethik und Moral nicht akzeptiert, also deine Grundlage, mit der du gegen bestimmte Handlungen argumentierst, was willst du dann machen?
Zitat:
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Zu 2.: Nun, die Grundannahmen in den Naturwissenschaften unterscheiden sich nicht zufällig von der Mannigfaltigkeit anderer Annahmen, sondern weil die anderen Annahmen überprüft, und daraufhin verworfen worden sind. Das, finde ich, ist eine ausreichende Begründung für die gemachten Annahmen. (Das bedeutet natürlich nicht, dass die Annahmen irgendwie bewiesen worden sind. Ich sage nur, dass die Methoden der Empirie die Begründung für oder wider eine Hypothese liefert.)
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Das ist keine Begründung. Außerdem scheint es fast so, als würdest du die Grundannahmen der Naturwissenschaft – die Arbeitshypothesen – mit den Zusammenhängen, die sie gesucht und über die Hypothesen aufgestellt werden, aus denen dann mit Hilfe der Deduktiven Methode neue Schlüsse gewonnen werden, die dann zu Experimenten führen, zu verwechseln.
Ich rede nicht davon, dass ein physikalischer Zusammenhang einfach nur behauptet wird, ohne ihn durch Experimente zu überprüfen. Ich rede von den Annahmen die man über das Verhältnis dieser Zusammenhänge (unserem Wissen) und dem Gegenstand (die Natur) auf den sie sich beziehen machen muss.
Ich rede von den Grundannahmen der Naturwissenschaft und nicht von den Annahmen, die irgendwelchen speziellen Hypothesen der Naturwissenschaft zugrunde liegen.
Wenn wir hier zum Beispiel ganz unbefangen über Biologie und Evolution diskutieren wollten, müsste jeder die Grundannahmen der Biologie akzeptieren.
In diesem Forum hier haben wir noch nie unbefangen über Biologie und Evolution diskutieren können, weil nämlich einige, wie Zara.t zum Beispiel, bestimmte Annahmen, die ein so gut wie jeder Biologe intuitiv macht, anzweifelt.
Und deswegen handelt es sich hier fast immer um Grundsatzdiskussionen.
Zitat:
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Was Kant angeht, so wusste er noch nichts von den Arbeiten Einsteins. Hätte er sie gekannt, hätte er sicher nicht behauptet, Raum und Zeit seien keine empirische Kategorien.
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1. Wenn man von "Raum" redet, meint man nicht immer einen Raum im physikalischen Sinne. Der Begriff ist viel älter als die Naturwissenschaft und ist der Philosophie entnommen - besonders der Begriff "Kausalität". Solche Begriffe haben auch je nach Kontext eine andere Bedeutung.
2. Gab es auch zu Kants Zeiten schon mehrere Vorstellungen von dem Begriff Raum, darunter auch eben den von Leibniz, also eben dem der Relativisten. Kant war aber eher Newton und der Newtonschen Physik zugeneigt.
(Die Loop-Quantengravitation / Quantenspindynamik verfolgt bestimmte Grundgedanken der Relativisten. Wie gesagt, wer sich in den Formalismus einarbeiten möchte... auf der Website von Rovelli gibt es das erste Lehrbuch. Und gerade diese Ansätze laufen darauf hinaus, dass „Raum“ und „Zeit“ nichts objektives sind, zumindest nicht in der klassischen Vorstellung von Objektivität)
Vielleicht hast du aber auch das Buch von Lee Smolin gelesen? (Einem der Physiker der LQG) Dieser hat sich ebenfalls über Kant "aufgeregt"... allerdings umsonst, weil er nicht auf das eigentliche Anliegen von Kant geachtet hat - das es eben nicht nur um Raum im physikalischen Sinne geht.
Es geht um die Vorstellung das der Mensch sein räumliches Vorstellungsvermögen nicht aus der eigenen Erfahrung mit der Welt gewinnt. Darauf weisen auch Experimente mit Neugeborenen hin, die angeborene Verbindungen zwischen dem Tastsinn und dem Sehsinn aufzeigen, was eben sehr erstaunlich ist.
