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Lacrima
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Was haltet ihr vom Determinismus? Euere Meinung würde mich sehr interessieren.
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Timeout
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Der Determinismus als solcher ist mir eigentlich nicht so wichtig. Letztlich kann sowohl aus deterministischem Verhalten scheinbarer Zufall folgen (wenn es uns nämlich nicht möglich ist, alle relevanten Informationen für die Voraussage zu erhalten, beispielsweise beim deterministischen Chaos), als auch aus zufälligem Verhalten scheinbarer Determinismus (wenn nämlich aufgrund des Gesetzes der großen Zahl die statistischen Schwankungen vernachlässigbar werden; bestes Beispiel hierfür ist die statistische Mechanik). Meine Weltanschauung ist nicht vom Bedürfnis nach Determinismus geprägt (zwar ist meine derzeit bevorzugte Interpretation der Quantenmechanik, die Many-Minds-Interpretation, deterministisch (zumindest was das Universum insgesamt angeht), aber das ist nicht der Grund, warum ich sie bevorzuge).

Was ich für wichtig halte, ist die Kausalität (die keineswegs Determinismus impliziert; beispielsweise ist die QM in der Standardinterpretation nicht deterministisch, aber dennoch kausal).
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Chemo
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Kausal im Sinne von >Zu allen Ereignissen gibt es eine Menge von Ursachen, und allen Ereignissen folgt eine Menge von Wirkungen< ?
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>Warum sollte der Mensch, im Rahmen seiner beschränkten evolutionären Entwicklung, geistige Fähigkeiten entwickelt haben, um komplexe temporale Paradoxien korrekt zu erfassen?
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Lacrima
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Es gibt ja das Problem in der Quantenphysik (Unschärferelation). Ist das das Chaos im Determinismus?
Aber wieso ist das eigentlich ein Problem? Es gibt doch Gründe, warum das Teilchen in die eine von vielen Möglichkeiten "Springt", nur dass wir sie noch nicht kennen, oder?! Oder gibt es keine logische Ursache auf diese Wirkung?

Und wieso entstehen daraus eigentlich Paralleluniversen? Nur weil das Teilchen in viele Verschiedene Richtungen "springen" KÖNNTE, tut es das doch im Endeffekt nur in eine! Wieso denken dann die Forscher, dass es Paralleluniversen gibt?
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Timeout
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Chemo schrieb in Beitrag Nr. 997-3:
Kausal im Sinne von >Zu allen Ereignissen gibt es eine Menge von Ursachen, und allen Ereignissen folgt eine Menge von Wirkungen< ?
Kausal im Sinne von "Zu jeder Ursache gibt es eine Menge möglicher Wirkungen."

Am Beispiel des berühmten Doppelspaltexperiments: Ich schicke vorne ein "Teilchen" rein, und hinten kommt dann an irgendeinem Ort das Teilchen an. Das Anschlagen des Detektors ist unzweifelbar die kausale Folge davon, daß ich etwas hineingeschickt habe (amsonsten hätte er höchstwahrscheinlich nicht reagiert). Allerdings war das Anschlagen gerade dieses Detektors nicht durch das Hineinschicken determiniert; es hätte genausogut ein anderer (passend platzierter) Detektor anschlagen können (in der Tat hätte es sogar überhaupt keinen Detektor treffen müssen, wenn es nämlich an der Wand reflektiert worden wäre).
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Chemo
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Aber generell muss also nicht jedes Ereignis eine Ursache haben, ja?
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Timeout
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Lacrima schrieb in Beitrag Nr. 997-4:
Es gibt ja das Problem in der Quantenphysik (Unschärferelation). Ist das das Chaos im Determinismus?
Nein, das sind zwei Paar Stiefel. Das klassische deterministische Chaos betrifft ein an sich deterministisches, klassisches System, das aber extrem stark auf kleinste Abweichungen reagiert. Das berühmteste Beispiel ist wohl das Doppelpendel: An das Ende eines Pendels wird noch ein zweites Pendel angehängt. Es handelt sich dabei theoretisch um ein völlig deterministisches System (wenn wir mal die Quantenmechanik vergessen). Nur hängt das zukünftige Verhalten extrem stark von den Anfangsbedingungen ab. Wenn es nur z.B. um wenige Mikrometer verändert gestartet wird, dann wird es nach einer gewissen Zeit eine völlig andere Bewegung durchführen. Da die Abweichung exponentiell mit der Zeit anwächst, hilft es auch nicht viel, wenn man jetzt z.B. den Anfangszustand 10 mal genauer wählt. Dann kann man die Bahn zwar etwas länger ungefähr berechnen, aber auch nicht beliebig lange. Und wenn man die Genauigkeit noch mal verzehnfacht, gewinnt man wieder nur dieselbe Zeitspanne dazu. Da jede Messung eine gewisse Ungenauigkeit beinhaltet (auch klassisch kann man zwar die Ungenauigkeit beliebig klein machen, aber niemals ganz eliminieren), und zudem bei immer höherer Genauigkeit auch immer mehr unkontrollierbare Einflüsse dazukommen (irgendwann erreicht man eine so hohe theoretisch notwendige Genauigkeit, daß die Wirkung eines Sacks Reis, der in China umfällt, tatsächlich für die Voraussage relevant wird), bedeutet Chaos, daß praktisch keine Vorhersage über einen bestimmten Zeitraum mehr möglich ist.

