Gut, dann fange ich mal an.
Bunge stellt fest, dass es drei Hauptbedeutungen von dem Begriff "Kausalität" gibt. Das Wort "Kausalität" wird zur Bezeichnung folgender Begriffe benutzt:
a) einer Kategorie (gleichbedeutend mit dem Kausalnexus)
b) eines Prinzips (des allgemeinen Gesetzes der Verursachung)
c) einer Doktrin, welche die universelle Gültigkeit des Kausalprinzips unter Ausschluss anderer Determinationsprinzipien behauptet.
Deswegen gibt er den drei Bedeutungen einen einzelnen Begriff.
a) "Verursachung", für eine allgemeine kausale Verbindung, aber auch jeden speziellen Kausalnexus, wie er etwa zwischen beliebigen Flammen und den von ihnen verursachten Verbrennungen, ferner aber auch den, der zwischen einer bestimmten Flamme und der durch sie hervorgerufenen Verbrennung besteht.
b) "Kausalprinzip", oder Prinzip der Verursachung; die Formulierung des Gesetzes der Verursachung, zum Beispiel: "Die gleiche Ursache ruft stets die gleiche Wirkung hervor", oder eine ähnliche, möglichst präzise Form dieser Aussage. Zweckmäßigerweise sollte man den Ausdruck "Kausalgesetz" auf spezielle Aussagen kausaler Determination beschränken, z.B. "Flammen verursachen unvermeidlich Verbrennungen der menschlichen Haut".
c) "Kausalen Determinismus", die Doktrin, die eine universelle Gültigkeit des Kausalprinzips behauptet.
Während das Kausalprinzip nur eine Aussage über die Form der kausalen Verknüpfung (Verursachung) macht, behauptet der kausale Determinismus, dass alles, was geschieht, auf Grund eines Kausalgesetzes geschieht.
Für den Begriff "Determination" stellt er folgene Bedeutungen fest.
1) Eigenschaft oder Charakteristikum,
2) notwendiger Zusammenhang,
3) einen Prozess, durch den ein Gegenstand zu dem geworden ist, was er ist, oder einen Weg, auf welchem ein Objekt seine besondere Eigenart im Sinn von 1) erlangt.
Im Deutschen wird "determiniert" als "bestimmt" gebraucht und indeterminiert dementsprechend als "unbestimmt".
In der Wissenschaft wird der Begriff "Determination" häufig für eine konstante und eindeutige Verbindung zwischen Gegenständen oder Ereignissen, aber auch zwischen Zuständen und Beschaffenheiten in der Real- wie in der Idealsphäre gebraucht.
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Eine Gleichung wie x -1 = 0, nennt man determiniert oder bestimmt, weil sie eine eindeutige Lösung (x = 1) hat. Andererseits heißt die Gleichung x + y - 1 = 0 indeterminiert oder unbestimmt, obwohl sie einen festen Zusammenhang zwischen x und y ausdrückt, denn zu ihrer Lösung ist eine zusätzliche Information, eine weitere Gleichung, erforderlich. In der vorliegenden Form lässt diese Gleichung unendlich viele Lösungen zu; mit anderen Worten, die Aufgabe ist nicht eindeutig bestimmt, auch wenn jede partikuläre Lösung durchaus nicht gesetzlos das "Gesetz" x + y -1 = 0 erfüllt.
Eine auf solche Gleichungen wahrscheinlich besser zutreffende Bezeichung wäre deswegen "teilweise bestimmt" oder "unvollständig determiniert" im Gegensatz zu solche der ersten Art, die "völlig bestimmt" oder "vollkommen determiniert" sind.
Des weiteren schreibt er, "Eindeutige konstante Verbindungen brauchen nicht kausal zu sein."
