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Stueps
Beiträge: 3.476, Mitglied seit 18 Jahren
Hallo Claus,

sehr gutes Beispiel, muss ich Schritt für Schritt durchgehen. Mir fällt allerdings spontan was anderes auf:

Angenommen, du hast recht, und unbestimmte Zustände in unserem Hirn beeinflussen unser Denken. Diese Zustände würden dann ja zufällig determiniert. Was hat dann dieser durch nichts beeinflusste Zufall mit freiem Willen zu tun? Dieser Zufall würde ja erst recht freien Willen verhindern, oder?

(Kurze Frage noch: entstehen diese beiden Azetylen-Sorten zu gleichen Teilen?)

Beste Grüße
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Claus
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Hallo Stueps,

Stueps schrieb in Beitrag Nr. 466-41:
Angenommen, du hast recht, und unbestimmte Zustände in unserem Hirn beeinflussen unser Denken. Diese Zustände würden dann ja zufällig determiniert. Was hat dann dieser durch nichts beeinflusste Zufall mit freiem Willen zu tun? Dieser Zufall würde ja erst recht freien Willen verhindern, oder?

Nehmen wir mal an, inneres "Denken" oder auch "Fühlen" hätte ein äußeres substanzielles Korrelat.

Man sollte dann nicht davon sprechen, dass das eine das andere verursacht. Vielmehr wäre es so, dass das Gefühl - von außen gesehen - Substanz ist und, was dasselbe wäre, die Substanz - von innen gesehen - Gefühl.

In diesem Sinne verstehe ich Zufall. Von außen gesehen bildet sich durch Zufall irgendwo ein Teilchen (also eine Substanz) an einem bestimmten Ort. Von innen gesehen entspricht das einem Gefühl (z.B. dem Gefühl, dass ich eben diesen Vorgang entscheide).


Zitat von Stueps:
Kurze Frage noch: entstehen diese beiden Azetylen-Sorten zu gleichen Teilen?

Nein. Es entsteht mehr von der trans-Sorte. Zwar kann man das Elektron im roten wie auch im blauen Bereich mit gleicher Wahrscheinlichkeit antreffen. Aber die Chloratome mögen es nicht gern, wenn sie beide auf derselben Seite sind. Sie sind sehr voluminös und behindern sich wegen des Platzmangels gegenseitig etwas. Daher bevorzugen sie die gegenüberliegende trans-Anordnung.
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Otto
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Stueps schrieb in Beitrag Nr. 466-38:
Auf jeden Fall sollte man meines Erachtens Hossenfelder immer ernst nehmen. Meiner Wahrnehmung nach ist sie blitzgescheit, denkt konsequent und sehr eigenständig. Schon allein die Tatsache, dass sie auf dem Gebiet der ART eine Art "Virtuosin" ist, lässt mich ehrfürchtig werden. Und ihr Denken und Forschen geht ja weit darüber hinaus.
Und obwohl ich exakt konträr mit ihrer Ansicht gehe, dass die Suche nach mathematischer Schönheit in den Grundlagen der Physik eine Fehlentwicklung sei, nehme ich persönlich ihre Standpunkte immer ernst, da sie eben auch immer sehr starke Argumente hat.

Hallo Stueps,
ich kann Dir nur zustimmen. Siehe auch mein kurzer Beitrag Nr. 2284-43.
Ich habe das Buch von ihr "Lost in Math: How Beauty Leads Physics Astray" in der deutschen Ausgabe "Das hässliche Universum: Warum unsere Suche nach Schönheit die Physik in die Sackgasse führt. Übersetzerinnen Gabriele Gockel" gelesen und war sehr beeindruckt.
Der freie Wille spielt in diesem Buch keine Rolle, wenn ich mich recht entsinne.
Ich komme aber in einem separaten Beitrag auf ihre Ausführungen über den Zufall speziell zurück.

Gruß, Otto
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Otto
Beiträge: 1.233, Mitglied seit 10 Jahren
Hallo Claus,
Claus schrieb in Beitrag Nr. 466-31:
Ganz zu schweigen davon, dass sie überhaupt nicht erläutert, was genau sie unter Partikeln versteht.

Stimmt.
Das liegt u.a. sicher daran, dass im Englischen das Wort "particle" im Deutschen als Teilchen übersetzt wird.

