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Eine besonders interessante Konsequenz von Heisenbergs Unschärferelation

Thema erstellt von Grtgrt 
Beiträge: 1.503, Mitglied seit 17 Jahren
Henry schrieb in Beitrag Nr. 1923-20:
Und ein System, das zwingend Sätze liefert, deren Widerspruchsfreiheit nicht bewiesen werden kann, ist für mich nicht vollständig.
Hast du nicht daran gedacht, dass deine Vorstellung über solches vollständiges System illusionär ist? Experimentelle Bestätigung hat ihre Grenzen. Ich denke dabei nicht nur an moralische ethische Gründe, wenn es um den Mensch geht, oft genug ist es prinzipiell unmöglich, wenn wir z. B. die Gesellschaften analysieren.

Ich nehme mein Hut vom Karl Popper Ideen, dennoch denke ich die Fähigkeit zum logischen Denken ist uns nicht umsonst gegeben. Ich denke, hier ist die Zukunft. Übrigens lese ich jetzt populärwissenschaftliches Büchlein "Das kleine Buch der Stringtheorie" vom Physiker Steven S. Gubser. Es gibt nicht die Stringtheorie. Es gibt ganze Menge. Ich finde es sehr spannend, was sich da entwickelt. Ja, es ist reine Mathematik und trotzdem hat sie Verknüpfung mit unserer Realität. Sonst wäre genug eine - Die Stringtheorie - in sich abgeschlossene, wiederspruchsfreie mathematische Beweisführung. Aber nein. Irgendwas passt nicht, wird überarbeitet, andere Lösungen gesucht. Auch der sich nur teils mit der Realität deckt, in anderen Aspekten widerspricht ihr. Ich könnte mir vorstellen, dass am Ende könnte was werden... Dennoch würde ich es keinesfalls als "die Weltformel" bezeichnen, da es gibt nicht den Antwort auf wichtigste Frage, was jeden von uns interessiert: warum ich da bin?

Gruß
Irena
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Beiträge: 1.566, Mitglied seit 11 Jahren
 
Henry schrieb in Beitrag Nr. 1923-20:
Tja, nur dass die Stringtheorie ein echtes Problem hat, Experimente zu liefern, mit denen man sie falsifizieren könnte.

Hi Henry,

du weichst mir aus, denn dass Strings derart klein sind, dass unsere Experimentalphysik sie vielleicht nie wird sehen können, ist kein Beweis für deine Behauptung, die Mathematik liefere die Werte nicht aus sich heraus — sie tut es eben doch.

Im übrigen gilt: Die Stringtheorie bestätigt das Standardmodell der Elementarteilchenphysik. Dieses Standardmodell aber ist experimentell bestätigt. Uns so können all diese Experimente auch als Bestätigung eines doch recht komplexen Ergebnisses der Stringtheorie gesehen werden.

Mindestens ein Experiment, das geeignet sein könnte, der Stringtheorie Aussage, es gebe zusätzliche Dimensionen, zu verifizieren, ist bereits ersonnen und hat gezeigt: Falls es zusätzliche Dimensionen gibt, sind die so so stark aufgerollt, dass der Durchmesser unserer Raumzeit entlang einer solchen Dimension deutlich geringer als 1/10 mm sein müsste. An einer Verfeinerung des Experiments wird derzeit gearbeitet.

Gruß,
grtgrt
 
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Beiträge: 1.566, Mitglied seit 11 Jahren
 
Henry schrieb in Beitrag Nr. 1923-20:
Und ein System, das zwingend Sätze liefert, deren Widerspruchsfreiheit nicht bewiesen werden kann, ist für mich nicht vollständig.

Nochmals an dich Henry:

Du folgerst schon wieder falsch.

Die durch Gödel bewiesene Aussage "Kein formaler KALKÜL, der wenigstens die natürlichen Zahlen und alle für sie gültigen Gesetze der Addition und Multiplikation modellieren kann, ist vollständig UND widerspruchsfrei"
  • impliziert NICHT, dass die Mathematik Sätze liefert, deren Widerspruchsfreiheit nicht bewiesen werden kann.
  • Sie impliziert lediglich, dass kein Kalkül im Sinne von Gödels Satz sämtliche wahren Aussagen als wahr nachweisen kann.

