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Hallo zusammen!

Thema erstellt von Simpl 
Beiträge: 53, Mitglied seit 8 Jahren
Guten Tag,

bin 56 Jahre alt und Rechtsanwalt.

Rechtsfragen sind Meinungsfragen, daher beschäftige ich mich zum Ausgleich gern mit der Physik.

Mir gefällt die familiäre Art hier.


Beste Grüße
Simpl
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Stueps (Moderator)
Beiträge: 3.476, Mitglied seit 18 Jahren
Willkommen Simpl,

Simpl schrieb in Beitrag Nr. 2219-1:
Rechtsfragen sind Meinungsfragen, daher beschäftige ich mich zum Ausgleich gern mit der Physik.

Frage:

Was unterscheidet im Wahrheitsgehalt Rechtsfragen von Physikfragen?

Grüße
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Diese Welt gibt es nur, weil es Regeln gibt.
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Beiträge: 53, Mitglied seit 8 Jahren
Hallo Stueps,

das könnte weit führen...

Das Recht befasst sich mit dem Sollen. Deshalb beantwortet das Recht Fragen wie "Soll A von B 100 Euro bekommen?" oder "Soll T bestraft werden?". Den Antworten darauf will das Recht keinen Wahrheitsgehalt (im Sinne von "Ja, es ist so") zuweisen.

Natürlich beziehen sich Rechtsfragen konkret immer auf Lebenssachverhalte (A hat B das Geld geliehen, T hat einen "A.C.A.B."-Button getragen). Und auch der Vorgang der Wahrheitsfindung unterliegt Rechtsregeln. Aber die am Ende gefundenen Antworten "Ja" oder "Nein" werden normativ begründet, nicht ontisch.

Anders in den Naturwissenschaften, die sich mit dem Sein befassen. "Ist der reisende Zwilling beim Wiedersehen jünger?" - "Ja, es ist so". - Selbst wenn man da anderer Meinung ist, ist man das nicht, weil beide gefälligst gleich alt bleiben sollten, sondern weil sie es - vermeintlich - sind. Letztlich entscheidet das Experiment, und das gibt eine ontische Antwort, keine normative.

Deshalb ist ein Experiment und das Nachdenken darüber ein erfrischender Ausgleich zu meinem Alltag, in dem ich einen Verwaltungsbeamten, ein Richterlein, einen Staatsanwalt usw. mit Wertungen, Appellen, Drohungen und natürlich auch Fakten bearbeite, nicht um "ist so" oder "ist nicht so" als Antwort zu bekommen, sondern "so wird es gemacht" (oder auch nicht).

Grüße
Simpl
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Stueps (Moderator)
Beiträge: 3.476, Mitglied seit 18 Jahren
Simpl schrieb in Beitrag Nr. 2219-3:
Letztlich entscheidet das Experiment, und das gibt eine ontische Antwort, keine normative.

Bitte benenne ein Experiment, das zweifelsfrei ontisch schlussfolgert.

Grüße
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Beitrag zuletzt bearbeitet von Stueps am 19.08.2015 um 01:26 Uhr.
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Beiträge: 2.998, Mitglied seit 15 Jahren
Stueps schrieb in Beitrag Nr. 2219-2:
Willkommen Simpl,

Simpl schrieb in Beitrag Nr. 2219-1:
Rechtsfragen sind Meinungsfragen, daher beschäftige ich mich zum Ausgleich gern mit der Physik.

Frage:

Was unterscheidet im Wahrheitsgehalt Rechtsfragen von Physikfragen?

Grüße

In der Physik herrschen die Naturgesetze.
Gegen diese Gesetze kann niemand verstoßen und man braucht daher keinen Rechtsanwalt, um sein Recht durchzusetzen.

ein wirklich entscheidender Unterschied.

Simpl schrieb in Beitrag Nr. 2219-3:
"Soll A von B 100 Euro bekommen?" oder "Soll T bestraft werden?".
.....
Aber die am Ende gefundenen Antworten "Ja" oder "Nein" werden normativ begründet, nicht ontisch.

