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Das Leben beginnt erst wenn man gelernt hat los zu lassen.

Thema erstellt von Ernst Ellert II 
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Beiträge: 2.939, Mitglied seit 17 Jahren
Kürzlich habe ich einen Weggefährten aus alter Zeit wiedergetroffen. Wir hatten zusammen die beiden letzten Schuljahre hinter uns gebracht. Im Anschluss daran im selben Betrieb den Beruf erlernt und auch sonst gemeinsam viel sinnvolles sowie auch sinnloses angestellt. Aus uns Kindern wurden Jugendliche und aus denen irgentwann auch Männer. Erst der eine dann auch der andere haben wir der Stätte unserer kleinen und großen Schandtaten ;-) den Rücken gekehrt. Was zur Folge hatte das wir uns eines Tages völlig aus den Augen verloren hatten. Zwischenzeitlich konnte man nochmal über die Eltern die aktuelle Adresse des anderen in Erfahrung bringen, aber als auch die verstorben waren war Schluss mit neuerlichen Kontakten. Die Welt ist eben nur manchmal ein Dorf.

Seit dem letzten Zusammentreffen waren nun mehr fast dreißig Jahre vergangen. Und jetzt zeigte sich das die Welt eben doch ein Dorf ist, wenn sie will. Beim stöbern in der ma*er*ch*n Buchhandlung bin ich fast einem Nebenstöberer auf den Fuss getreten, sage "Ich bitte um entschuldigung" und sehe hoch... Sehr clever werde ich in diesem Moment nicht aus der Wäsche gekuckt haben. Steht der Willi vor mir und grinst... Er hatte mich zuerst gesehen und sich absichtlich unter meine Füße gestellt.

Die Freude des Wiedersehens kann sich jeder vorstellen, und so war schnell ein Termin zum ausgiebigen schwätzen am Abend klargemacht. Er erschien pünklich und hatte für meine bessere Hälfte eine kleine Aufmerksamkeit auf der Hand. Meine Frau hatte den Knabber und Knuspertisch gedeckt und begab sich zu einer Freundin auf die Flucht. ;-)

So konnten wir in Ruhe aufarbeiten was der eine vom anderen noch nicht wusste und was jeden für sich bewegt hatte in den vergangenen Jahren. Aber daraus wurde nicht viel. Nach einigen wenigen Allgemeinplätzen und einigen Highlights unsrerseits (Beruf, Heirat, Kinder und was ein Familienvater so zu erzählen hat) verfiel er aufs schimpfen. Erst verhalten und dann immer düsterer schilderte er seine misslungene Ehe die, zum Glück wohl Kinderlos geblieben, die wahre Hölle gewesen sein muss. Ich vermute mal für beide, aber er sah das natürlich völlig anders. So durfte ich dann haarklein erfahren wie übel ihm seine Frau doch mitgespielt hatte. Mit welch finteren Machenschaften ihr Tun doch verknüpft war das ihm immer wieder zum Nachteil gereichte. Und außerdem wäre so etwas wie Liebe nie im Spiel gewesen behauptete er steif und fest. Und erst die Scheidung. Ein Denkmal an Ungerechtigkeit. Seine Frau hätte ihm alles genommen. Er redete sich dabei dermaßen in Wallung das ich schon einen Kollaps befürchtete. Auf Schübe allerhöchster Erregung folgten aber tiefe Niedergeschlagenheit gepaart mit Einer Hoffnungslosigkeit die ihresgleichen gesucht hatte. Aber jedesmal nur bis zum neuerlichen Zornesausbruch. Eine ganze Weile habe ich mir das angehört, bis die Gelegenheit kam, mal eine Frage in den Redeschwall zu werfen. "Sag mal Willi, wie lange ist das denn jetzt her, seit eurer Scheidung" wollte ich von ihm wissen. Wie aus der Pistole geschossen kam die Antwort. "Übernächste Woche am Dienstag sind es neunzehn Jahre"