Beste Grüße,
grtgrt
 
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Irena schrieb in Beitrag Nr. 1923-17:
Du machst sich ja auch keine Mühe mit den Aussagen den Anderer zu beschäftigen, wenn sie das, was dir zurzeit wichtig ist, nicht berühren.

Hi Irena,

erstens habe ich dir keineswegs vorgeworfen, du würdest dir keine Mühe machen, dich mit meinen Aussagen zu beschäftigen.

Und zweitens ist mein Prinzip: Ich sage erst etwas, wenn ich tatsächlich etwas zu sagen habe.

Beste Grüße,
grtgrt
 
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Beiträge: 2.307, Mitglied seit 13 Jahren
Grtgrt schrieb in Beitrag Nr. 1923-23:
 
Henry schrieb in Beitrag Nr. 1923-20:
Und ein System, das zwingend Sätze liefert, deren Widerspruchsfreiheit nicht bewiesen werden kann, ist für mich nicht vollständig.

Nochmals an dich Henry:

Du folgerst schon wieder falsch.

Die durch Gödel bewiesene Aussage "Kein formaler KALKÜL, der wenigstens die natürlichen Zahlen und alle für sie gültigen Gesetze der Addition und Multiplikation modellieren kann, ist vollständig UND widerspruchsfrei"
  • impliziert NICHT, dass die Mathematik Sätze liefert, deren Widerspruchsfreiheit nicht bewiesen werden kann.
  • Sie impliziert lediglich, dass kein Kalkül im Sinne von Gödels Satz sämtliche wahren Aussagen als wahr nachweisen kann.

Beste Grüße,
grtgrt
 

Gödels Unvollständigkeitssatz beweist, dass formale System von hinreichender Komplexität nicht widerspruchsfrei sein können, er widerlegt Hilberts Vermutung, dass die Mathematik in sich widerspruchsfrei ist (siehe Hilbert-Programm). Das kannst du gern für dich auslegen, ich tu es für mich!

Guten Morgen
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Herr Oberlehrer

Die Wolken ziehen hin. Sie ziehen auch wieder her.
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Beiträge: 2.307, Mitglied seit 13 Jahren
Grtgrt schrieb in Beitrag Nr. 1923-22:
 
Henry schrieb in Beitrag Nr. 1923-20:
Tja, nur dass die Stringtheorie ein echtes Problem hat, Experimente zu liefern, mit denen man sie falsifizieren könnte.

Hi Henry,

du weichst mir aus, denn dass Strings derart klein sind, dass unsere Experimentalphysik sie vielleicht nie wird sehen können, ist kein Beweis für deine Behauptung, die Mathematik liefere die Werte nicht aus sich heraus — sie tut es eben doch.

Im übrigen gilt: Die Stringtheorie bestätigt das Standardmodell der Elementarteilchenphysik. Dieses Standardmodell aber ist experimentell bestätigt. Uns so können all diese Experimente auch als Bestätigung eines doch recht komplexen Ergebnisses der Stringtheorie gesehen werden.

Mindestens ein Experiment, das geeignet sein könnte, der Stringtheorie Aussage, es gebe zusätzliche Dimensionen, zu verifizieren, ist bereits ersonnen und hat gezeigt: Falls es zusätzliche Dimensionen gibt, sind die so so stark aufgerollt, dass der Durchmesser unserer Raumzeit entlang einer solchen Dimension deutlich geringer als 1/10 mm sein müsste. An einer Verfeinerung des Experiments wird derzeit gearbeitet.

Gruß,
grtgrt
 

Ich weiche dir nicht aus,denn ich habe nicht behauptet, dass die Stringtheorie nicht aus sich heraus die erfoderlichen Werte liefert (die Wert ergeben sich einfach aus den verschiedenen Schwingungsmodi der Strings; und da liegt eine der ganz großen Schwächen dieser Theorien - es ist noch nicht im Entferntesten möglich, zu zeigen WARUM diese oder jene Schwingung für den Kosmos relevant sein soll, und ein unendliches Spektrum an Schwingungen soll es nicht sein), ich sage nur, dass die Stringtheorie möglicherweise nie bewiesen werden kann. Und ich behaupte, das es mathematischer Formalismus ist, in den die Aussagen der Stringtheorie gefasst werden, dass aber nicht die Mathematik die Grundlegend für die Stringtheorie ist. Die Springtheorie bestätigt nicht die Modelle des Standardmodells, sondern sie widerspricht dem nicht, das ist ein Unterschied. Und das muss sie auch, wenn sie nicht von vornherein im Orkus verschwinden will. Die Stringtheoretiker selbst sehen die Chance, eine der aufgewickelten Dimension zu entdecken, als ziemlich gering an. Aber zugegeben, es wäre schon ein Hammer. Im Übrigen habe nicht nebenbei bemerkt gar nichts gegen die String-Theorien bzw. genauer gesagt gegen die M-Theorie, die die verschiedenen Ansätze zusammenfasst.
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Grtgrt schrieb in Beitrag Nr. 1923-11:
 