Gruß, Otto
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Otto
Beiträge: 1.233, Mitglied seit 10 Jahren
Hallo alle zusammen,

Claus schrieb in Beitrag Nr. 466-31:
Sabine Hossenfelder: Du hast keinen freien Willen, aber mach´ dir deswegen keine Sorgen!

Sabine Hossenfelder erklärt und begründet in ihrem Video, warum freier Wille - nach ihrer Auffassung - mit den derzeit bekannten Naturgesetzen unvereinbar ist.
Sie meint, es mache auch keinen Sinn, danach zu suchen.
Freier Wille sei keine Voraussetzung für verantwortungsvolles Handeln.

Die Informationen sind in dem Video sehr kompakt. Ich bin mir deshalb nicht sicher, ob ich alles richtig verstanden habe. Ich zweifle auf keinem Fall an ihrer Kompetenz und ihrem Wissen, ganz im Gegenteil, ich halte sie für außerordentlich kompetent.

Ich finde es richtig, die Zukunft nur aus der Gegenwart, dem Ist-Zustand zu entwickeln. Das ist auch meine Auffassung.
Die Zustandsänderung des Augenblicks bestimmt den zukünftigen Zustand. Mathematisch erfolgt das durch Differentialgleichungen. Diese Zustandsänderung ist deterministisch.
So arbeitet auch ein Gehirn.
Das Hirn ist ein biologischer Apparat in Form eines riesigen Netzwerkes, bestehend aus ca. hundert Milliarden Nervenzellen. Diese Nervenzellen bestehen aus Elementen, die untereinander über Elektrizität und Chemie kommunizieren. Es springen Signale von einer Zelle auf die andere. Das ist die Basis unseres Denkens.

Unser denkendes Gehirn ist in Lage, über das Denken nachzudenken.
Wir sind jedoch unfähig, das Resultat unseres Denkens vorauszusagen. Wenn wir es könnten, dann brauchten wir nicht nachzudenken. Das Ergebnis des Denkens ist deshalb selbst determiniert. Dazu muss man eben denken.
Wichtig: Unser Hirn ist, was wir sind.

In diesem Punkt stimme ich Sabine Hossenfelder zu.

Die Elemente haben natürlich eine Geschichte, beginnend mit dem Urknall des Universums. In diesem Punkt stimme ich ebenfalls Sabine Hossenfelder zu.

Unsere Sinne liefern Reize unserer Außenwelt. Aber was in unserem Gehirn ankommt, ist in keiner Weise das, was tatsächlich existiert. Was wir sehen, ist nicht das, was wir wahrnehmen. Wir sehen nur eine Realität, die den Filtern (Mustern) unserer Psyche unterliegt.
Auf die Unterschiede zwischen Kurzzeitgedächtnis, Langzeitgedächtnis und unserem urzeitlichen sensorischen Gedächtnis will ich hier nicht eingehen.

Sabine Hossenfelder erwähnt, dass unser Gehirn auch chaotisch arbeitet. Chaotische Systeme sind ebenfalls deterministisch, weil sie deterministischen Gleichungen unterliegen. Chaos macht Voraussagen schwierig. Ausgangspunkt der Zustandsänderung ist auch hier der Ist-Zustand der Gegenwart.
Chaostheorien beschäftigen sich nicht mit Systemen, die dem Zufall unterliegen (stochastische Systeme).
Sabine Hossenfelder lässt leider diesen Aspekt völlig unberücksichtigt. Das ist nach meinem Erachten ein Fehler und führt zu einer sehr einseitigen Analyse des Verständnisses zum freien Willen.
Auch der Zufall ist ein Naturgesetz und keinesfalls logisch zusammenhanglos.

Ich habe deshalb ein anderes Verständnis von freien Willen.
Ich bin nicht der Auffassung, dass der freie Wille eine Illusion ist.

Meine Auffassung habe ich im Beitrag Nr. 1911-62 dargelegt:
Die Wahrscheinlichkeitstheorie untersucht das Zufallsgeschehen der Natur. Die Wahrscheinlichkeitstheorie macht Ereignisse berechenbar, obwohl das einzelne Ereignis nicht deterministisch ist.
Das einzelne zufällige Ereignis ist dadurch gekennzeichnet, dass es nicht kausal erklärbar bzw. nicht Glied einer kausalen Kette ist.
Deshalb sind für mich Determinismus und Indeterminismus keine Gegensätze, sondern Extrema einer "Grauzone", die dem freien Willen des Menschen Raum lässt.
Obwohl die Aktion und Entscheidung eines Individuums zufällig (durch freien Willen) sein kann, unterliegt die Summe der Einzelaktionen des Individuums oder von mehreren Menschen einer (berechenbaren) Wahrscheinlichkeit.