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Wenden wir uns den Naturwissenschaften zu, dann können die Variablen x, y, ... Eigenschaften konkreter Objekte symbolisieren und dementsprechend Funktionen, wie y = f(x) Verknüpfungen zwischen Größenarten oder Beträgen von Größenarten bezeichnen. So folgt die thermische Ausdehnung von Metallstäben (näherungsweise) dem Gesetz
(1.3) Lt = Lo(1 + at),
wobei Lo die Länge des Stabes bei der Temperatur t = 0 bezeichnet, während a der thermische Ausdehnungskoeffizient ist. Gewöhnlich wird diese Gleichung als Beispiel für das Kausalprinzip betrachtet, nämlich als die mathematische Umschreibung des Kausalgesetzes: "Erwärmen verursacht die Ausdehnung von Metallen". Um die kausale Interpretation von Gleichung 1.3 zu prüfen, wollen wir sie in die folgende, mathematisch äquivalente Form umschreiben:
at = (Lt - Lo) / Lo
Der Ausdruck auf der rechten Seite stellt sicherlich den relativen Wert der Wirkung, die relative Ausdehnung dar. Demgegenüber enthält der Ausdruck auf der linken Seite , at, nicht nur den Betrag einer Größenart, die zu beidem gehört, dem "Wirkenden" und dem "Bewirkten", nämlich der Temperatur t, sondern auch a, das eine thermoelastische Eigenschaft (eine Disposition) bezeichnet, also einem Merkmal des Metallstücks, das nichts mit der spezifischen Natur des von außen Einwirkenden (Feuer, warmes Wasser...) zu tun hat, also dessen, was die betreffende Änderung, die Ausdehnung bewirkt. Kurz, während die rechte Seite unserer Gleichung durchaus die Wirkung beschreibt, drückt die linke nicht eigentlich die Ursache aus, jedenfalls nicht in ähnlich befriedigender Weise.
Somit ist die Gleichung 1.3 zwar Bild einer völlig determinierten (konstanten und eindeutigen) Beziehung, das heißt, sie formuliert eine notwendige Verknüpfung zwischen den Größen Länge und Temperatur sowie der Disposition Ausdehnungsvermögen, doch ist sie keine Widergabe des kausalen Zusammenhangs zwischen dem (heizenden) Agens und der von ihm ausgehenden Wirkung.
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Er schreibt des weiteren, dass es nach der Auffassung des Indeterminismus Determinationen im Sinne von 1) und 2) geben kann, aber nicht 3). (Also die Bedeutung von Determination als Art des Werdens)
Eine uns hier bekannte Form dürfte wohl die des mechanistischen Determinismus sein, ohne das auftreten von Qualitäten.
Nachfolgend spricht Bunge die Idee eines "Determinismus im allgemeinen Sinn" an und macht folgende Hypothese:
1) Ereignisse treten auf einem oder mehreren, jeweils klar umrissenen (determinierten) wegen ein;
2) der Weg, auf dem etwas zu dem wird, was es ist, ist nicht willkürlich, sondern durch Gesetze festgelegt, und
3) die Prozesse, durch die jeder Gegenstand seine ihm eigentümlichen Merkmale erwirbt, entwickeln sich aus bereits existierenden Vorbedingungen.
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Zu der Frage: "Die Quantentheorie, eine Einschränkung des Determinismus oder der Kausalität?" schreibt er unter anderem: "In der üblichen, auf Bohr und Heisenberg zurückgehenden Darstellung der Quantentheorie wird die Kausalität, soweit sie die Ergebnisse von Beobachtungen betrifft, in dem Sinn eliminiert, als in unvorhersagbarer Weise auf "gleiche" Anfangszustände eine große (gewöhnlich unendliche) Zahl verschiedener Endzustände folgen kann. Aus dieser Einschränkung der Kausalität folgt jedoch nicht notwendig ein Zusammenbruch des Determinismus, da die statistische Determination bei dieser Interpretation ganz eindeutig beibehalten wird. Davon abgesehen bleibt eine ganze Reihe offensichtlich nichtstatistischer Gesetze, wie die Erhaltungssätze, die Auswahlregeln oder das Paulische Ausschließungsprinzip durchaus erhalten."