Da hätte ich gleich eine Frage:
Ist das Licht nun Teilchen oder Welle?
kann ich dies ontisch oder normativ beantworten.
Wissenschaftler X" hat in seinem Experiment Teilchen nachgewiesen, Wissenschaftler "Y" jedoch Wellen.
Wer hat (bekommt) Recht?

Muss ich das nicht von Fall zu Fall entscheiden, je nachdem welches Experiment ausgeführt wird?
Genau wie ich von Fall zu Fall enscheiden muss, ob A von B die 100 Euro bekommen soll.
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Beitrag zuletzt bearbeitet von Hans-m am 19.08.2015 um 09:14 Uhr.
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Beiträge: 952, Mitglied seit 9 Jahren
Hi, Simpl, und sei gegrüßt!

Da hast du aber mal ein Fass aufgemacht!

Ich glaube, du liegst nicht richtig, wenn du annimmst, die Physik (die Naturwissenschaften) befasste sich mit ontologischen Fragen. Die Physik ist sicher unabdingbar, wenn man solche Fragen beantworten will, aber die Ontologie ist Philosophie, sie fragt nach „den Dingen an sich“, wenn man so will, die Physik kann aber keine Frage nach dem Wesen der Dinge beantworten.

Kein Experiment kann dir sagen, was „ist“, es kann dir nur sagen, was geschieht, wenn wir dieses und jenes Objekt aufeinander loslassen. Und wenn immer wieder dasselbe passiert, können wir eine Gesetzmäßigkeit vermuten, mehr nicht.

Und – gibt es etwas normativeres, als ein exakt geplantes, zur Wiederholung geeignetes Experiment? Gibt es aber etwas, was weniger normierbar wäre, als „Sein“?
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Hallo zusammen und Danke für die Willkommensgrüße.

Mein Eingangsposting sollte eigentlich nur eine Art Begrüßung werden, und jetzt werd ich gleich so hart rangenommen.

Stueps schrieb in Beitrag Nr. 2219-4:
Bitte benenne ein Experiment, das zweifelsfrei ontisch schlussfolgert.

Wie meinst du das? Ein Experiment kann ja nicht schlussfolgern. Und worauf bezieht sich das "zweifelsfrei" - auf "ontisch" oder auf "schlussfolgern"?


Hans-m schrieb in Beitrag Nr. 2219-5:
Da hätte ich gleich eine Frage:
Ist das Licht nun Teilchen oder Welle?
kann ich dies ontisch oder normativ beantworten.

Ontisch, denn Licht ist ein Teilchen oder eine Welle oder beides oder je nachdem unabhängig von dem, der etwas über das Licht behauptet. Selbst wenn man behauptet, das Licht würde sich um den Beobachter scheren, ist das keine normative Behauptung. Denn Gegenstand dieser Behauptung ist allein das Licht, also etwas, das bestens ohne den Behauptenden auskommt.

Normativ (aber sinnlos) hingegen wäre die Behauptung, es sei besser oder vorzuziehen oder zweckmäßig, wenn das Licht eine Welle wäre oder ein Teilchen oder beides oder je nachdem. So eine Behauptung wäre aber offensichtlich keine naturwissenschaftliche, denn sie beinhaltet keine Erkenntnis über die Natur.

Ebenfalls normativ (und sinnvoll) wäre die Behauptung, es sei besser oder vorzuziehen oder zweckmäßig, wenn A von B die 100 Euro bekommen würde, denn damit würde Gerechtigkeit hergestellt. Denn Gegenstand dieser Behauptung ist eine Wertung, also etwas, das es ohne den Behauptenden nicht geben kann.

Henry-Dochwieder schrieb in Beitrag Nr. 2219-6:
Ich glaube, du liegst nicht richtig, wenn du annimmst, die Physik (die Naturwissenschaften) befasste sich mit ontologischen Fragen.

Ontisch, nicht ontologisch.


Grüße
Simpl
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Beiträge: 952, Mitglied seit 9 Jahren
Simpl schrieb in Beitrag Nr. 2219-7:
Henry-Dochwieder schrieb in Beitrag Nr. 2219-6:
Ich glaube, du liegst nicht richtig, wenn du annimmst, die Physik (die Naturwissenschaften) befasste sich mit ontologischen Fragen.