Gruß, Otto
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Claus
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Hallo Otto,

Otto schrieb in Beitrag Nr. 466-45:
Ich finde es richtig, die Zukunft nur aus der Gegenwart, dem Ist-Zustand zu entwickeln. Das ist auch meine Auffassung.
Die Zustandsänderung des Augenblicks bestimmt den zukünftigen Zustand. Mathematisch erfolgt das durch Differentialgleichungen. Diese Zustandsänderung ist deterministisch.
So arbeitet auch ein Gehirn. ...

Das ist ein Plädoyer für den Determinismus

Zitat von Otto:
Wir sind jedoch unfähig, das Resultat unseres Denkens vorauszusagen. Wenn wir es könnten, dann brauchten wir nicht nachzudenken. Das Ergebnis des Denkens ist deshalb selbst determiniert. ...

Das "deshalb" bedarf m.E. einer Erläuterung. Hier komme ich ohne weitere Erklärung nicht mit.

Beim Chaos handelt es sich normalerweise um den "falschen" Zufall, d.h.: Dieser Zufall tut nur so als wäre er einer. In Wahrheit ist er aber Determinismus. Er erscheint nur deswegen "zufällig", weil man die Anfangsbedingungen nicht genau genug kennt.

Zitat von Otto:
Sabine Hossenfelder erwähnt, dass unser Gehirn auch chaotisch arbeitet. Chaotische Systeme sind ebenfalls deterministisch, weil sie deterministischen Gleichungen unterliegen. ...
Chaostheorien beschäftigen sich nicht mit Systemen, die dem Zufall unterliegen (stochastische Systeme).
Sabine Hossenfelder lässt leider diesen Aspekt völlig unberücksichtigt. Das ist nach meinem Erachten ein Fehler ...

Das finde ich auch. Meinst du hier den obigen, "falschen" Zufall oder meinst du nun einen echten Zufall i.S. Hossenfelders: also einen Zufall, der dadurch gekennzeichnet ist, dass er keine äußerliche (d.h. objektiv bestimmbare) Ursache hat.

Zitat von Otto:
Ich bin nicht der Auffassung, dass der freie Wille eine Illusion ist.
...
Die Wahrscheinlichkeitstheorie macht Ereignisse berechenbar, obwohl das einzelne Ereignis nicht deterministisch ist.
Das einzelne zufällige Ereignis ist dadurch gekennzeichnet, dass es nicht kausal erklärbar bzw. nicht Glied einer kausalen Kette ist....

Obwohl die Aktion und Entscheidung eines Individuums zufällig (durch freien Willen) sein kann, unterliegt die Summe der Einzelaktionen des Individuums oder von mehreren Menschen einer (berechenbaren) Wahrscheinlichkeit.

Das wäre ein Plädoyer für den "echten" Zufall und damit den Indeterminismus.

Oder siehst du auch Letzteres als durch äußere Gründe determiniert und nur "mangels Wissen" nicht berechenbar an?

Oder siehst du es so, dass Letzteres durch keinen äußerlich (objektiv) erkennbaren Grund geschieht, sondern durch einen letzten, inneren Grund, nämlich den freien Willen?
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Otto
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Moin, Stueps und Claus,

Otto schrieb in Beitrag Nr. 466-43:
Ich komme aber in einem separaten Beitrag auf ihre Ausführungen über den Zufall speziell zurück.