"Im übrigen führt selbst die Orthodoxe Interpretation der Quantenmechanik nur zu einer Einschränkung des Anwendungsbereichs der Kausalität, nicht zu deren vollständiger Aufhebung. Wenn wir beispielsweise die Wahrscheinlichkeit des Überganges eines physikalischen Systems vom Zustand 1 in den Zustand 2 hinschreiben, deuten wir diesen Übergang als Wirkung einer Kraft (Ursache), die gewöhnlich durch ein Wechselwirkungspotential dargestellt wird. (Anm. vom mir: Bezogen auf die Streuung eines Teilchens durch ein Kraftfeld, wo seine Ablenkung zwar nicht eindeutig determiniert ist, da mehrere Bahnen möglich sind, doch ist die Ablenkung in jedem Fall durch die Kraft verursacht, die sich aus dem Potential V(x) herleitet.)
Nur sind in diesem Fall Ursache und Wirkung auf die konstante und eindeutige, also notwendige Weise miteinander verknüpft, wie sie der klassischen Auffassung des Kausalprinzips entspricht. Mit anderen Worten, die übliche Interpretation der Quantenmechanik löscht Ursache und Wirkung nicht aus, sondern nur die Strenge des zwischen ihnen bestehenden Nexus. "
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Wen das alles interessiert, besorgt sich besser das Buch, da ich den Inhalt der über 400 Seiten hier kaum wiedergeben kann und der Informationsgehalt des Buches auch zu hoch ist, um ihn sinnvoll verdichtet hier widerzugeben. Das ist bis jetzt alles nur aus dem einführenden Teil des Werkes.
Und das Buch dürfte auch in so mancher Hochschulbibliothek ausleihbar sein, wenn dort andere Bücher zum Thema Wissenschaftstheorie, Wissenschaftsphilosophie etc vorhanden sind.
@Zara.t, ich haben jedenfalls an verschiedenen Stellen im Forum nicht genau verstanden, was du damit meinst, wenn du sagst, das Universum wäre indeterministisch.
Allein der Zeitpunkt unserer Existenz, 13,7 Mrd. Jahre nach dem Anfang der uns bekannten Welt, kommt nicht von ungefähr und ist teilweise determiniert. (Damit meine ich, dass jeweils die Menge der potentiellen Möglichkeiten vollständig determiniert ist. D.h. die Naturgesetze in Verbindung mit den bestehenden Strukturen bestimmen diese Menge. Deswegen ist die dann tatsächlich wirklich werdende Möglichkeit eben teilweise determiniert, auch wenn man es akzeptiert, dass es dem Zufall überlassen ist, welche Möglichkeit wirklich wird.
(Mich hat dieser Punkt schon immer an die „Evolution“ erinnert, oder auch an die menschliche Kreativität. Sehr vereinfacht kann man sich hier anstelle der Naturgesetze das rationale Denken vorstellen (Die Rolle der Emotionen unterschlage ich hier einfach mal). Und die bestehenden materiellen Strukturen als die Erfahrung des Individuums. Neue Ideen tauchen nicht einfach so aus dem Nichts heraus auf, ohne irgendwelche Vorbedingungen. Aber die ganze Sache ist auch nicht so streng, als das nichts „Neues“ möglich wäre.)
Na ja, du weißt doch selbst, dass wir aus Sternenstaub bestehen und somit ein Sonnensystem wie das unsere als Vorbedingung unter anderem den Tod eines anderen Sternes hat, der die Bedingungen schuf, unter denen die Existenz unseres Sonnensystems überhaupt erst als möglich erscheint.
Und das ebenfalls die Bedingungen auf diesem Planten stimmen müssen, die richtige Entfernung vom Stern, die richtige Größe, ein Magnetfeld, einen kleinen Mond zur Stabilisierung, die richtige chemische Zusammensetzung des Planeten und so weiter.
Und es ist auch klar, dass es wieder Mrd. Jahre dauern wird, bis sich selbst unter den besten Voraussetzungen Leben entwickeln wird.