Ontisch, nicht ontologisch.


Grüße
Simpl

Ja, hast Recht, die Dinge, wie wir sie vorfinden, nicht ihre Eigenschaft, "zu sein" im Sinne von "dem Sein ansich zugehörig". Die "Eigenschaft" zu sein wäre sowieso seltsam.

Dennoch - "normativ" ist doch weit mehr als wertend, wie du mit "besser" oder "zweckmäßig" aussagst. Ein Experiment ist erst dann sinnvoll, wenn es "genormt" ist, und das Experiment ist notwendig, um über eine rein ontische Aussage wie "das Licht ist" hinaus zu kommen. Schon die Behauptung: "Licht ist eine Welle" bedarf des normativ begründeten Experimentes. Die Dinge, so wie sie da sind, antworten uns nur, wenn wir die "richtigen" Fragen stellen, und zwar überprüfbar richtig.

Ach ja, "hart rangenommen" - alles harret und hofft auf Frischfleisch, auf frischen Wind, so manch Alteingesessener gehört wachgerüttelt !
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Beitrag zuletzt bearbeitet von Henry-Dochwieder am 19.08.2015 um 19:40 Uhr.
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Henry-Dochwieder schrieb in Beitrag Nr. 2219-8:
Dennoch - "normativ" ist doch weit mehr als wertend, wie du mit "besser" oder "zweckmäßig" aussagst. Ein Experiment ist erst dann sinnvoll, wenn es "genormt" ist, und das Experiment ist notwendig, um über eine rein ontische Aussage wie "das Licht ist" hinaus zu kommen. Schon die Behauptung: "Licht ist eine Welle" bedarf des normativ begründeten Experimentes. Die Dinge, so wie sie da sind, antworten uns nur, wenn wir die "richtigen" Fragen stellen, und zwar überprüfbar richtig.

Wir haben verschiedene Begriffe von "normativ" - macht ja nix. Ich habe "normativ" in dem Sinne benutzt, wie ihn die Rechtswissenschaft in Abgrenzung zu "ontisch" entwickelt hat. Ob das Gültigkeit über die Rechtswissenschaft hinaus beanspruchen kann, weiß ich nicht. Ohnehin hab ich oben in 2219-3 "normativ" einfach spontan hingeschrieben, ohne mich auf eine begriffliche Abgrenzung vorzubereiten, mein rechtswissenschaftliche Befassung damit ist ca. 25 - 30 Jahre her.

Eins fällt mir aber auf: Wenn du ein Experiment "normst", dann ist das Experiment selbst Gegenstand der Norm, und nicht sein Ergebnis. Das Experiment sollte schon irgendwie sein, das Ergebnis hingegen muss ich einfach hinnehmen.

Aber lass uns jetzt bitte nicht eine Debatte über den Begriff "normativ" beginnen, denn... (s. mein Eingangsposting).

Henry-Dochwieder schrieb in Beitrag Nr. 2219-8:
Frischfleisch

Hihi, und das mir mit 56!


Grüße
Simpl
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Hi, Simpl!

Zu deinem Beitrag Nr. 2219-9

Geistesfleisch wird so lange als frisch deklariert, als es noch den hygienischen Anforderungen entspricht. Ob´s eine Mogelpackung ist, muss der Proband belegen.

Wie du so schön am Licht darlegst: Wir wissen nicht, was es ist. Sich auf das Sosein zu verlassen hilft uns aber nicht weiter, weil dieses Sosein – wie wir es erfassen - von den Einzelheiten des Experimentes abhängt.

Klar, man kann es auf sich beruhen lassen, aber das Widerspricht unserem Wissensdrang, wir wollen wissen, ob das Licht Welle, Licht, beides oder etwas ganz anderes ist. Das Auf-Sich-Beruhen-Lassen ist kein So-Sein des Lichtes, sondern hängt von unserem Wollen oder/ und unseren technischen Fähigkeiten ab.

