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Wanderer´s Gedanken

Thema erstellt von Onur Bölükbas 
Onur Bölükbas
Hallo,
hier eine kleine Erzählung, die sich mit der Zeit, der Realität und "Modellen" befaßt. Ein paar Antworten dazu wären nett :)

WANDERER´s GEDANKEN: (Unbekannt)
Die Welt erschien fürs Wandern geschaffen: eine warme, sommerliche Welt, unter deren Bäumen
selbst am Tag Zwielicht herrschte. Viele Tage und Nächte lang ging der Wanderer unter den hohen
Bäumen, aß und trank und schlief. Die Zeit an sich spielte keine Rolle, wäre nicht einmal dann wichtig
gewesen, wenn er sich ihr bewußt gewesen wäre. Welcher Sinn lag darin, die eigenen Atemzüge zu
zählen, wenn es so viele Wunder zu bestaunen und zu entdecken galt? Vor ihm lag ein Gebiet, in dem alles anders war. Mit wachsender Aufregung setzte er den Weg fort. Bald gab es nicht mehr so viele verschiedene Bäume. Der Wanderer legte eine Pause ein und überlegte. Er saß an einer der Quellen und tauchte die Hände ins Wasser. Ihm war klar, daß man "aufhörte", wenn man längere Zeit kein Wasser bekam - und er wollte keine Stimme in den Ohren eines anderen werden, auch wenn die Stimmen froh und glücklich klangen. Mit der Zeit bemerkte der Wanderer, daß seltsameGedanken in seinem Kopf
wuchsen und diese formten ständig Bilder und wurden ein Teil seiner Realität/Wahrheit. Er war entschlossen ohne zu wissen warum er entschlossen war, und was ihn dazu trieb diese Reise fortzusetzen.Nun war er seit mehreren Tagen damit beschäftigt verschiedene Übungen durchzuführen. An einem Tag überkam ihn ein klarer Gedanke, rein und stark. Er spürte, wie er innerlich zu zittern begann. Seine Gedanken zeigten Leben und Tod, schreckliche Hitze und enormen Druck, sonderbare Wünsche und
Triumphe, vor allen Dingen aber Dunkelheit, eine süße, allumfassende und herabpressende Finsternis, neben der die Nacht wie heller Tag wirkte, offen, enthüllt und bloß. Zeitgleich mit den Donnerschlägen in seinem Kopf herrschte plötzlich Stille. Schließlich zitterte er nicht mehr, die Gedanken waren fort. Als sich die Gedanken auszubreiten begannen, konnte es niemand mehr aufhalten. Und jetzt waren die Gedanken nicht mehr zu fassen, er durchbrach Grenzen. Ein weiterer Gedanke erklang im Wald und
schien von ganz allein auf die Wanderschaft zu gehen. (Nach einer Weile) Der Wanderer sah etwas, das er unmöglich verstehen konnte. Er hatte sich Berge gedacht, und nun kam einer zu ihm. Die Gedanken kamen wieder zurück. Der Sand bebte und sang und knisterte, glitt immer rascher beiseite. Ein lautes Fauchen ertönte, ein Zischen, daß den Wanderer an herabstürzende Bäume erinnerte. Das riesige Etwas glänzte im Licht, richtete sich auf und starrte auf die zweibeinige Gestalt herab. Seit einigen Tagen kannte er den Unterschied zwischen Halluzinationen und der Gadankenberührung auf
die er sich tagelang konzentrierte. Und der Berg ähnelte den vielen anderen Dingen, die er sich
einbildete, und deshalb schenkte er ihr zunächst keine Beachtung. Es überraschte ihn, daß man auch Dinge wahrnehmen konnte, die Überhaupt nicht existierten! Jetzt stellte er fest, daß manche Realitäten beharrlicher waren als diese Art von Wirklichkeit, die von ihm fortwich, wenn er sich auf sie hinbewegte. Also nahm der Wanderer ruckartig Platz und überlegte, ob sich jetzt etwas Reales
anbahnte. Seine Augen waren geschlossen. Er spürte eine dumpfe Vibration. Es fühlte sich an, als
atme der Sand und die Steine, als hole die ganze Welt Luft. Der Wanderer dachte daran, daß er selbst atmete. Der Wanderer war ein einsames Geschöpf, schmutzig, das zottelige Haar verkrustet, der Kopf von getrockneten Blättern gesäumt, die Haut trocken und rissig, halb verdurstet und verwirrt - aber noch immer entschlossen. Er hörte eine Stimme. Die Stimme erklang erneut, und der Wanderer antwortete. Er gab einen Laut von sich, der "Ich bin hier" bedeuten sollte. Dann kroch die fremde Stimme in seine Gedanken und wiederholte dort die Botschaft. Als der Wanderer seine Augen öffnete, ragte der Berg noch höher empor, höher selbst als der Himmel, und beugte sich so über den Wanderer, daß der Himmel dahinter verschwand. Der Berg gab ein melodisches Pfeifen von sich, und es klang wie der Wind, der während eines besonders starken Regens durch die Baumwipfel strich. Dutzende von Gedanken fluteten dem Wanderer entgegen, und sie waren so seltsam, daß er beide Hände an den Kopf preßte. Kein Wort kam aus seiner Kehle, nicht einmal ein Ton. In diesem Moment, geballt mit aller Kraft, begann er zu schreien, so laut und so wunderbar, daß die Gedanken verschwanden. Und mit diesem Schrei ging das Bild des Berges einher, so wie er ihn zum erstenmal gesehen hatte: grüner Wald und weißes Feuer, unendlich fern, herrlich hoch und gewaltig. Der Wanderer freute sich, stand auf, sprang hin und her wie ein Kind, sammelte seine Sachen, packte frische Früchte ein und klares Wasser und ging weiter, Richtung Horizont...

Bis denn
Onur Bölükbas
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