Hier, wie versprochen, einige Auszüge aus dem Buch "Das Hässliche Universum" von Sabine Hossenfelder, die das besprochene Thema "Freier Wille" betreffen:

- "Treffen Wahrscheinlichkeiten überhaupt auf die Physik der Zustandsänderung zu?
Wahrscheinlichkeiten, die nicht wissenschaftlich oder durch Tests nachweisbar sind, sind nichts weiter als Annahmen, die zur Sache passend gewählt wurden, um ein erwartetes Ergebnis zu beschreiben (Ad-hoc-Hypothese). Hierzu gehört zum Beispiel der idealisierte Prozess der bayesianischer Datenanalyse, bei der ein Wahrscheinlichkeitsmodell für beobachtbare und unbrauchbare Größen generiert werden kann. Die Bayes'sche Interferenz ist nichts weiter als eine Anpassung eines Wahrscheinlichkeitsmodells an eine Menge von Daten.
Es bedarf immer einer zusätzlichen Annahme um eine Wahrscheinlichkeitsverteilung auszuwählen. Keine der Wahrscheinlichkeitsverteilungen ist mathematische allein mathematisch bevorzugt."
Mein Kommentar: Die zusätzliche Annahmen und das Wahrscheinlichkeitsmodell sind dabei keine ästhetische Entscheidung, sondern basieren auf irreduziblen mathematischen Grundbausteinen, die als Zustandsänderung in der Natur beobachtbar sind.
Das Gesetz der kleinen Zahl ist zum Beispiel eine Wahrscheinlichkeit, die durch Tests nachweisbar ist und außerdem eine enge Beziehung zur transzendenten Eulerzahl e bzw. 1/e aufweist.


- "Was sind Experiment wie mit dem LHC wert, deren meisten Ergebnisse durch Filter automatisch ausgemustert werden, weil die Datenflut zu groß ist? Nur die Messergebnisse bleiben so übrig und werden untersucht, die zuvor als interessant vorausgewählt wurden. (Von einer Milliarde Protonenkollisionen pro Sekunde bleiben im CERN nur ein bis zweihundert zurück.)"

Gruß, Otto
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Otto
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Hallo Claus,
Claus schrieb in Beitrag Nr. 466-46:
Oder siehst du auch Letzteres als durch äußere Gründe determiniert und nur "mangels Wissen" nicht berechenbar an?
Oder siehst du es so, dass Letzteres durch keinen äußerlich (objektiv) erkennbaren Grund geschieht, sondern durch einen letzten, inneren Grund, nämlich den freien Willen?

Bevor ich auf Deine einzelnen Fragen und Kommentare eingehe, erst einmal eine Erläuterung über die Gründe und Zweifel zu meiner eigenen Auffassungen:

Ich bin der Auffassung, dass wir einen freien Willen besitzen.
Diese Auffassung begründe ich damit, dass unser Bewusstsein (die Fähigkeit über das Denken nachzudenken und das Ich zu erkennen) durchaus in der Lage ist, verschiedene Optionen möglicher Aktivitäten abzuwägen.
Jede dieser Abwägungen ist ein separater deterministischer Prozess der chemisch-elektrischen Kommunikation (einer Zustandsänderung = Differential) zwischen Nervenzellen.
Für jeden dieser Prozesse des Nachdenkens ist das Ergebnis am Anfang nicht bekannt.
Die Ergebnisse jedes dieser Denkprozesse wird gespeichert.
Anschließend wird eine Auswahl aus diesen Ergebnissen getroffen. Genau das verstehe ich unter einem freien Willen.

Ich bin mir aber nicht sicher, ob diese einfache Erklärung für die Existenz eines freien Willens wirklich zutreffend ist.

Die Arbeitsweise unseres Gehirns ist wesentlich komplizierter.
Hinter der Frage, ob ein freier Wille existiert, steht die Frage nach den Grenzen von künstlicher Intelligenz.
Dr. Leon Winscheid formuliert diese Frage sehr anschaulich so, ob wir einem Toaster zu einem Orgasmus verhelfen können.

Wir besitzen zwei verschiedene funktionelle Nervensysteme, die weitestgehend unabhängig voneinander arbeiten, das somatische Nervensystem und das vegetative Nervensystem.

Das autonome vegetative Nervensystem ist für die Steuerung der Tätigkeit außerhalb unseres Bewusstseins zuständig. Diese Steuerungen unserer Körperfunktionen verlaufen deterministisch über den Sympathikus und Parasympathikus. Diese Steuer- und Regelprozesse verlaufen ohne freien Willen.

Das somatische Nervensystem ist für die Aufnahme von Reizen über unsere Sinnesorgane und die Aktivierung willkürlicher Bewegungen zuständig. Nur hier sehe ich überhaupt die mögliche Existenz eines freien Willens.
Messungen haben ergeben, dass die Entscheidung für eine motorische willkürliche Bewegung weit vor (1/4 Sekunde bis 7 Sekunden) der Aktion getroffen wurde und dem Probanden erst mit dieser Verzögerung bewusst wurde.
Der Wille sagt, lauf los, während dies vom Gehirn schon längst entschieden ist.
Wo ist der freie Wille hier geblieben? Mein Bewusstsein weiß doch nicht einmal, dass die Entscheidung schon längst getroffen wurde.