Damit ist die Möglichkeit unserer Existenz von Anfang an erst ab einem bestimmten Zeitpunkt gegeben.
(Wenn jemand von indeterminiert im Zusammenhang mit dem Universum spricht, dann verstehe ich dies so, dass das eben gesagte verneint.)
In der heutigen modernen Sichtweise kann man dies alles eben nur ein wenig lockerer sehen. Es ist nicht mehr notwendig, davon auszugehen, es hätte bereits vor 13,7 Mrd. Jahren festgestanden, dass ich heute diese Zeilen hier schreiben würde. Vielmehr könnte man sagen, es bestand von Anfang an die Möglichkeit, dass so ein Ereignis eintreten könne. Vergleichbar mit einem weißen Blatt, auf das jedes Bild gemalt werden könnte. Aber bereits das zufällige setzen des ersten Punktes auf dieses Blatt hat Einfluss darauf, welche zukünftigen Bilder überhaupt noch als "möglich" betrachtet werden können.
Dabei gehe ich natürlich immer davon aus, dass nicht jede Möglichkeit wirklich wird. Ich sehe den Zufall also nicht als ein Element menschlicher Unwissenheit an, das sich auflösen würde, wenn man die Beschreibung der Welt nur tief genug ansetzt.
Und ich setze damit auch einen realen Unterschied von Vergangenheit und Zukunft voraus. Weizsäcker hat mich auf diese Idee gebracht, wobei ich sie schon vorher unbewusst angenommen hatte. Ich finde seine Argumentation plausibel und denke auch, dass eine Unterscheidung zwischen Vergangenheit (Faktizität) und Zukunft (Potentialität), wie er sie trifft, für die Möglichkeit von Erfahrung notwendig ist.
Da ich nicht leugnen kann, dass ich selbst ein Lebewesen bin, welches dazu fähig ist, Erfahrungen zu machen, wäre es dumm, wenn ich die Bedingungen leugnen würde, die Voraussetzung sind, damit ich Erfahrungen machen kann. (Auf ähnliche weise hat Kant die Notwendigkeit begründet, dass die Naturgesetze gelten müssen, da sie die Voraussetzung für die Möglichkeit von Erfahrung sind,... wenn ich mich nicht irre.)
Nach meiner Auffassung lässt sich der Unterschied zwischen Vergangenheit und Zukunft nur als subjektive Fiktion bezeichnen, wenn man wie Einstein "Veränderung" als etwas wirkliches leugnet. Damit nimmt man aber auch an, es hätte bereits vor 13,7 Mrd. Jahren festgestanden, dass ich genau diese Zeilen hier schreiben würde.
Es ist deswegen auch nicht weiter verwunderlich, warum Menschen, die diese Sichtweise verinnerlicht haben, mit dem "Zufall" ihre Probleme haben. Und natürlich ist auch die Vorstellung von "Emergenz" in dieser Sichtweise problematisch, überhaupt ist das auftreten von Qualitäten nur eine subjektive Fiktion in dieser Sichtweise.
Ich weiß natürlich auch, dass meine Sichtweise ebenso problematisch ist und voller offener Fragen. Und das viele meiner Schlüsse entweder falsch sind, oder ohnehin nur das Ergebnis meiner Grundannahmen, die ich nicht weiter begründen kann, falls mir überhaupt alle bewusst sind.
Jedenfalls: In den Inflationären Theorien der Kosmologie stimmen die theoretisch ermittelten Schwankungen der Hintergrundstrahlung erstaunlich genau mit den empirischen Daten überein. Und diese Schwankungen sind zufällig. Sie sind für mich dieser erste zufällige Punkt auf dem weißen Blatt Papier, da sie ganz grob die großräumige Verteilung der sichtbaren Materie im Universum determiniert haben.
Tschüss, André
Und sorry Zara.t, dass ich ein wenig vom Thema abgekommen bin,... wie sich die Gedanken beim Schreiben entwickeln werden, ist eben meist nicht vorhersagbar. ;)
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