Mit der Quantenmechanik hat das aber nichts zu tun (wenngleich die Quantenmechanik klassisch chaotischer Systeme durchaus nicht uninteressant ist). Die Unschärferelation ist eine fundamentale Eigenschaft von quantenmechanischen "Teilchen", nach der die Werte bestimmter Größen nicht gleichzeitig scharf definiert sind. Das ist nicht etwa eine Unzulänglichkeit unserer Meßsysteme, sondern eine fundamentale Eigenschaft der Natur.

Zitat:
Aber wieso ist das eigentlich ein Problem? Es gibt doch Gründe, warum das Teilchen in die eine von vielen Möglichkeiten "Springt", nur dass wir sie noch nicht kennen, oder?! Oder gibt es keine logische Ursache auf diese Wirkung?
Nach der Standardinterpretation der Quantenmechanik gibt es keine Ursache. Die Idee, daß das Ergebnis eigentlich vorherbestimmt ist, wir es aber aufgrund mangelnder Kenntnis nicht voraussagen können, nennt man Theorien mit verborgenen Variablen. Die verborgenen Variablen sind die uns unzugänglichen Größen, die letztlich das Ergebnis determinieren. Solche Verborgene-Variablen-Theorien haben jedoch Probleme, und diese Probleme hängen mit dem EPR-Experiment zusammen. Man kann zeigen, daß eine Theorie lokaler verborgener Variablen dieses Experiment nicht korrekt beschreiben kann; Versuche haben aber gezeigt, daß die Natur sich hier so verhält, wie die Quantenmechanik es voraussagt. Nichtlokale verborgene Variablen machen aber wiederum Probleme im Zusammenhang mit der Relativitätstheorie oder mit der Kausalität.