Randbemerkung: Diese Prozesse sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich und hängen von der Psyche ab,

Gruß, Otto
Beitrag zuletzt bearbeitet von Otto am 13.11.2020 um 15:02 Uhr.
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Struktron
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Stueps schrieb in Beitrag Nr. 466-37:
...

Ja klar, da fehlt mir dann wieder die Zeit. Zumal ich dann auch noch die eine oder andere Vokabel nachschlagen müsste. Aber das ist ja allein meine Schuld. Eigentlich liebe ich diese Art Vorträge, wie sie Hossenfelder hält: kurz, knackig, zügig. Aber eben auf Deutsch :lol:.
Wenn Du in Youtube unten links Untertitel aktivierst, kannst Du bei den daneben stehenden Einstellungen "Deutsch" als Sprache wählen. Die Übersetzung ist meiner Meinung nach perfekt. Vielleicht von Sabine Hossenfelder selbst korrigiert.

Übrigens lässt sich das Problem von Zufall und freiem Willen auf die Anfangsbedingungen einer interessierenden Beschreibung beschränken.
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Erklären kleine diskrete Objekte die Grundlagen der Standardphysik?
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Stueps
Beiträge: 3.476, Mitglied seit 18 Jahren
Struktron schrieb in Beitrag Nr. 466-49:
Wenn Du in Youtube unten links Untertitel aktivierst, kannst Du bei den daneben stehenden Einstellungen "Deutsch" als Sprache wählen.

Hey Struktron,

vielen Dank!!!
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Stueps
Beiträge: 3.476, Mitglied seit 18 Jahren
Hey Leute,

ich hänge schon wieder gnadenlos hinterher, kann euren Gedanken nicht wirklich folgen.
Einen Punkt hätte ich aber gern noch weiterverfolgt:

Claus schrieb in Beitrag Nr. 466-42:
Nehmen wir mal an, inneres "Denken" oder auch "Fühlen" hätte ein äußeres substanzielles Korrelat.

Man sollte dann nicht davon sprechen, dass das eine das andere verursacht. Vielmehr wäre es so, dass das Gefühl - von außen gesehen - Substanz ist und, was dasselbe wäre, die Substanz - von innen gesehen - Gefühl.

In diesem Sinne verstehe ich Zufall. Von außen gesehen bildet sich durch Zufall irgendwo ein Teilchen (also eine Substanz) an einem bestimmten Ort. Von innen gesehen entspricht das einem Gefühl (z.B. dem Gefühl, dass ich eben diesen Vorgang entscheide).

Da hab ich auch wieder große Schwierigkeiten, das zu verstehen. Heißt das letztlich, dass wir objektiven Zufall nach dieser Sichtweise als freie Entscheidung / als Gefühl wahrnehmen? Ich blicke das nicht, büdde entschuldige, Claus!

Beste Grüße
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Otto
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Hallo Claus,

Claus schrieb in Beitrag Nr. 466-46:
...
Otto schrieb in Beitrag Nr. 466-45:
Ich finde es richtig, die Zukunft nur aus der Gegenwart, dem Ist-Zustand zu entwickeln. Das ist auch meine Auffassung.
Die Zustandsänderung des Augenblicks bestimmt den zukünftigen Zustand. Mathematisch erfolgt das durch Differentialgleichungen. Diese Zustandsänderung ist deterministisch.
So arbeitet auch ein Gehirn. ...

Das ist ein Plädoyer für den Determinismus

Ein sehr großer Teil unserer Denkprozesse ist deterministisch.
Dazu gehören insbesondre alle Prozesse des vegetativen Nervensystems, unser "tierisches" Erbe.
Auch ein Großteil der Prozesse des somatischen Nervensystems ist intuitiv, also deterministisch. Nur ein kleinerer Teil beschäftigt sich mit der Auswahl von Optionen - dem freien Willen.
Diesen Auswahlprozess von Optionen setze ich dem "echten" Zufall gleich.

