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Nahe am Doppelspalt

Thema erstellt von Henry 
Beiträge: 2.307, Mitglied seit 13 Jahren
Nahe am Doppelspalt

Was ist eigentlich ein Quantensystem? Genau genommen ist jedes physikalische System ein Quantensystem insofern, als jedes System mit dem Formalismus z. B. der Quantenmechanik beschrieben werden kann. Wir hier im Speziellen meinen aber Systeme, die sich in einem bestimmten Zustand befinden, nämlich dem Zustand, in dem es noch keine Wechselwirkung mit der Umwelt gab, und auch in diesem Sinne sprechen wir von „abgeschlossenen“ Systemen. Wiederum genau genommen gibt es keine wirklich abgeschlossenen Systeme im Universum, zumindest gibt es sie nur sehr kurzfristig, denn es ist nicht möglich, ein System vollkommen bzw. dauerhaft von der Umwelt zu isolieren (selbst im intergalaktischen Raum ist die Dauer, bis ein Teilchen mit der Umgebung wechselwirkt, weit, weit unter einer Sekunde; ob man das Universum als Gesamtheit als abgeschlossenes System bezeichnen kann, ist für mich eine offene Frage, aber ich neige zu einem „Nein“).

Thomas frug in einem Beitrag, weshalb nach meiner Ansicht das Laboratorium bzw. der Aufbau für das sogenannte Doppelspaltexperiment kein abgeschlossenes System sei.

Ich kann die einfache Antwort auf diese Frage nur wiederholen: Der gesamte Aufbau bedingt eine ständige Wechselbeziehung mit der Umwelt, wobei „Aufbau“ in doppeltem Sinne zu sehen ist, nämlich als das, was letztlich an Apparaten und Werkzeugen im Labor steht und auch als den Vorgang des Erstellens des Experimentes, Konfiguration der Apparate und Werkzeuge. Und nicht zuletzt sind da ja noch die Leute, die das Experiment durchführen, und die stehen ganz gewiss mit der Umwelt im Kontakt, und diese Leute beobachten und messen, die Versuchsanordnung steht frei zugänglich im Labor, alle Apparate sind makroskopische Systeme – schon allein deshalb kann das System nicht abgeschlossen sein.



Was genau geschieht eigentlich beim Doppelspaltexperiment, und was sagt es aus?

Der Aufbau ist – von technischen Einzelheiten abgesehen – einfach. Eine Quelle sendet Licht, auf einem Schirm kann das Licht registriert werden, zwischen Quelle und Schirm befindet sich eine Blende mit zwei schmalen, parallel angeordneten Spalten, die beliebig geöffnet und geschlossen werden können.

Die Wellenlängen des ausgesandten Lichtes stehen in einer festen Phasenbeziehung zueinander, somit kann man auf dem Schirm ein Interferenzmuster erkennen. Das ist zu erwarten, wenn man annimmt, dass das Licht aus Wellen besteht (Wellentäler- bzw. –berge verstärken einander, trifft ein Berg auf ein Tal, wird die Welle ausgelöscht, der Schirm ist dort dunkel, und das zusammen ist eben das sogenannte Interferenzmuster).

Und was ist nun mit den Photonen, das sind doch Teilchen? Man kann die Quelle so manipulieren, dass sie nur noch die minimalsten „Energiepakte“ einer bestimmten Wellenlänge aussendet, eben Photonen, und zwar in wirklich großen zeitlichen Abständen, sodass der Schirm über Wochen hinweg bestrahlt wird, und großer zeitlicher Abstand bedeutet, dass die einzelnen Photonen auf dem Schirm auftreffen, bevor das jeweils nächste Photon die Quelle verlässt (ein anderer Grund, warum es so lange dauert ist, dass beileibe nicht jedes Photon auch tatsächlich an der Blende ankommt oder durch einen der Spalte geht).