Zitat:
Und wieso entstehen daraus eigentlich Paralleluniversen? Nur weil das Teilchen in viele Verschiedene Richtungen "springen" KÖNNTE, tut es das doch im Endeffekt nur in eine! Wieso denken dann die Forscher, dass es Paralleluniversen gibt?
Die Viele-Welten-Interpretation und verwandte Interpretationen hängen nicht so sehr mit dem Indeterminismus, sondern mit den grundlegenden Gleichungen der Quantenmechanik zusammen. In der Quantenmechanik gibt es nämlich zwei völlig unterschiedliche "Regelsätze": Der eine Regelsatz, die Schrödingergleichung, beschreibt die Zeitentwicklung eines Systems, das nicht beobachtet wird. Hier haben wir eine stetige, deterministische Zeitentwicklung. Der andere Regelsatz sagt, was bei einer Beobachtung passiert. Hier haben wir einen plötzlichen, sprunghaften, nichtdeterministischen Übergang. Und genau hier steckt der Kern des Problems: Wenn wir nämlich annehmen, daß Beobachter auch nur Quantensysteme sind, dann sollte es prinzipiell Möglich sein, auch die Interaktion des Beobachters mit dem beobachteten System als Ganzes quantenmechanisch zu beschreiben. Und wenn man jetzt noch davon ausgeht, daß diese Interaktion selber nicht beobachtet wird, dann muß die gesamte Interaktion durch die Schrödingergleichung beschrieben werden. Die ist aber, wie gesagt, eine stetige, deterministische Zeitentwicklung, ohne jede Spur von "Quantensprüngen". Allerdings kann man zeigen, daß bei einer solchen Interaktion die Wellenfunktion zerlegt werden kann in verschiedene "Zweige", die jeweils eines der möglichen Ergebnisse und die dazugehörige Beobachtung beinhalten. Man kann also sagen, die deterministische Zeitentwicklung des Gesamtsystems enthält alle Ergebnisse (das ist analog dazu, wie beim Doppelspaltexperiment die komplette Beschreibun des Elektrons sowohl den Weg durchs linke, als auch durchs rechte Loch enthält). Wenn also ein quantenmechanisches System etwa in einer Überlagerung von "System in Zustand 1" und "System in Zustand 2" war, dann geht die Kombination aus System und Beobachter (etwas vereinfacht) in eine Überlagerung von "System in Zustand 1 und Beobachter hat Zustand 1 gemessen" und "System in Zustand 2 und Beobachter hat Zustand 2 gemessen" über. Der Punkt ist, es treten beide Ergebnisse auf, aber die Überlagerung enthält keinen Term mit "Der Beobachter hat eine Überlagerung von Zustand 1 und Zustand 2 gemessen." Wenn man nun von der Annahme ausgeht, daß die Wellenfunkiton eine korrekte Beschreibung des realen Systems ist, dann folgt daraus, daß im realen System in der Tat beide Zustände vorhanden sind. Allerdings sieht der Beobachter das eben nicht, für ihn gibt es nur die Zustände "ich habe 1 beobachtet" und "ich habe 2 beobachtet". Letztlich ergibt sich also durch die Beobachtung für den Beobachter eine Aufspaltung in verschiedene Welten, eine zu jedem möglichen Meßergebnis.
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Timeout
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Chemo schrieb in Beitrag Nr. 997-6:
Aber generell muss also nicht jedes Ereignis eine Ursache haben, ja?
Da stellt sich jetzt eben die Frage, wie weit Du den Begriff "Ursache" faßt. Für jedes Ereignis kann man sich eine Situation vorstellen, in der dieses Ereignis nicht möglich ist, insofern kann man wohl das Nichtvorliegen einer solchen Situation als Ursache für das Ereignis werten (wenn z.B. ein radioaktives Atom zerfällt, dann kann das nur deshalb passieren, weil das Atom instabil ist; insofern kann man die Instabilität des Atoms als Ursache des Zerfalls werten. Und natürlich auch die Tatsache, daß da überhaupt ein Atom ist, denn wo kein Atom ist, kann auch keines zerfallen). Wenn man den Begriff "Ursache" weit genug faßt, kann man sogar die Tatsache, daß die Naturgesetze ein bestimmtes Ereignis zulassen, als eine Ursache des Ereignisses betrachten.

Insofern ist hier also erst einmal die Frage zu klären, was genau Du als "Ursache" gelten läßt.

Wobei auch der Begriff "Ereignis" nicht ganz eindeutig ist: Das Ereignis kann letztlich in verschiedene Aspekte "zerlegt" werden. Wenn Du z.B. als Ereignis nimmst: "Das Atom ist jetzt zerfallen", dann hat der Aspekt "ist zerfallen" eine Ursache (instabiler Zustand), der Aspekt "jetzt" aber nicht (bzw. letztlich doch auch wieder, denn daß das Atom jetzt zerfallen konnte, hängt damit zusammen, daß es bereits früher entspanden ist, aber noch nicht früher zerfallen ist oder anderweitig zerstört wurde.
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Chemo
Beiträge: 362, Mitglied seit 17 Jahren
hmm, damit hast du natürlich recht...