Wenn man akzeptiert, dass es eine Evolution gegeben hat und gibt, dann kann man dieses Problem auf andere Art und Weise lösen. Man kann die angeborenen Erkenntnisstrukturen der Erfahrung der gesamten Spezies zuschreiben, die sie während der Evolution mit der Umwelt gesammelt hat. (solche Formulierungen meine ich natürlich nur metaphorisch...)
Zitat:
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Dass die uns Bekannte Raumzeit als Voraussetzung für Erkenntnis an sich betrachtet wird, scheint mir nicht nur fragwürdig, sondern auch arrogant. Wir kennen doch nichts anderes. Wie sollen wir dann beurteilen können, ob Erkenntnis möglich sei unter anderen Voraussetzungen? Soviel zu Kant und nun zu dir.
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Du bist nicht weniger arrogant, Pepe, was dein letzter Satz in diesem Zitat zeigt. Du drückst damit ein leichtes Gefühl von Überlegenheit aus, weil du meinst, mit diesem Argument gepunktet zu haben - aber natürlich interpretiere ich dies nur so, du könntest es auch anders meinen.
Ich habe niemals von einem physikalischen Raumkonzept wie der Raumzeit der Relativitätstheorie in diesem Zusammenhang gesprochen... so eine Vorstellung ist dem Menschen wohl kaum angeboren. ;)
Von daher dachte ich nicht, dass es notwendig wäre, zu erwähnen, dass es hier lediglich um eine psychologische Fragestellung geht, nämlich das räumliche Vorstellungsvermögen des Menschen – und nicht um ein philosophisches oder physikalisches Raumkonzept.
Aber anscheinend hätte es doch erwähnt werden müssen, da du es missverstanden hast.
(Achtung, nicht gesichertes Wissen) Voraussetzung für unsere Art der Erkenntnis sind eben die angeborenen Erkenntnisstrukturen und dazu gehört auch ein gewisses räumliches Vorstellungsvermögen, welches deswegen nicht erst aus der Erfahrung gewonnen werden kann.
Die Nervenimpulse übermitteln nur ein „Tok, Tok, Tok“... das Gehirn muss „wissen“, wie es das zu interpretieren hat. Es ist nichts Neues, das ein Reiz vom Auge vom Gehirn stets als „Licht“ interpretiert wird. Wie es diesen Reiz interpretiert, ist ein Ergebnis der Evolution.
In diesem Sinne ist auch das mit dem räumlichen Vorstellungsvermögen gemeint, oder der Kausalität. Menschen sind triebhaft neugierig (was durch die Sozialisation mit zunehmenden alter sich verändern kann) und suchen nach Zusammenhängen in Ereignisketten und stellen Hypothesen darüber auf – das ist ihnen angeboren und kann kein Resultat der individuellen Erfahrung mit der Welt sein.
Diese „intuitive Vorstellung“ von Kausalität kann einfach nicht der Erfahrung entnommen werden, weil ich diese Intuition brauche, um Erfahrungen machen zu können.
Damit meint man nichts anderes, als das der Organismus zum Teil nach einem genetischen Programm organisiert wird.
Unser Gehirn hat sich, dem stimmen leider nicht alle Menschen zu, besonders in Internetforen, während der Evolution in Anpassung an eine bestehende Umwelt, die Erde, entwickelt. Und die angeborenen Erkenntnisstrukturen sind ein Ergebnis dieser Evolution.
Bei diesem Punkt ging es eben weniger Physik, als um Biologie, Genetik und Sozialisation und damit eben auch um die Entwicklung von Kindern zwischen dem 0 - 4 Lebensjahr.
Zitat:
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Und a priori, ohne dass man etwas von der Welt weiss, sollte man auch möglichst nichts über die Welt voraussetzen. "Alles ist Zufällig" ist die extreme Art, nichts über die Welt vorauszusetzen. Und es gibt keinen logischen Grund, warum es nicht genau so sein sollte.
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Pepe, keine Sorge, ich habe da nichts überlesen.
"Alles ist Zufällig" beinhaltet im übrigen Voraussetzungen über die Welt - das nämlich eben alles zufällig ist. Hinter dem Zufall selbst verbirgt sich eine abstrakte Vorstellung und der Zufall selbst ist nicht voraussetzungslos.
Wenn ja, dann nenne mir ein Beispiel.
Tschüss, André
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