Das So-Sein ist der Stein, wie er da liegt, aber wir wollen wissen, was sich im Inneren des Steins abspielt, und wie ist der Stein dorthin gekommen, wo er nun liegt?

Das Problem ist, dass wir nicht wissen, wann wir das So-Sein tatsächlich erfasst haben, und das unabhängig davon, was das Sein des So-Seins sein mag.
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Simpl schrieb in Beitrag Nr. 2219-9:
Eins fällt mir aber auf: Wenn du ein Experiment "normst", dann ist das Experiment selbst Gegenstand der Norm, und nicht sein Ergebnis. Das Experiment sollte schon irgendwie sein, das Ergebnis hingegen muss ich einfach hinnehmen.

Wenn ich ein experiment nicht normiere, dann kann das Ergebnis auch nicht ontisch sein.

Wenn ich z.B. die Lichgeschwindigkeit messe, so muss ich zuvor genau "normieren", wie lang ist ein Meter, wie lange dauert eine Sekunde etc.

Wenn mein Meter oder meine sekunde nicht der Norm entspricht, so weicht das Ergebnis wahrscheinlich von den tatsächlichen Werten, in dem Fall 300 000 km/s, ab.

Das Licht ist zwar immer gleich schnell, ob mit oder ohne Norm, aber wenn ich es in Werte fassen will, so komme ich ohne Norm nicht aus.
Das Ergebnis bezieht sich immer auf die von mir angewendeten Normen.
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Henry-Dochwieder schrieb in Beitrag Nr. 2219-10:
Geistesfleisch wird so lange als frisch deklariert, als es noch den hygienischen Anforderungen entspricht.

Hehe, "hygienische Anforderungen an Geistesfleisch"... könnte man ne EU-Verordnung draus machen.


Hans-m schrieb in Beitrag Nr. 2219-11:
Wenn ich ein experiment nicht normiere, (...)

(...) auf die von mir angewendeten Normen.

Hallo Hans, es geht bei meinem "normativ" ja nicht um Normen wie in der DIN, sondern um Zumessung von Attributen wie gerecht, zweckmäßig, schön usw.

Wenn ich mein Expirment norme im Sinne von Kalibrieren oder so, hat das nichts mit "normativ" in diesem Sinne zu tun.


Mein Geistesfleisch hat von diesem Thread jetzt die Nase voll... ich hoffe, das ist in Ordnung.

Grüße
Simpl
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Simpl schrieb in Beitrag Nr. 2219-12:
Hallo Hans, es geht bei meinem "normativ" ja nicht um Normen wie in der DIN, sondern um Zumessung von Attributen wie gerecht, zweckmäßig, schön usw.

Auch Gesetze sind Normen und der Begriff Gerecht kann verscheidene Aussagen treffen im Punkte schuldig oder unschuldig.

Beispiel
Fahre ich auf einer Straße mit Tempo 100, erlaubt sind 80, so ist das Bußgeld gerechtfertigt.
Fahre ich die Straße mit 100, es sind aber 120 erlaubt, so ist das Bußgeld nicht gerechtfertigt, obwohl ich genau das gleiche tu.

Die gleiche Handlung kann somit gerecht oder ungerecht sein, je nach Gesetzeslage.

ontisch fahre ich 100 aber normativ fahre ich rechtskonform oder rechtswidrig, entsprechen dem Gesetz, das ich einer Normierung gleichsetzen kann.
Gesetze werden, genau wie Normen, von Menschen gemacht.
Zitat:
Mein Geistesfleisch hat von diesem Thread jetzt die Nase voll... ich hoffe, das ist in Ordnung.

Grüße
Simpl

wie? du wirfst schon das Handtuch?
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Beitrag zuletzt bearbeitet von Hans-m am 21.08.2015 um 09:18 Uhr.
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Hans-m schrieb in Beitrag Nr. 2219-13:
ontisch fahre ich 100 aber normativ fahre ich rechtskonform oder rechtswidrig

Das trifft den Nagel auf den Kopf.