...
deine Gleichung   [ x,p ] = ih   scheint nur von dem Teil der Unschärfe zu sprechen, der sich daraus ergibt, dass man Ort und Impuls nacheinander misst (also nicht gleichzeitig). Ist das korrekt?

Nein.
a) Die Gleichung spiegelt den Grund wider, der ein momentanes scharfes Messen der Observable Impuls und Ort verhindert.
(Achtung: Observable werden durch hermitesche Operatoren beschrieben, x, p sind Operatoren.)*1

b) Die Unschärfe selbst wird durch die Ungleichung beschrieben.

c) Für allg. hermitesche Operatoren (resp. Observable) H1 , H2 gilt:
ΔH1ΔH2 ≥ 0,5 │< ψ | [ H 1, H2] | ψ>│ mit Δ=Schwankung, |ψ>= Zustand
Hier sieht man sehr anschaulich, wie sich der Kommutator auswirkt auf die Messbarkeit der Obervable H1, H2. Ist der Kommutator
0, ist prinzipiell eine gleichzeitige scharfe Messung möglich.

*1 (für Interessenten): herm. Op. sind quasi "symm". in unitären Räumen und haben immer (!) reelle Erw.Werte.

Gruss H.
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Beiträge: 1.566, Mitglied seit 11 Jahren
Henry schrieb in Beitrag Nr. 1923-25:
Gödels Unvollständigkeitssatz beweist, dass formale System von hinreichender Komplexität nicht widerspruchsfrei sein können, ...

Nein, Henry, das beweist er definitiv NICHT.
  • Der Gödelsche Unvollständigkeitssatz beschäftigt sich mit der Ableitbarkeit von Aussagen in formalen Systemen. Der Satz zeigt die Grenzen der formalen Systeme ab einer bestimmten Leistungsfähigkeit auf. Er weist nach, dass es in hinreichend starken Systemen, wie der Arithmetik, Aussagen geben muss, die man weder formal beweisen, noch widerlegen kann.
  • Genauer werden zwei Unvollständigkeitssätze unterschieden. Der Erste Unvollständigkeitssatz besagt, dass es in hinreichend starken widerspruchsfreien Systemen immer unbeweisbare Aussagen gibt. Der Zweite Unvollständigkeitssatz besagt, dass hinreichend starke widerspruchsfreie Systeme ihre eigene Widerspruchsfreiheit nicht beweisen können.
  • Durch diese Sätze ist der Mathematik eine prinzipielle Grenze gesetzt: Nicht jeder wahre mathematische Satz kann aus den Axiomen eines mathematischen Teilgebietes (zum Beispiel Arithmetik, Geometrie und Algebra) formal abgeleitet werden.

Auf jeden Fall befasst sich Gödels Satz nur mit FORMALER Ableitbarkeit.

Tatsächlich ist nur ein sehr kleiner Teil aller mathematischen Sätze formal bewiesen. Dennoch existieren Beweise dafür (sie sind nur nicht formal).

Gruß,
grtgrt
 
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Beiträge: 2.420, Mitglied seit 17 Jahren
Eine interessante Konsequenz der Unschärferelation ist m.E., dass sie Argumente für die Vielweltentheorie liefert:

Stellen wir uns hierzu vor, Henry hätte in seinem Beitrag Nr. 1923-5 unrecht - es bestünde also kein fundamentaler Unterschied zwischen dem alltäglichen Wissen um Orte und Geschwindigkeiten und den Verhältnissen in der Quantenmechanik. Stellen wir uns statt dessen vor, Harti hätte in seinem Beitrag Nr. 1923-2 recht - man könne also den Aufenthaltsort eines PKW und seine Geschwindigkeit nicht gleichzeitig mit beliebiger Genauigkeit messen. Stellen wir uns drittens, vor, Grtgrt´s geistiger Urknall sei richtig - die Unschärfe sei nicht durch Messung oder Unwissen begründet, sondern sei durch das Quanten-Objekt (hier unser PKW) selbst bestimmt.