Sicher kann man darüber diskutieren, ob dieser Teil wiederum deterministisch ist oder nicht.
Unser Gehirn arbeitet keineswegs wie ein mechanischer Apparat mit einer Software.

Das beginnt damit, dass nicht alles, was unsere Sinne (Sensoren) registrieren, auch im Gehirn zur Verarbeitung zugelassen wird. Unser Nervensystem trifft eine Auswahl aus den Messdaten.
Wir sehen, hören, schmecken, fühlen nur eine Realität, die Filtern unserer Psyche unterliegt. Wir würden ansonsten in einer Reizflut untergehen.
Vermutlich erwähnt genau aus diesem Grunde Sabine Hossenfelder den Zufall in ihrem Vortrag nicht, weil hier genau das passiert, wie bei den Messungen in der Großforschungsanlage CERN.
Das Ergebnis der Messungen verzerrt die Abbildung unserer realen Umwelt durch vorgeschaltete Filter.
Nichts gelangt unbearbeitet in den Bereich der Aufmerksamkeit unseres Gehirns.
Ob unser Gehirn der bayesianische statistischen Datenanalyse folgt entzieht sich meiner Kenntnis.

Zusätzlich unterliegt die Bewertung der Sinnesreize einem Muster, in wichtig oder unwichtig, wie es bei einer Risikobewertung (zum Beispiel der Wahrscheinlichkeit des Ausbruchs eines Brandes in einer chemischen Anlage oder auf einer Bohrinsel) in der Technik erfolgt.
Unsere Gefühle sind Teil dieser Bewertungsmuster unseres Gehirns.

Eine künstliche Intelligenz, die den Menschen simuliert, müsste all das in der Software berücksichtigen. Die Ungenauigkeit ist das Merkmal unseres Gehirns.
Ein Teil der Reaktionen/Aktivitäten dieser künstlich geschaffenen Maschine wären zufällig.


Claus schrieb in Beitrag Nr. 466-46:
Das "deshalb" bedarf m.E. einer Erläuterung. Hier komme ich ohne weitere Erklärung nicht mit.
Das Wort "deshalb" habe ich aus dem Vortrag von Sabine Hossenfelder in ihrem auf Englisch gehaltenen Vortrag in Erinnerung.
Ich fand das Wort an dieser Stelle richtig.
Es markiert den einzelnen Denkprozess als einen deterministischen Vorgang, der vom Ist-Zustand ausgeht und durch Software programmierbar ist.
Sicher enthielte dieser Programmcode viele IF, WHEN und CASE Befehle.

Claus schrieb in Beitrag Nr. 466-46:
Beim Chaos handelt es sich normalerweise um den "falschen" Zufall, d.h.: Dieser Zufall tut nur so als wäre er einer. In Wahrheit ist er aber Determinismus. Er erscheint nur deswegen "zufällig", weil man die Anfangsbedingungen nicht genau genug kennt.
Ja, genau. Deshalb ist das Chaos deterministisch.

Claus schrieb in Beitrag Nr. 466-46:
Das finde ich auch. Meinst du hier den obigen, "falschen" Zufall oder meinst du nun einen echten Zufall i.S. Hossenfelders: also einen Zufall, der dadurch gekennzeichnet ist, dass er keine äußerliche (d.h. objektiv bestimmbare) Ursache hat.
Ich meinte den echten Zufall (im Gegensatz zu Sabine Hossenfelder), der einem Zufallsgesetz folgt.

Claus schrieb in Beitrag Nr. 466-46:
Das wäre ein Plädoyer für den "echten" Zufall und damit den Indeterminismus.
Oder siehst du auch Letzteres als durch äußere Gründe determiniert und nur "mangels Wissen" nicht berechenbar an?
Oder siehst du es so, dass Letzteres durch keinen äußerlich (objektiv) erkennbaren Grund geschieht, sondern durch einen letzten, inneren Grund, nämlich den freien Willen?
Ich meine wirklich den "echten" Zufall wie dem Gesetz der kleinen Zahl.
Nichtwissen zähle ich nicht dazu.
Einen inneren versteckten Grund sehe ich nicht. Dem freien Willen würde ich keine mystische Bedeutung zuordnen.

Gruß, Otto
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Claus
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Hallo Stueps,

Stueps schrieb in Beitrag Nr. 466-51:
Heißt das letztlich, dass wir objektiven Zufall nach dieser Sichtweise als freie Entscheidung / als Gefühl wahrnehmen?