Der Punkt ist nun, dass sich auch jetzt ein Interferenzmuster zeigt! Wie kann das sein? Die Photonen sind in keiner ersichtlichen Weise miteinander verbunden, und es gibt keinen ersichtlichen Grund, warum sie sich – wo sie doch vollkommen zufällig die Spalte passieren – auf dem Schirm überhaupt zu einem Muster anordnen sollten, aber sie ordnen sich in einem eindeutigen Muster an, dass sich nur auf Wellen zurückführen lässt!

Oder? Vielleicht ließe sich ja der Weg bestimmen, den die einzelnen Photonen nehmen und man käme der Sache so auf die Spur? Vielleicht geht ein Photon immer dann durch den rechten Spalt, wenn eines durch den linken ging (wobei das Problem bliebe, wie sie sich hätten absprechen können)?

Also wird ein Detektor hinter der Blende installiert. Der Witz ist nun, es gibt keine Interferenz mehr, auch dann nicht, wenn das detektierte Photon auf den Schirm weitergeleitet wird. Der Messvorgang beeinflusst das Ergebnis, der Beobachter muss also entscheiden, ob er Wellen- oder Teilcheneigenschaften messen will.

Wir haben es hier mit komplementären Eigenschaften zu tun – kenne ich den Weg des Teilchens, wenn ich also weiß, durch welchen Spalt es ging, gibt es kein Interferenzmuster. Gibt es das Muster, kann ich nicht sagen, durch welchen Spalt das Photon ging.

Das ist eine der Seltsamkeiten der Quantennatur, sie wird durch die Unbestimmtheitsrelation Heisenbergs beschrieben. Gewisse komplementäre Eigenschaften lassen sich in Abhängigkeit voneinander niemals beliebig genau bestimmen. Kenne ich eine Eigenschaft genau – also z. B. den Weg des Photons im Doppelspaltexperiment, gibt es keinerlei Hinweis auf die Wellennatur des Lichtes mehr. Andere komplementäre Eigenschaften sind Ort und Impuls, Energie und Zeit.

Was ist, wenn ich das Photon direkt an der Quelle messe, kann ich dann vielleicht den Weg bestimmen, den es nimmt?

Der Impuls eines Teilchens ist gegeben durch Masse mal Geschwindigkeit. Die Geschwindigkeit ist der Betrag plus Richtung. Der Betrag der Geschwindigkeit eines Photons ist immer gegeben, nämlich c konstant. Der Impuls aber ist unbestimmt, weil die Richtung in Abhängigkeit vom Ort unbestimmt ist (ich hoffe, das war so einigermaßen einleuchtend dargestellt).

Das Problem ist nun, dass ich am Ort – also dort, wo das Photon entstehe – den Weg nur bestimmen kann, wenn ich den Ort nicht bestimme, weshalb ich letztlich wiederum nicht wissen kann, welchen Weg das Photon nimmt, weil ich eben seinen Ursprung nicht kenne (die genaue Beziehung leitet sich von h her, dem Planck’schen Wirkungsquantum).

Eine geschickte Idee ist folgende: Man kann Photonenpaare erzeugen, sie bewegen sich in genau gegensätzlicher Richtung voneinander, diese Photonen sind „verschränkt“. „Verschränkt“ bedeutet, dass sich für das einzelne Photon keine Aussage mehr über seine Eigenschaften machen lässt, nur für das verschränkte System (hier die zwei Photonen) kann man Eigenschaften messen. Messe ich z. B. Spin oder Polarisation an einem der beiden Photonen, so ist SOFORT der Spin bzw. die Polarisation an seinem verschränkten Partner festgelegt. Dabei ist die Reihenfolge der Messung bzw. an welchem der Photonen sie vorgenommen wird völlig gleichgültig.

Das hat nun eine interessante Konsequenz für das Doppelspalt-Experiment. Man könnte sich ja denken, wenn ich nicht den Weg des Photons messe, das durch einen der Spalte geht, sondern den Weg seines Partners, dessen Weg ja exakt entgegengesetzt ist! Kenn ich diesen Weg, kenne ich auch den anderen Weg und habe somit auf dem Schirm ein Interferenzmuster UND ich kenne den Weg des Photons!