Die QM kollidiert in meinen Augen mit dem Kausalitätsprinzip insofern, dass der Quantensprung offensichtlich keiner Ursache zu Grunde liegt. Mich interessiert, wie du diesen Widerspruch aulöst.
Aber wenn du, zu Recht, den Begriff der Ursache auf die Gesamtsituation ausdehnst, dann wäre natürlich die Existenz des Quants und dessen vorheriger Zustand unmittelbare Ursache. Wenn man den Begriff der Ursache aber so betrachtet - schrumpft dann nicht dessen Aussagekraft ins Bodenlose?

>Etwas passiert, weil es passieren kann.<

das mutet trivial an.

Signatur:
>Warum sollte der Mensch, im Rahmen seiner beschränkten evolutionären Entwicklung, geistige Fähigkeiten entwickelt haben, um komplexe temporale Paradoxien korrekt zu erfassen?
Beitrag zuletzt bearbeitet von Chemo am 03.02.2007 um 20:58 Uhr.
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Andre
Beiträge: 1.177, Mitglied seit 18 Jahren
Na ja, wenn man den Begriff der Ursache benutzt und eben nicht von der "totalen Ursache" spricht, dann handelt die gesamte Redeweise von Ursache und Wirkung nicht von Beziehungen in der Welt dort draußen, weil es jeweils einen "Hintergrund" gibt, welcher von den Interessen und Ansichten des Beobachters abhängig ist.

Zum Beispiel gibt es einen Waldbrand und ein Mensch kommt und hinzu und meint, die Ursache des Waldbrands wäre ein noch glühender Zigarettenstummel gewesen.
Zur gleichen Zeit ist ein Ufo über der Erde und eines der Aliens sagt... "Oh Gott, da brennt es, weil die gesamte Atmosphäre mit Sauerstoff verseucht ist." ;-)

Es gibt natürlich eine "totale Ursache"... aber von der reden wir normalerweise nicht.


Hallo Timeout, und wie stehst du zu der Interpretation der QM in Richtung Information (im Sinne von Shannon... "Information über")?

Das von dir geschilderte in dem einen Post würde so bleiben, nur dass diese Realismus-Annahme wegfällt und uns die Wellenfunktion in dem Fall mit dem Beobachter sagt, dass der Beobachter ein Ergebnis erhalten hat.
Das ganze hat natürlich den Schönheitsfehler (falls man es als Fehler ansieht) dass sich damit keine Kosmologie betreiben lässt, was ja letztendlich der Grund ist, warum die MWI bei Kosmologen willkommen war.



Hallo Lacrima,

Zitat:
Was haltet ihr vom Determinismus?

Determinismus ist für mich ein Relikt der Aufklärung... als Vernunft in Europa mit "logischem Denken" gleichgesetzt wurde.

Beitrag zuletzt bearbeitet von Andre am 05.02.2007 um 17:00 Uhr.
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Lacrima
Beiträge: 54, Mitglied seit 17 Jahren
Also willst du praktisch sagen, dass der Grund, warm ein Teilchen in die eine und nicht in die andere Richtung springt, die Ursache hat, weil es da ist?
Meintest du das?
Könnte man damit dann auch diese Unregelmäßigkeit zwischen Determinismus und Quantenphysik unterscheiden?
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Lacrima
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Kann mir bitte jemand eine Antwort auf diese Frage geben? Ich hätte das wirklich gerne gewusst.^^
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Claus
Beiträge: 2.420, Mitglied seit 17 Jahren
Thomas der Große schrieb in Beitrag Nr. 1646-59:
Systemtheorie 1: Es gibt in der Gesamtheit aller Systeme Teilsysteme, deren Inneres man von außen nicht erforschen kann, also black Boxes.

Ein physikalisches Beispiel für black Boxes sind schwarze Löcher.

Die Konsequenz der Isoliertheit der Teilsysteme ist, dass man die Gesamtheit der Ereginsse in keinen Teilsystem und damit in keinem Punkt vollständig erfassen oder beschreiben kann.

Soweit die beobachtbare Welt trotzdem von Ereignissen abhängt, die man nicht einsehen kann, bleibt einem nichts anderes übrig, als anzunehmen, dass das Beobachtbare wenigstens stochastischen Gesetzen genügt und
damit Ereignisse durch Wahrscheinlichkeitsverteilungen zu Beschreiben.
Genau das macht die Quantenmechanik.