So meine These.

Nehmen wir an, ein Mensch will aus bestimmten Gründen etwas tun. Der Mensch ist dann nicht frei in seinem Handeln. Von außen betrachtet heißt das: wenn man die Gründe für sein Handeln kennt, kann man etwa vorhersagen, was der Mensch tun wird. Auch aus der Innensicht des Menschen heraus, kann dieser solche Gründe einsehen. Er empfindet sie als "Zwänge". Bspw. würde er sagen: "Ich wollte etwas essen, weil ich Hunger hatte."

Nehmen wir nun in einer Grenzwertbetrachtung immer mehr dieser äußeren Gründe = inneren Zwänge = Ursachen für das Handeln weg - solange, bis keine mehr übrig sind.

Für einen äußeren Beobachter heißt das: er kann immer schlechter und schließlich gar nicht mehr vorhersagen, was der Mensch machen wird. Aus der Innensicht des Menschen wird dieser immer freier in seiner Entscheidung - solange, bis schließlich keinerlei Zwang mehr übrigbleibt, etwas so und nicht anders zu tun.

Gibt es schließlich keinen von außen erkennbaren Grund mehr für die Handlung, dann muss der äußere Betrachter feststellen: Die Handlung erfolgt "echt" zufällig. Auch aus der Innensicht des Handelnden gibt es nun ebenfalls keine äußeren Gründe = Zwänge mehr für sein Handeln. Fragt man ihn: "Warum hast du das getan?" würde er dann vielleicht antworten: "Weil ich es so wollte." oder: "Mir war gerade danach." Dies wäre m.E. der - wenn auch meist theoretische - Punkt, an dem der Mensch mit einem "freiem Willen" handelt.
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Otto
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Hallo Stueps und Claus,

Stueps schrieb in Beitrag Nr. 466-51:
Heißt das letztlich, dass wir objektiven Zufall nach dieser Sichtweise als freie Entscheidung / als Gefühl wahrnehmen?
Claus schrieb in Beitrag Nr. 466-53:
Für einen äußeren Beobachter heißt das: er kann immer schlechter und schließlich gar nicht mehr vorhersagen, was der Mensch machen wird.

Das verstehe ich unter dem zusammenfassend Begriff Psyche.
Otto schrieb in Beitrag Nr. 466-48:
Diese Prozesse sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich und hängen von der Psyche ab.
Psyche ist die Summe aller real existierenden Eigenschaft eines einzelnen Menschen wie das Denkvermögen, sein Wissen, die Wahrnehmungen, seine Gefühle (Triebe), persönliche Ziele, sein Wertmaßstab, willkürliche Erinnerungen, seine Träume, das erlernte Verhalten, usw.

All diese Konditionen unseres Gegenübers kennen wir nicht oder nur teilweise.
Diese Unkenntnis seines aktuellen Ist-Zustandes hat jedoch nichts mit Aktivitäten zu tun, die durch freien Willen geprägt sind.
Eine spontane unbewusste Reaktion unseres von Hormonen überschwemmten Gegenübers ist im Affekt deterministisch.

Überlegt jedoch unser Gegenüber, wie er "vernünftig" reagieren sollte, also eine Auswahl aus Optionen seiner möglichen Reaktion trifft, dann gehört dies m.E. zum freien Willen.

Gruß, Otto
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Stueps
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Hallo Claus,

Claus schrieb in Beitrag Nr. 466-53:
So meine These.

Dann bleibt meine Frage: was hat echter Zufall mit freiem WiIlen zu tun? Gerade dieser Zufall bedingt ja dann eine vollkommen willenlose Entscheidung. Es ist eben eine zufällige Entscheidung, und keine gewollte. Oder mache ich da einen grundlegenden Denkfehler?

Beste Grüße
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Claus
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Hallo Stueps,

Stueps schrieb in Beitrag Nr. 466-55:
Es ist eben eine zufällige Entscheidung, und keine gewollte. Oder mache ich da einen grundlegenden Denkfehler?

Vielleicht ist "freier Wille" der falsche Begriff. Vielleicht sollte man besser "freies Handeln" sagen.

Denn in dem Sinne, wie du es oben beschreibst, ist der Begriff "freier Wille" wohl bereits ein Widerspruch in sich. Du siehst das "Wollen" so, dass es immer durch etwas verursacht ist. Also: Ich will etwas, weil...