Das Auto kann dann an einer Kreuzung etwas früher oder etwas später vorbeifahren, was zur Konsequenz hat, dass ein von rechts kommendes, sich nicht auf der Vorfahrtsstraße befindliches Auto im einen Fall anhalten muss, im zweiten Fall hingegen ohne Stopp durchfahren kann.

Das zweite Auto begenet in der folgenden halben Stunde mindestens 50 weiteren Autos, welche ihrerseits in der darauf folgenden Stunde 50 Autos begegnen usw. Die Autos wechselwirken nun miteinander. Sie bremsen ggf., weil ein anderes vor ihnen fährt, sie hupen, überholen einander... jedenfalls ist leicht einsichtig, dass der zuvor banale Umstand (nämlich, dass das ursprünglich von rechts kommende Auto in dem einen Falle ohne Stopp losfährt, in dem anderen Falle jedoch anhält,) bereits innerhalb der nächsten Stunde zu zwei völlig verschiedenen Welten führt - weil die 50 folgenden Autos nachfolgend mit 502 = 2500 verschiedenen Situationen konfrontiert sind. Dabei kann sich im einen Fall durchaus ein schwerer Unfall ereignen, im anderen Falle jedoch nicht. Je mehr Zeit nach dem Stopp oder Nichtstopp des ersten Wagens an der Kreuzung vergangen ist, umso verschiedener werden die beiden Folgewelten aussehen. Interessant auch: wenn im Rahmen der anfänglichen Unschärfe nicht nur zwei, sondern viele Möglichkeiten für die Ausgangssituation bestehen, so werden hinterher auch entsprechend mehr "Welten" aus diesen Ausgangsmöglichkeiten entstehen.

Wenn man die Skala des PKW sukzessive verkleinert, um schließlich in den atomaren Maßstab oder gar den der Elementarteilchen zu gelangen, ändert sich m.E. nichts Grundsätzliches an den obigen Überlegungen, jeweils voraussgesetzt, es werden verschiedene Ausgangszustände betrachtet.

Wenn die Unbestimmtheit also mehr ist, als bloßes "Nichtwissen" des Ausgangszustandes, wenn mehrere Ausgangszustände also gleichwertig nebeneinander vorliegen, so müsste die unausweichliche Konsequenz m.E. auch das Vorliegen verschiedener Welten sein.
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Okotombrok (Moderator)
Beiträge: 1.476, Mitglied seit 16 Jahren
Hallo Claus,

Claus schrieb in Beitrag Nr. 1923-29:
Wenn die Unbestimmtheit also mehr ist, als bloßes "Nichtwissen" des Ausgangszustandes, wenn mehrere Ausgangszustände also gleichwertig nebeneinander vorliegen, so müsste die unausweichliche Konsequenz m.E. auch das Vorliegen verschiedener Welten sein.

ich bin davon überzeugt, dass die Heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation kein bloßes "Nichtwissen" ist, sondern im Gegenteil mehr Wissen (als in der klassischen Mechanik) bedeutet. Es ist alles, was wir über ein Ereignis wissen können, welches sich noch nicht ereignet hat, was nichts anderes heißt als dass die Zukunft nicht 100%ig determiniert ist.
Dass aber mehrere Ausgangszustände gleichwertig nebeneinander vorliegen sollen, kann ich nicht nachvollziehen und somit auch nicht die Konsequenz die du daraus ziehst. Ein Ausgangszustand ist doch ein exakt zu erfassender Istzustand, z.B. dass eine Laserkanone ein Energiequant verloren hat. Unbestimmt hingegen ist dann, wo sich die Fotoplatte schwärzt, da gibt es mehrere z.T. gleichwertige mögliche Endzustände.
Wieso sollte dieses einzelne Energiequant sich in unzähligen neuen Universen manifestieren? Und was hätte dann die Wellenfunktion für eine Bedeutung? Manifestieren sich doch bei der VWI alle auch noch so unwahrscheinliche Möglichkeiten, macht also keine Unterscheidung zwischen wahrscheinlich und unwahrscheinlich.