Wahrscheinlich braucht es keine große Erklärung was mit dem loslassen im Titel gemeint ist. Diese Begebenheit zeigt überdeutlich wie es jemandem ergeht der mit Gewalt die unschönen Momente des Lebens konserviert um sich in schädlicher Regelmäßigkeit jedesmal aufs neue mit etwas zu konfrontieren das längst vergangen ist, worauf er nicht den geringsten Einfluss hat. Und viel wichtiger, an dem nunmal NICHTS geändert werden kann. Müßig so einem Menschen erklären zu wollen das jede Krise und jede Herrausforderung im Leben uns nur zum Vorteil gereicht. Man hüte sich also davor, üble Erinnerungen an sich zu binden (ohne sie abgearbeitet zu haben), sowie es Erinnerungen aufs geradewohl zu erlauben sich breit zu machen wo und wann sie wollen. Sonst geht es es einem wie Willi.

Mit den besten Grüßen.
Ernst Ellert II.
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Was ich früher nie verstanden habe ist, dass "Verzeihen" Loslassen der Vergangenheit bedeutet.
Vergangenheit loslassen ist schwer, wer bin ich ohne meiner "Vorgeschichte"? Deswegen ziehe ich die alte Zeit, den alten Schmerz mit mir, um zu sagen : ich bin die jenige die verlassen wurde, die betrogen wurde, die hintergangen wurde. Was wäre ich ohne diesen Dramen? Was wäre ich ohne meiner Probleme..?


Loslassen ist furchrbar schwer. Und wenn man einmal jemanden verziehen hat, ist es was wundervolles, du fühlst dich leicht. Du bist im Jetzt. Ohne Vergangenheit und Zukunft.

Ich stoße auf Menschen, denn ich meine positiven Erlebnisse nahe bringen möchte. Doch für Sie ist Verzeihen was niederträchtiges, nix gutes. Das finde ich schade.
Aber immer wieder ist es das gleiche. Wenn man es selbst nicht will, können zehntausend Menschen auf dich einreden, wirst du es selbst nie tun.
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Beiträge: 2.939, Mitglied seit 17 Jahren
Von Kindheit an wurde uns beigebracht, dass Durchhalten und Dranbleiben eine Tugend ist. Bloß nicht aufgeben. Wer aufgibt, zeigt Schwäche, ist vielleicht sogar ein Versager. Aber es ist vielmehr so das Loslassen n i c h t heißt ich resigniere jetzt – es ist vielmehr die notwendige Einsicht, wo wir unser Möglichstes getan haben und ein weiteres Fortkommen aus manigfaltigen Gründen nicht mehr möglich ist, das ein festhalten an der Situation uns nur mehr schaden als nützlich sein kann. Die Indianer kannten das auch schon, deshalb hieß es bei ihnen kurz und knapp: "Wenn dein Pferd tot ist, steig ab". ;-) Es trefflicher auszudrücken fällt schwer.

Anderen das näher zu bringen ist schon recht schwer. Bei den Mitmenschen wiegt besonders schwer das sie in der Einstellung verharren "Lieber das gewohnte Unglück als das ungewohnte Glück". Jede Abweichung von gewohnten Lebensgewohnheiten, also auch der gewohnten Denkungsart, bedeutet für die Menschen die "unfrei" sind, Unsicherheit. Diese Unsicherheit "produziert" Lebensängste. Und wer Angst hat, mit dem ist schwerlich zu argumentieren. Alle Versuche ihnen begreiflich zu machen das das Leben einfach ist, müssen scheitern. Ebenso kann man ihnen nicht begreiflich machen das alles was im Leben geschieht uns nur weiterbringt. Da kommen dann Einwände wie z.B. : "Was soll daran gut sein, wenn ich morgens zur Arbeit fahren will und das Auto nicht anspringt?" Es gibt nunmal kein Heilmittel für geschlossene Augen, und schlimmer noch, verschlossenen Gemüter.

Mit den besten Grüßen.
Ernst Ellert II.
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