Zitat:
Auch Gesetze sind Normen

Aber der Begriff der Norm ist bei km/h ein anderer als bei einem Verbot (oder Gebot). Bei Wikipedia sind mehr als ein halbes Dutzend Begriffe erläutert, die alle "Norm" heißen.

km = 1000 x das 1 650 763,73-fache der Wellenlänge der von Atomen des Nuklids 86Kr beim Übergang vom Zustand 5d5 zum Zustand 2p10 ausgesandten, sich im Vakuum ausbreitenden Strahlung
h = 3600 x das 9.192.631.770-fache der Periodendauer der dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes von Atomen des Nuklids 133Cs entsprechenden Strahlung
(beides lt. Wikipedia)


Die Frage "Sind diese Normen gerecht?" ist offensichtlich sinnlos, denn es handelt sich um Übereinkünfte, die auch anders aussehen könnten - es muss sie eben nur geben, damit man sich auf dasselbe bezieht, wenn man "Stundenkilometer" sagt.


§ 3 Abs. 3, Ziffer 1 StVO: Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt auch unter günstigsten Umständen innerhalb geschlossener Ortschaften für alle Kraftfahrzeuge 50 km/h.
§ 49 Abs. 1 Ziffer 3 StVO: Ordnungswidrig im Sinne des § 24 des Straßenverkehrsgesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift über die Geschwindigkeit nach § 3 verstößt.
Nach verwickelten Verweisungsketten in den Gesetzen -> Bußgeldkatalog: Überschreitung bis zu 10 km/h kostet 20 Euro.


Die Frage "Sind diese Normen gerecht?" ist sinnvoll, weil nur bei Bejahung diese Normen überhaupt eine Legitimation hätten, denn ungerechte Gesetze darf es nicht geben, weil wir das nicht wollen.
Sie sind in diesem Sinne legitimiert, wenn man zu der Wertung kommt, dass mehr als 50 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften zu gefährlich wäre für Leib und Leben aller anderen Verkehrsteilnehmer, die wir schützen wollen, weil sie (Leib und Leben) Rechtsgüter sind.
Sie sind in diesem Sinne ferner legitimiert, wenn wir der Drohung mit einem Übel (20 Euro) eine abschreckende Wirkung zumessen.

Alle normativen Begriffe habe ich kursiv gesetzt, und du siehst: Es wimmelt davon. Von Vorsatz und Fahrlässigkeit als Begehungsformen will ich gar nicht erst anfangen, da geht es mit der Kursivität erst richtig los.


Zitat:
Auch Gesetze sind Normen und der Begriff Gerecht kann verscheidene Aussagen treffen im Punkte schuldig oder unschuldig.

Beispiel
Fahre ich auf einer Straße mit Tempo 100, erlaubt sind 80, so ist das Bußgeld gerechtfertigt.
Fahre ich die Straße mit 100, es sind aber 120 erlaubt, so ist das Bußgeld nicht gerechtfertigt, obwohl ich genau das gleiche tu.

Die gleiche Handlung kann somit gerecht oder ungerecht sein, je nach Gesetzeslage.

Das funktioniert ein bißchen anders:
(Manche) Gesetze sind Verbots- oder Gebotsnormen im Sinne einer Bewertung einer Handlung.
Das Verbotensein des Schneller-als-50-km/h-Fahrens ist nichts, was dem Schneller-als-50-km/h-Fahren eignet.
Dem gemütlichen Schlendern eignet nicht das Werturteil, dass es gegen das Gebot höchstmöglicher Eile verstößt, weil ein Unglücksfall vorliegt und Hilfe erforderlich ist (s. Unterlassene Hilfeleistung, § 323c StGB).

Vielmehr ist das entspr. Verbot bzw. Gebot Ende einer normativen Kette, die bei der Bewertung eines ontischen Sachverhalts - in den obigen Beispielen die körperliche Unversehrtheit Dritter - als Rechtsgut beginnt, sodann Rücksichtnahme bzw. Solidarität postuliert und schließlich zur Zweckerreichung eine Handlungsnorm formuliert.

