Also, zuallererst gilt: Eine Sache wird dadurch wertvoll, daß jemand sie haben will. Das ist m.E. die allgemeine Grundlage jedes Wertes. Wie wertvoll diese Sache wird, hängt nun einerseits davon ab, wie sehr man diese Sache haben will, und andererseits, wie viel es davon gibt bzw. welchen Aufwand man treiben muß, sie zu bekommen. Wenn man an einer bestimmten Sache nicht interessiert ist, dann ist sie für einen nicht wertvoll, denn was sollte man damit. Umgekehrt, wenn die Sache im Überfluß vorhanden und problemlos neu zu beschaffen ist, dann hat sie auch keinen besonderen Wert, denn wenn sie verloren geht, dann kann man sich ja einfach eine neue beschaffen.
Bis hierher war der Wert eine rein persönliche Sache. Was dem einen sehr wertvoll ist, kann für jemand anderes völlig wertlos sein (z.B. könne es sich um ein Erinnerungsstück handeln, das sonst zu nichts nutze ist). Ok, nun kann es aber sein, daß jemand etwas hat, was Dir besonders wertvoll ist, es aber nicht gerne hergeben will, weil er ebenfalls einen Wert darin sieht. Nun, wie kommst Du dann trotzdem an diese Sache? Nun, wenn Du etwas hast, was für ihn wertvoller ist als das, was Du von ihm möchtest, für Dich aber weniger wertvoll, dann kannst Du ihm anbieten, zu tauschen. Da auch er durch den Tausch etwas bekommt, was für ihn wertvoller ist, als was er hergibt, wird er voraussichtlich dem Tausch zustimmen.
Aber dadurch, daß Du diese andere Sache gegen die Sache tauschen kannst, die Du eigentlich haben willst, wird diese andere Sache
für Dich ebenfalls wertvoller (schließlich ist sie ein Mittel, um die für Dich wertvollere Sache zu bekommen). Nehmen wir an, hast Du diese Sache noch nicht, wirst Du nun bereit sein, mehr Aufwand zu investieren, um sie zu bekommen. Vielleicht hat sie ein Dritter, mit dem Du nun ebenfalls ein Tauschgeschäft macht. Die Sache, die Du mit ihm tauscht, ist dabei für Dich vielleicht a priori für Dich sogar wertvoller, als das, was Du dafür eintauscht, aber Du weißt ja, daß Du für das, was Du bekommst, etwas noch wertvolleres eintauschen kannst.
Kurz: Durch die Möglichkeit des Tauschens werden Dinge, die für einen Menschen wertvoll sind, auch für andere Menschen wertvoll; die Wertschätzung wird also sozusagen weitergetragen.
Nehmen wir einmal das Beispiel des Goldes. Gold sieht gut aus, und hat außerdem den Vorteil, daß es dieses Aussehen beibehält, ohne daß man dafür groß Aufwand betreiben müßte (im Gegensatz z.B. zu Silber, das anläuft). Daraus folgt, daß es Menschen gibt, die das gerne haben möchten, z.B. um daraus Schmuck zu machen. Zudem liegt es im Allgemeinen nicht so einfach herum, d.h. man müßte einen gewissen Aufwand dafür treiben, es zu bekommen. Damit wird es aber auch für andere wertvoll, die mit dem Gold selbst gar nichts anfangen könnten, denn diese können nun das Gold gegen andere Dinge tauschen, die für sie eigentlich wertvoller sind (z.B. gegen etwas zu essen).
Ich schätze, daß sich durch eine ausreichend lange und hohe Nachfrage die Verbindung "Gold = wertvoll" verselbständigen konnte (das ist aber wohlbemerkt eine Spekulation meinerseits). Man hat sich daran gewöhnt, daß Gold wertvoll ist, weil eine Nachfrage besteht, und deshalb hat man nach Gold gestrebt, weil es ja wertvoll ist. Und da Gold nicht verdirbt, konnte man es auch horten, um sich dafür später mehr leisten zu können. Damit hat man aber selbst zur Nachfrage nach Gold beigetragen und das Gold noch wertvoller gemacht, bis irgendwann die ursprüngliche Nachfrage (Schmuck etc.) unwesentlich wurde: Gold war sehr wertvoll, weil jeder es haben wollte, und jeder wollte es haben, weil es wertvoll war.
Ich habe mal gehört, daß für die Azteken Gold eine religiöse Bedeutung hatte, amsonsten aber eher wertlos war. Was m.E. ein Beleg ist, daß der Wert des Goldes nicht allein im Gold selbst begründet ist.
Nun ja, heute hortet man seinen Besitz nicht mehr in der Form von Gold, sondern in Form von Geld, das zum Großteil nur noch in Form von Zahlen in irgendwelchen Bankcomputern vorliegt. Besser könnte man nicht demonstrieren, daß der Wert nicht mehr wirklich etwas mit der Sache zu tun hat, sondern einzig und alleine damit, daß es für wertvoll erachtet wird. Niemand nimmt Geld für etwas, weil er die Geldscheine so schön findet, sondern nur deshalb, weil er weiß, daß andere ihm dieses Geld auf Wunsch wieder in ihm wichtige Dinge umtauschen werden, wenn er nur genug davon dafür bietet.
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