Systemtheorie 2: Alles, was existiert kommt von einer einzigen gemeinsamen Quelle und ist daher durch eine unsichtbare Schnur mit der Quelle verbunden.

In so einem Kollektivsystem sind je 2 Teilsysteme über mindestens einen Pfad verbunden.
Es ist möglich über jedes Teilsystem alles zu wissen, sobald man den Verbindungspfad hat und kann damit ohne Einschränkung auf alles Einfluß nehmen.
...
In Systemtheorie 2 ist Glauben die deterministische Festlegung eines Zustandes, der durch offende Kommunikation erreicht wird.
Verstehe ich es richtig, dass in dieser Betrachtung der letztendlich verwirklichte Zustand durch Kommunikation verschiedener Vorhaben von verschiedenen (an der Kommunikation beteiligten) Individuen realisiert wird? In diesem Fall wären die Wünsche/ Vorhaben/ Ideen der Beteiligten doch frei. Insoweit wäre der schließlich erreichte Zustand vor dessen Eintritt (oder besser vor Abschluss der Kommunikation?) m.E. gerade nicht determiniert.
Zitat:
Thomas der Große schrieb in Beitrag Nr. 1646-59 weiter:
Mich irritiert das Unglück an sich. Statistisch gibt es besoffene Autofahrer und Junge Menschen, die über Zebrastreifen gehen und Systemtheorie 1 kann nicht aussschliessen, dass beide Eregnisse zusammentreffen.
Nach Systemtheorie 2 gäbe es dagegen einen Grund für das Unglück, nämlich den, dass es dem Autofahrer in seiner Freiheit gefällt, sich zu besaufen und dabei trotzdem Auto zu fahren und dass er dieses Gut höher bewertet, als das Risiko, dass ein anderer Mensch dadurch geschädigt werden könnte. Ursache der Tragödie ist insoweit die Freiheit des Autofahrers. "Freies" Handeln einer Person wird jedoch von einem außenstehenden Beobachter als "zufälliges" Handeln wahrgenommen, eben weil der Außenstehende die Ursachen für das freie Handeln eines anderen nicht ergründen kann. Insoweit liefern Systemtheorie 1 und 2 - obwohl gundverschieden in ihren Annahmen - objektiv dieselben Resultate.
Zitat:
Ernst Ellert II schrieb in Beitrag Nr. 1646-60:
Könnte Gott tatsächlich für das geschehene verantwortlich sein?
Zitat:
Thomas der Große schrieb in Beitrag Nr. 1646-61:
Meine Antwot ist: "Ja".
Ich sehe Gott hier insoweit verantwortlich, als dass er dem Autofahrer die Freiheit ließ, sich besaufen zu können und in diesem Zustand noch autozufahren. Dies ist jedoch notwendige Voraussetzung für freies (d.h. dem Wesen nach undeterminiertes) Handeln anderer beteiligter Individuen. Ansonsten trägt im hier betrachteten Fall die Verantwortung für dieses Unglück m.E. der Autofahrer (als eines von mehreren an der in obigem Sinne erfolgten Kommunikation beteiligten Individuen).
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Harry Maier
Beiträge: 17, Mitglied seit 12 Jahren
Claus schrieb in Beitrag Nr. 997-13:
Ich sehe Gott hier insoweit verantwortlich, als dass er dem Autofahrer die Freiheit ließ, sich besaufen zu können und in diesem Zustand noch autozufahren. Dies ist jedoch notwendige Voraussetzung für freies (d.h. dem Wesen nach undeterminiertes) Handeln anderer beteiligter Individuen. Ansonsten trägt im hier betrachteten Fall die Verantwortung für dieses Unglück m.E. der Autofahrer (als eines von mehreren an der in obigem Sinne erfolgten Kommunikation beteiligten Individuen).
Verantwortung ist, Handeln an einem Wertmaßstab auszurichten. Gott ist lediglich die Ursache für die Freiheit und den freien Willen des Autofahrers, aber er ist nicht verantwortlich für das Tun des Autofahrers, weil dessen Tun aus seinem freien Willen und Wollen heraus geschieht. Freies Handeln ist niemals undeterminiert, weil das Wollen immer deterministisch geschieht. Der Determinismus gehört zur Natur des freien Willens. Wäre freies Handeln undeterminiert, wäre das nicht nur Willkür in höchster Potenz, sondern Chaos pur. Beides ist so zerstörerisch, dass es keine Existenzberechtigung hat.
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Claus
Beiträge: 2.420, Mitglied seit 17 Jahren
Hallo Harry Maier,
Harry Maier schrieb in Beitrag Nr. 997-14:
Freies Handeln ist niemals undeterminiert, weil das Wollen immer deterministisch geschieht.
Gibt es für diese These auch eine nicht rekursive Begründung?
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Thomas der Große
Beiträge: 1.729, Mitglied seit 16 Jahren
Hallo Claus,