Wenn man es dagegen so sieht, wie Otto es beschrieben hat - wenn jemand

Otto schrieb in Beitrag Nr. 466-54:
...eine Auswahl aus [gleichwertigen] Optionen seiner möglichen Reaktion trifft...

wobei die Optionen gleichwertig sein sollen, d.h. es soll keinen Grund geben, eine der Optionen zu bevorzugen, dann handelt der Auswählende frei.

Ich unterscheide dabei nun eine äußere, objektive Sicht und eine Innere Sicht. Letztere wäre das, was der Handelnde selbst erlebt. Der Handelnde erlebt, dass er sich selbst "frei" entscheiden kann und sieht sich selbst als einzige verbeibende Ursache für sein Handeln. Objektiv gesehen erfolgt die Handlung zufällig. Beides, Zufall und Freiheit des Handelns - ist also objektiv dasselbe, aber eben einmal aus der äußeren und einmal aus der inneren Sicht.
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Otto
Beiträge: 1.233, Mitglied seit 10 Jahren
Claus schrieb in Beitrag Nr. 466-56:
Ich unterscheide dabei nun eine äußere, objektive Sicht und eine Innere Sicht. Letztere wäre das, was der Handelnde selbst erlebt. Der Handelnde erlebt, dass er sich selbst "frei" entscheiden kann und sieht sich selbst als einzige verbeibende Ursache für sein Handeln. Objektiv gesehen erfolgt die Handlung zufällig. Beides, Zufall und Freiheit des Handelns - ist also objektiv dasselbe, aber eben einmal aus der äußeren und einmal aus der inneren Sicht.

Hallo Stueps,
ich sehe das genauso wie Claus.
Wenn dem nicht so wäre und Zufall wie ein Gesetz (mit Wahrscheinlichkeit 1) wirken würde, dann hätte Sabine Hossenfelder recht und es gäbe keinen freien Willen.
Aus meiner Sicht ist der Zufall der einzige Weg, der freien Willen mathematisch beschreibt.

Deshalb stimme ich nicht mit ihrer Auffassung überein.
Frei übersetzt: "Die Idee, dass wir einen freien Willen haben und die mögliche Wahl zwischen verschiedenen "Zukünften" haben, ist beides - inkompatibel und logisch zusammenhanglos mit den Naturgesetzen."

Für mich gehören zufällige Erscheinungen zu den Naturgesetzen.

Gruß, Otto
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Stueps
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Ah, so langsam komme ich hinter eure Denke, Claus und Otto.

Das sind interessante, für mich neue Sichtweisen. Das bedeutet für mich ja immer ein Aha-Erlebnis, und das find ich bekannterweise besonders toll.

Claus, irgendwas stört mich an dieser Argumentation noch, ich bin mal gespannt, ob ich herausbekomme, was.

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Okotombrok
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Hallo Stueps,

Stueps schrieb in Beitrag Nr. 466-34:
Geht man nach der Kopenhagener Interpretation, ist wohl jeder Wellenkollaps längst geschehen. Die Dekohärenz hat längst jede Wahrscheinlichkeit zunichte gemacht, alles bereits determiniert.

das quantenmechanische Dekohärenzprinzip stellt keine eigene Interpretation dar und steht nicht im Widerspruch zur KI, sondern erklärt den Übergang von quantenmechanischen zu makroskopischen Phänomenen, von Teilchen- zu Vielteilchensystemen.
Wie erklärst du dir sonst die Ergebnisse von Interferenzversuche oder Quantenverschränkungen?

mfg okotombrok
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"Der Kopf ist rund, damit die Gedanken die Richtung wechseln können"
(Francis Picabia)
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Stueps
Beiträge: 3.476, Mitglied seit 18 Jahren
Hallo Okotombrok,

hab länger gerätselt, was du wohl meinst. Bis ich dahinter kam, dass meine Zeilen missverständlich sind.

Hab eben schon zwei drei Zeilen getippt, um das Missverständnis aufzuklären, hab aber gemerkt, dass dadurch alles noch verworrener wird. Deshalb nur das:

Alles, was du schreibst, ist vollkommen richtig. Danke für die Klarstellung / das "Geraderücken"!

Beste Grüße
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Beitrag zuletzt bearbeitet von Stueps am 16.11.2020 um 17:36 Uhr.
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