Meines Wissens wurde die Viele-Welten-Theorie nur entwickelt um das Kollabieren der Wellenfunktion zu vermeiden. Aber was kollabiert denn da? Doch nichts physikalisches sondern nur Wissen. Beim Würfeln weiß ich, dass jede Zahl mit der Wahrscheinlichkeit 1/6 geworfen werden kann. Nach dem Würfeln kollabiert dieses Wissen zu einer einzigen Zahl.

mfg okotombrok
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"Der Kopf ist rund, damit die Gedanken die Richtung wechseln können"
(Francis Picabia)
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Hallo Okotombrok,

Okotombrok schrieb in Beitrag Nr. 1923-30:
ich bin davon überzeugt, dass die Heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation kein bloßes "Nichtwissen" ist, sondern im Gegenteil mehr Wissen (als in der klassischen Mechanik) bedeutet. Es ist alles, was wir über ein Ereignis wissen können, welches sich noch nicht ereignet hat, was nichts anderes heißt als dass die Zukunft nicht 100%ig determiniert ist. ...

Meines Wissens wurde die Viele-Welten-Theorie nur entwickelt um das Kollabieren der Wellenfunktion zu vermeiden. Aber was kollabiert denn da? Doch nichts physikalisches sondern nur Wissen. Beim Würfeln weiß ich, dass jede Zahl mit der Wahrscheinlichkeit 1/6 geworfen werden kann. Nach dem Würfeln kollabiert dieses Wissen zu einer einzigen Zahl.

Genau auf diese Reduzierung auf das Thema "Information" wollte ich hinaus:

Das, was du als "mehr Wissen" bezeichnest, würde ich eher als "Nichtwissen" verstehen. Vor dem Würfeln weiß ich weniger: ich weiß nur, dass eine von 6 möglichen Zahlen geworfen werden wird, ich weiß aber nicht, welche. Nach dem Würfeln weiß ich mehr - ich weiß nämlich zusätzlich, welche der 6 Zahlen geworfen wurde. Wenn die Zukunft noch nicht 100%ig determiniert ist, so also ggf. deshalb, weil ich nicht weiß, wie sie determiniert ist.

Ich würde auch eher sagen, dass nicht "Wissen" kollabiert, sondern vielmehr "Nichtwissen". Nichtwissen kollabiert zu Wissen. Üblichweise geht man ja davon aus, dass man über die Vergangenheit, viel (- ggf. alles) weiß, über die Zukunft dagegen wenig (bzw. nichts Genaues). M.E. muss aber der Zeitpunkt der Informationsgewinnung nachrangig, wenn nicht sogar irrelevant sein, weil es ja kein eindeutiges Unterscheidungsmerkmal zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gibt (seit der SRT wissen wir ja, dass man über das, was z.B. noch Zukunft ist, berechtigterweise unterschiedlicher Auffassung sein kann).

Wenn ich ein Geschehen von einem beliebigen, in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt rückverfolge und mir alle nötigen Informationen verschaffe (was ich ja kann, weil der Ausgangszeitpunkt in der Vergangenheit liegen möge), so kann ich den Zustand zu einer noch weiter zurück liegenden Vergangenheit eindeutig rekonstruieren (d.h.: der Anfangszustand ist ohne Unschärfe; es existiert nur eine Welt).

Wenn ich umgekehrt nun von der Gegenwart in die Zukunft extrapoliere, so kann ich die Zukunft nicht eindeutig bestimmen, sondern kenne nur die Wahrscheinlichkeiten verschiedener möglicher Geschichten. Als Grund dafür gibt es m.E. zwei Möglichkeiten:

Entweder, es existiert ein eindeutiger Anfangszustand - ich kenne ihn nur nicht (ggf. kann ihn prinzipiell auch nicht kennen) - dann gibt es nur eine Zukunft, welche ich nur deswegen nicht eindeutig vorhersagen kann, weil mir Informationen fehlen.

Oder, es bestehen mehrere gleichwertige ("entartete") Anfangszustände. Dann müssten diese m.E. letztlich in verschiedenen Welten münden.
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Beiträge: 1.566, Mitglied seit 11 Jahren
 
Claus schrieb in Beitrag Nr. 1923-31:
 
Wenn ich ein Geschehen von einem beliebigen, in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt rückverfolge und mir alle nötigen Informationen verschaffe (was ich ja kann, weil der Ausgangszeitpunkt in der Vergangenheit liegen möge), so kann ich den Zustand zu einer noch weiter zurück liegenden Vergangenheit eindeutig rekonstruieren (d.h.: der Anfangszustand ist ohne Unschärfe; es existiert nur eine Welt).
 