Du warst genauer beim zu Ende Denken!

Claus schrieb in Beitrag Nr. 997-13:
Verstehe ich es richtig, dass in dieser Betrachtung der letztendlich verwirklichte Zustand durch Kommunikation verschiedener Vorhaben von verschiedenen (an der Kommunikation beteiligten) Individuen realisiert wird? In diesem Fall wären die Wünsche/ Vorhaben/ Ideen der Beteiligten doch frei.
Ernst hat mich da schon zurechtgewiesen. Und schliesslich bin ich in Beitrag-Nr. 1646-61 auch d'rauf gekommen, dass der einzelne zunächst frei ist. Andererseits ist er in Systemtheorie 2 ein Teil eines Kollektivs. Mehrere uneingeschränkt freie Individuen bedeutet, dass die Wirklichkeit widersprüchlich sein kann. Meine Anwort ist: "Ja".

Dass das Kollektiv Teil einer widerspruchsfreien Realität sei, ist für mich keine zwingende Annahme, nur eine sehr angenehme.

Zitat:
Insoweit wäre der schließlich erreichte Zustand vor dessen Eintritt (oder besser vor Abschluss der Kommunikation?) m.E. gerade nicht determiniert.
Was in Systemtheorie 2 mit einem Objekt passiert ist das Resultat der Zusammenhangskomponente des Objektes, i.e. aller Individuen, die an das Objekt durch ihre individuelle Geisteshaltung oder konkrete Zielsetzung Anforderungen stellen.

Je nachdem, ob man die Individuelle Zielsetzung als zufällig oder deterministisch betrachtet, gilt das auch für das resultierende Ereignis; wobei Zufall innerhalb der Systemtheorie 2 (noch) nicht defininert ist: Du hast implizit die Systemtheorie 1 herangezogen, um den Nicht-Determinismus zu begründen.
Dazu müssen die Systemtheorien kompatibel sein, was an der Stelle noch nicht klar ist.

Zitat:
In dem Moment, wo eine Entscheidung getroffen wurde, einschliesslich der zur Kommunikation ist das Ergebnis bestimmt.
Was nach meinem Verständnis in Systemtheorie 2 passiert ist: Gott entscheidet, ein Leben zu beenden. Dazu benutzt er einen besoffenen Autofahrer und schickt den Jungen zu dem Unglücksort. Beide äußeren Akteure sind bewußt oder unbewußt Ausdruck der göttlichen Entscheidung, welche sich wohl nicht als deterministisch oder zufällig klassifizieren läßt.

So schliesse ich, dass Systemtheorie 2 unabhängig von den Qualitäten Determinismus oder Zufall oder Freiheit ist.

Und damit kann man dann begründen, dass Systemtheorie 1 und Systemtheorie 2 unabhängig sind und jede auf ihre Art zum gleichen Ergebnis führen können. Und schliesslich stimm ich mit Dir überein:
Zitat:
Insoweit liefern Systemtheorie 1 und 2 - obwohl gundverschieden in ihren Annahmen - objektiv dieselben Resultate.

Beide Systemtheorien kommen ohne Determinismus aus.
In beiden ist Platz für Freiheit und Verantwortung. :)

lg
Thomas

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Ich bin begeistert!
Beitrag zuletzt bearbeitet von Thomas der Große am 21.01.2012 um 22:08 Uhr.
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Stueps
Beiträge: 3.476, Mitglied seit 18 Jahren
Thomas der Große schrieb in Beitrag Nr. 997-16:
Dass das Kollektiv Teil einer widerspruchsfreien Realität sei, ist für mich keine zwingende Annahme, nur eine sehr angenehme.