Der Verstoß gegen die Verbots- oder Gebotsnorm ist dann Anfang einer weiteren Bewertungskette: Der Verstoß wiegt so schwer, dass andere Wertungen - Sühnegebot oder Abschreckung oder Besserung des Täters oder alles zusammen - es erlauben, den Vertoß zu pönalisieren: Konsequenz des Verstoßes soll eine Übelszufügung (Strafe) sein. Weitere Wertungen: Die Strafe muss dem Unrecht angemessen sein, aber sie darf das Maß der Schuld nicht übersteigen (das hat man nicht immer so gesehen, weshalb die Leute früher für einen Eierdiebstahl aufs Rad geflochten wurden).

Die Handlung selbst ist also nicht gerecht oder ungerecht, sondern nur verbots- oder gebotswidrig. Gerechtigkeit ist ein Glied in den Bewertungsketten (allerdings auch nicht immer).

Zitat:
wie? du wirfst schon das Handtuch?

Wie du siehst...


Grüße
Simpl
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Ich glaube ich verstehe langsam die Zusammenhänge:

Recht oder Gesetze lassen sich nur auf "natürliche" Personen anwenden, Normen hingegen auch auf "Sachen". Rechtlich gelten Tiere auch als Sache, weil sie keine Gesetze verstehen und demzufolge auch nicht beachten können.

Fällt ein Stein (Meteorit) vom Himmel und verletzt oder tötet jemand, so kann er nicht haftbar gemacht werden. Er begeht kein Recht oder Unrecht, weil er keine Peron sondern eine Sache ist.
Fällt ein Löwe in der Savanne einen Menschen an, so begeht er keinen Mord/Körperverletzung im rechtlichen Sinne, weil er sich nicht bewusst rechtskonform oder rechtswidrig verhalten kann.

Das Gesetz kommt erst ins Spiel, wenn eine Person die Hand im Spiel hat, und mutwillig oder fahrlässig diesen Stein auf die Erde sürzen lässt oder eine Tier (z.B Hund) gezielt zum Töten oder Angriff abrichtet.

Das Gesetz kann nur sagen, dass jemand entschädigt wird, wenn der Meteorit oder ein Wildtier ihm Schaden zufügt, aber das ist wiederum eine Festlegung.
So kann das Gesetz jedoch sagen, dass die Versicherung ihm den Schaden ersetzen muss, wenn er zuvor einen Vertrag abgeschlossen hat, in dem diese Schäden abgedeckt sind.

Ein Ereignis ist eine Tatsache, es ist Fackt
Wenn ein Mörder sein Opfer erschlagen hat, so ist es eine Tatsache, genau wie die Tatsache dass die Lichtgeschwindigkeit konstant ist.
Das Ereignis (Mord) lässt sich nicht verleugnen, denn es hat stattgefunden. Jedoch muss das Gesetz bzw. der damit beauftragte Staatsanwalt die Beweise für den Mord sichern.
Das wiederum ist so, wie die "Beweissicherung" dass das Licht mit 300 000 km/s unterwegs ist.
Ein Anwalt ist demnach dem Wissenschaftler ähnlich, der Fakten für oder gegen eine Sachlage zusammentragen muss.
War der Festgenommene wirklich der Mörder, oder ist er unschuldig - Ist das Licht 300 000 km schnell oder nicht.
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Beitrag zuletzt bearbeitet von Hans-m am 24.08.2015 um 12:41 Uhr.
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Zum Abschluss (echt jetzt) empfehle ich

http://www.zeit.de/autoren/F/Thomas_Fischer/

Dort findet man Kolumnen des Vorsitzenden des 2. Strafsenats beim Bundesgerichtshof (es gibt insgesamt fünf Strafsenate).

T. Fischer ist also einer der "Bestimmer", wenn es um die Auslegung und Anwendung von Strafgesetzen und Strafprozessgesetzen geht.

Der Mann ist wirklich interessant und hat in den letzten Jahren Furore gemacht, weil er nach dem Willen des BGH-Präsidiums eigentlich nicht Senatsvorsitzender werden sollte. Er hat dann geklagt und eine Riesenwelle gemacht und sich durchgesetzt.

Man muss nicht immer seiner Meinung sein, aber Laien lesen seine Kolumne sicherlich mit Gewinn.


Grüße
Simpl
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