Hi Claus,

die Viele-Welten-Theorie (die ich hier weder verteidigen noch ad absurdum führen will) bedeutet doch nichts anders, als dass die Zukunft sich baumartig verzeigt.

Wenn ich mich nun ans Ende eines solchen Astes begebe (in ein Blatt etwa), so entspricht der in der Vergangenheit liegende Zeitpunkt, von dem aus du weiter in die Vergangenheit gehst, irgend einer Stelle W auf jenem Ast des Baumes, die zwischen dem Blatt und der Stelle liegt, an der sich aus dem Stamm des Baumes heraus erstmals Äste trennen. Deine "weiter zurückliegende Vergangenheit" ist also z.B. diese Stelle oder eine noch vor ihr weiter unten im Stamm liegende.

Nun kann man aber doch nicht behaupten — wie du das tust — aus der Eindeutigkeit des Stammes folgt, dass es nur ein einziges solche W (= Welt) gibt. Es dürfte dann ja sogar nur ein einziges Blatt am Baum geben.

Mit anderen Worten: Aus der Tatsache, dass der Stamm, aus dem ein Ast wuchs, eindeutig ist, folgt noch lange nicht, dass jener Ast keine Brüder haben kann (Parallelwelten, wenn man ihn als Welt sieht).

Gruß,
grtgrt
 
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Beiträge: 1.566, Mitglied seit 11 Jahren
Claus schrieb in Beitrag Nr. 1923-31:
... es ja kein eindeutiges Unterscheidungsmerkmal zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gibt (seit der SRT wissen wir ja, dass man über das, was z.B. noch Zukunft ist, berechtigterweise unterschiedlicher Auffassung sein kann).

Hi Claus,

mich würde sehr interessieren, was du als ein ganz konkretes Beispiel für die Richtigkeit dieser Aussage betrachtest — sie scheint mir so formuliert nicht richtig.

Gruß,
grtgrt
 
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Beiträge: 2.420, Mitglied seit 17 Jahren
Hallo Grtgrt,

Zitat von Grtgrt:
Aus der Tatsache, dass der Stamm, aus dem ein Ast wuchs, eindeutig ist, folgt noch lange nicht, dass jener Ast keine Brüder haben kann

Da hast du recht, das ist mir schon aufgefallen, als ich meinen Beitrag abgeschickt hatte. Natürlich kann es immer Parallelwelten geben (schon allein deswegen weil wir ja nichts konkretes über sie wissen können... :confused:). Rückblickend ist eine solche Annahme aber nicht begründet bzw. plausibel, zumindest ist sie nicht erforderlich, während vorausschauend betrachtet unter der Voraussetzung des Vorhandenseins verschiedener Ausgangszustände m.E. schon.

Ich hatte in Beitrag Nr. 1923-31 weiter behauptet, es gebe kein eindeutiges Unterscheidungsmerkmal zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Du entgegnest darauf
Zitat von Grtgrt:
mich würde sehr interessieren, was du als ein ganz konkretes Beispiel für die Richtigkeit dieser Aussage betrachtest — sie scheint mir so formuliert nicht richtig.

Die Vorstellung John von Neumanns ging ursprünglich davon aus, dass sich ein quantenmechanisches Ereignis zum Zeitpunkt der Messung desselben manifestiert. Zuvor existiere ausschließlich die zugehörige Wellenfunktion.

Beobachter eines solchen Ereignisses in verschiedenen Inertialsystemen sind sich jedoch nicht darüber einig, ob der Messzeitpunkt noch in der Zukunft liegt oder ob er bereits Geschichte ist. Somit müsste die Wellenfunktion für den einen Beobachter bereits kollabiert sein, während sie für einen anderen Beobachter noch aufrechterhalten ist.

Die offensichtliche Subjektivität dieser Wertung legt es m.E. nahe, den "Zusammenbruch" der Wellenfunktion (falls es diesen überhaupt gibt) nicht einem Zeitpunkt (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) zuzuordnen, sondern ihn vielmehr an die Information zu koppeln, die ein Beobachter erhält, wenn er das jeweilige Ereignis beobachtet.