Hallo Thomas,
hier möchte ich widersprechen.
Die Realität "an sich" kann per Logik nur widerspruchsfrei existieren (Sie kann nur SEIN, mehr nicht). Ein real existierendes Kollektiv als Teilmenge der Realität fügt sich ihr also (in seine unvermeidliche Existenz).

Das Kollektiv ist jedoch nicht "Sklave", sondern Teil der Realität. Es ist keinem Determinismus unterworfen, denn die Realität diktiert es nicht - es ist die Realität. Und so gehört der besoffene Autofahrer (per Logik eigenverantwortlich handelnd) schwerstens bestraft.

Signatur:
Diese Welt gibt es nur, weil es Regeln gibt.
Beitrag zuletzt bearbeitet von Stueps am 22.01.2012 um 04:35 Uhr.
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Harry Maier
Beiträge: 17, Mitglied seit 12 Jahren
Claus schrieb in Beitrag Nr. 997-15:
Gibt es für diese These auch eine nicht rekursive Begründung?
Hallo Claus, für die These "Freies Handeln ist niemals undeterminiert, weil das Wollen immer deterministisch geschieht." gibt es keine nicht rekursive Begründung, weil alles einen Grund hat aus deterministischer Sicht. Ich weiß, dass in diesem Forum auch die nicht-deterministische Sichtweise vertreten wird und Dinge akzeptiert werden, die keine Ursache haben, aber solchen Meinungen schließe ich mich nicht an.
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Claus
Beiträge: 2.420, Mitglied seit 17 Jahren
Hallo Thomas der Große,
Thomas der Große schrieb in Beitrag Nr. 997-16:
Mehrere uneingeschränkt freie Individuen bedeutet, dass die Wirklichkeit widersprüchlich sein kann.
In der Wirklichkeit (die ja, soweit wir wissen, widerspruchsfrei ist) müssen m.E. alle Individuen - bis auf eines (!) - in ihrer Freiheit eingeschränkt sein. In der Sprache eines "Gläubigen" ausgedrückt hieße das m.E.:

Gott lässt uns (bzw. seiner gesamten Schöpfung) eine beschränkte Freiheit.
Zitat:
Was in Systemtheorie 2 mit einem Objekt passiert ist das Resultat der Zusammenhangskomponente des Objektes, i.e. aller Individuen, die an das Objekt durch ihre individuelle Geisteshaltung oder konkrete Zielsetzung Anforderungen stellen.
Ja, so verstehe ich es auch.
Zitat:
Je nachdem, ob man die Individuelle Zielsetzung als zufällig oder deterministisch betrachtet, gilt das auch für das resultierende Ereignis; wobei Zufall innerhalb der Systemtheorie 2 (noch) nicht defininert ist: Du hast implizit die Systemtheorie 1 herangezogen, um den Nicht-Determinismus zu begründen.
Dazu müssen die Systemtheorien kompatibel sein, was an der Stelle noch nicht klar ist.
Ich wollte eigentlich gar nicht Systemtheorie 1 heranziehen, um den Nicht-Determinismus zu begründen. Ehrlich gesagt: Ich hatte mich selbst als Individuum in Systemtheorie 2 betrachtet, und meine Qualia zur Begründung verwendet. Ich (und nur ich) weiß, dass ich (eingeschränkt) frei bin, Entscheidungen zu treffen. Freiheit schließt Determinismus aus. Sicher - es gibt Argumente dafür, dass die von einem Individuum so empfundene Freiheit in Wahrkeit keine ist - dass also das "Wollen" Ergebnis determinierter Ursache-Wirkungs-Beziehungen ist. Aber das glaube ich nicht.
Zitat:
Was nach meinem Verständnis in Systemtheorie 2 passiert ist: Gott entscheidet, ein Leben zu beenden.
Hier meine Frage (die ich auch breits an Harry Maier gestellt hatte): Gibt es eine zwingende Begründung dafür, dass nicht nur - wie du sagst - "Alles, was existiert von einer einzigen gemeinsamen Quelle [kommt] und daher durch eine unsichtbare Schnur mit der Quelle verbunden [ist]" - sondern, dass diese Quelle auch alleinige Ursache für alles Geschehen ist? Du hattest oben von einer "Zusammenhangskomponente aller Individuen" gesprochen. Bricht dieses Zusammenspiel dann nicht insoweit zusammen, als dass es nach dieser Auffassung nur einen Akteur bzw. Grund aller Dinge gibt?
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Harry Maier
Beiträge: 17, Mitglied seit 12 Jahren
Claus schrieb in Beitrag Nr. 997-19:
Freiheit schließt Determinismus aus. Hier meine Frage (die ich auch breits an Harry Maier gestellt hatte): Gibt es eine zwingende Begründung dafür, dass nicht nur - wie du sagst - "Alles, was existiert von einer einzigen gemeinsamen Quelle [kommt] und daher durch eine unsichtbare Schnur mit der Quelle verbunden [ist]" - sondern, dass diese Quelle auch alleinige Ursache für alles Geschehen ist?
Hallo Claus, wenn ich schreibe, dass freies Handeln niemals indeterminiert ist, weil das Wollen immer deterministisch geschieht, so meine ich nicht, dass freies Handeln indeterminiert ist, sondern dass das Wollen die deterministische Komponente darstellt, weil es der Grund für das Handeln eines Menschen ist. Der freie Wille zum Handeln hat sowohl eine indeterministische Komponente als auch eine deterministische Komponente. Die indeterministische Komponente des freien Willens ist die Freiheit, innerhalb mehrerer Möglichkeiten willkürlich eine Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Dies nenne ich die schöpferische Komponente. Man kann somit etwas völlig neues schaffen, was vorher nicht existent war, nämlich die Handlung, die aus dem freien Willen zur Auswahl aus Möglichkeiten folgt. Die deterministische Komponente des freien Willens besteht aus dem, was ich in meinem letzten Satz geschrieben habe, nämlich die Überführung einer Möglichkeit durch das Handeln in ein Faktum. Das "völlig neue" ist also sowohl im Wollen als auch in dem durch das Wollen geschaffenen Faktum präsent. Hierin zeigt sich die Würde des Menschen, dass er von Gott zur "Neuschaffung" berufen wurde innerhalb der Möglichkeiten, die Gott in seiner Schöpfung im wahrsten Sinne des Wortes ermöglicht. Der Mensch ist also an die in der Schöpfung vorgegebenen Bedingungen gebunden. Dies ist die Antwort auf deine Frage, Claus, ob es eine zwingende Begründung dafür gibt, dass alles aus einer einzigen gemeinsamen Quelle kommt. Gott selbst als der Urgrund aller Dinge hat die Möglichkeit, zu schaffen, was er will, also "alles" zu schaffen. Der Mensch ist ein Abglanz des Wesens Gottes, indem er die Möglichkeit von Gott bekommen hat, als Wesen seiner Schöpfung und in seiner Schöpfung neues zu schaffen. Wir sehen hieran, dass Gott sein Wesen in seine Schöpfung hineingelegt hat. Gott selbst ist nicht verursacht, nicht determiniert und völlig frei. Der Mensch ist dazu berufen, das Wesen Gottes in Gottes Schöpfung gleichsam wiederzugeben oder fortzusetzen, wie immer man das auch formulieren mag. Des Menschen Sein und Wirken ist an Gott gebunden durch das Sein des Menschen in Gottes Schöpfung und seine Gebundenheit an die Bedingungen in dieser Schöpfung, wo die Möglichkeiten des Menschen das Wesen Gottes widerspiegeln: Der Mensch hat einen freien Willen, der durch seine Freiheit nicht verursacht, nicht determiniert und völlig frei wirken kann. Ich möchte dies nicht als Religionspropaganda verstanden wissen, sondern als Schlussfolgerung aus den Beobachtungen in der uns durch die Sinne erkennbaren physischen Welt.

Beitrag zuletzt bearbeitet von Harry Maier am 22.01.2012 um 10:21 Uhr.
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