Leider geht das nicht, das Interferenzmuster verschwindet, und zwar wegen oben erwähnten Verschränkung. Ja, es ist sogar so, dass sich bestimmen lässt, ob ein Interferenzmuster erscheint oder nicht, NACHDEM das Photon die Spalte passiert hat! Das bedeutet, Wellen- oder Teilchennatur sind keine Eigenschaften, die das Photon HAT, sondern der Beobachter entscheidet, welche Eigenschaften er messen will, die Eigenschaften entstehen mit dem Messvorgang.

Harter Tobak, klare. Aber das sind alles Fakten, die durch tausendfache Experimente bestätigt sind.

Eine andere Frage ist die Interpretation der vorliegenden Fakten. Obwohl die Mehrheit der Physiker dagegen spricht, bin ich davon überzeugt, dass es einen tiefer liegenden Grund für die Seltsamkeiten der Quantenphysik gibt. Der Grund könnte nach meiner Ansicht in einer alles umfassenden Emergenz liegen. Das würde darauf hindeuten, dass Raum und Zeit, Materie und Energie in weit tieferem Sinne verknüpft sind, dass z. B. die Konstanten wie die Lichtgeschwindigkeit Eigenschaften sind, die für die Beobachtung innerhalb der Raumzeit Gültigkeit haben, aber die nicht grundlegend sind, sondern sich aus einem Zusammenspiel noch unbekannter „Zustände“ entwickeln. Aber das führ nun zu weit.
Signatur:
Herr Oberlehrer

Die Wolken ziehen hin. Sie ziehen auch wieder her.
Der Mensch lebt einmal. Dann nicht mehr.

(Donald Duck)
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Beiträge: 2.998, Mitglied seit 15 Jahren
Henry schrieb in Beitrag Nr. 2178-1:
Das würde darauf hindeuten, dass Raum und Zeit, Materie und Energie in weit tieferem Sinne verknüpft sind, dass z. B. die Konstanten wie die Lichtgeschwindigkeit Eigenschaften sind, die für die Beobachtung innerhalb der Raumzeit Gültigkeit haben, aber die nicht grundlegend sind, sondern sich aus einem Zusammenspiel noch unbekannter „Zustände“ entwickeln. Aber das führ nun zu weit.

Eine Theorie, die ich schon lange vertrete, ich hatte es nur anders fomuliert.
Hans-m schrieb in Beitrag Nr. 2170-78:
Früher dachten wir, die Welt sei eine Scheibe, weil wir zu wenig wussten.
Dann dachten wir, Würfel und Roulettekugeln fallen zufällig, weil wir zu wenig wussten.
Heute glauben wir, dass Quantenereignisse zufällig passieren, weil wir womöglich zu wenig wissen.

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Und was ist, wenn der Raum nicht nur 3-dimensional ist, sondern noch eine oder mehrere zusätzliche Dimensionen hat?
Dimensionen, auf die wir keinen Zugriff haben, die womöglich so klein sind, dass nur Quanten in ihr wechselwirken können.
Ich gebe zu, ist "an den Haaren herbeigezogen" , aber trotzdem Grund genug mal darüber nachzudenken.
Ich halte es jedenfalls nicht für ausgeschlossen.

Vielleicht existiert eine "übergeordnete Ebene" ausserhalb unserer Raumzeit, mit der alle Ereignisse in Wechselwirkung stehen.

So fliegen die beiden Photonen nur in unserer Raumzeit in entgegengesetzte Richtung.
Aus Sicht der "übergeordneten Ebene" liegen sie womöglich im gleichen "Ereignismodul" (*) und haben daher eine direkte Abhängigkeit zueinder.
Wenn dem einen "was passiert", so trifft´s auch den anderen.

(*) Ereignismodul = freie Wortwahl von mir, weil ich das "Ding" nicht anders beschreiben kann.
Signatur:
Wer jung ist, meint, er müsste die Welt retten :smiley8:
Der Erfahrene erkennt, dass er nicht alle Probleme lösen kann
:smiley3:
Beitrag zuletzt bearbeitet von Hans-m am 18.11.2014 um 12:40 Uhr.
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