Außerdem meine ich, dass die dir sicherlich bestens vertraute Kritik des Augustinus an dieser Sache (Zitat aus Conf. 11,14): "Vergangenheit und Zukunft, wie kann man sagen, daß sie sind, wenn die Vergangenheit schon nicht mehr ist und die Zukunft noch nicht ist? Die Gegenwart aber, wenn sie immer gegenwärtig wäre und nicht in Vergangenheit überginge, wäre nicht mehr Zeit, sondern Ewigkeit.“ nichts von ihrer Aktualität verloren hat.
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Beiträge: 1.566, Mitglied seit 11 Jahren
Claus schrieb in Beitrag Nr. 1923-34:
 
Die offensichtliche Subjektivität dieser Wertung legt es m.E. nahe, den "Zusammenbruch" der Wellenfunktion (falls es diesen überhaupt gibt) nicht einem Zeitpunkt (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) zuzuordnen, sondern ihn vielmehr an die Information zu koppeln, die ein Beobachter erhält, wenn er das jeweilige Ereignis beobachtet.
 

Hi Claus,

mir scheint, deine Vorstellung den "Zusammenbruch" betreffend ist genau die richtige.

Alles, was ich bisher über Quanten-Experimente gelesen habe, deutet darauf hin, dass die Wellenfunktion nicht zusammenbricht, sondern dass sie sich automatisch jeder neuen Informationslage anpasst (sie ist sozusagen "Spiegelbild" der jeweils vorhandenen Informationslage).

Als "Zusammenbruch" erscheint das nur dem, der seine Betrachtung auf nur eine gemessene Größe (sprich: auf ein zu messendes Attribut) eines Quantums beschränkt. Schon wer mindestens zwei Quanten gleichzeitig betrachtet — wie man das etwa in einem von Leonard Mandel durchgeführten Experiment tut — sieht, dass z.B. das Unterbrechen eines der dort vorhandenen 4 Lichtwege zu mehr Information führt und sofort zu einer entsprechend modifizierten Wellenfunktion an zwei Detektoren, die Teile eines im Experiment in insgesamt 4 Teile zerlegten Photonstrahls aufzufangen da sind.

Dieses Experiment beschreibt Lothar Schäfer in seinem Buch in Anhang 17. Im WWW findet sich auch eine Beschreibung, die ist aber etwas gekürzt und daher weniger klar. (So auf die Schnelle habe ich jene Seite eben jetzt auch nicht wiedergefunden).

Beste Grüße,
grtgrt


PS: Eben erfahre ich, dass eine Gruppe um Gerhard Rempe (1998) folgendes Experiment in die Tat umgesetzt hat:

Rubidiumatome wurden durch einen "Doppelspalt" geschickt, der aus purem Licht bestand (also nicht aus Materie). Genauer:

In einer komplizierten Anordnung gelang es den Physikern, den Strahl aus Rubidium-Atomen an stehenden Lichtwellen so aufzuspalten, dass 4 Teilstrahlen entstanden:
Je zwei konnten sich gegenseitig überlagern und so Interferenz bilden.

Mit einem ganz besonderen Trick versuchten die Forscher nun, den Rubidium-Atomen die Information zu entlocken, auf welchem Weg jedes einzelne die Anordnung durchflogen hatte. Dazu muss man wissen: Rubidium-Atome besitzen in ihrer äußersten Schale ein Elektron, dessen Spin sich nach oben oder nach unten einstellen lässt. (Das Atom wird dadurch nicht verändert.)

Die Physiker richteten es so ein, dass das Elektron der Atome, die durch Spalt 1 kamen in eine, und das der Atome, die durch Spalt 2 kamen in die andere Richtung eingestellt wurde. An dieser Einstellung lies sich dann feststellen, durch welchen Spalt das Atom gekommen war.

Wie in ähnlichen Doppelspalt-Experimenten ergab sich auch hier:

Sobald diese Markierung gesetzt, also Weg-Information vorlag, verschwand die Interferenz zwischen den Atomen.


Das Besondere hier war, dass dieses Verschwinden allmählich herbeigeführt werden konnte:
Je mehr Atome man wie beschrieben normiert losschickte, desto mehr verschmierten sich die hellen und dunklen Streifen des Interferenzbildes:

Atome, deren Weg festgestellbar war,
bekamen hinter dem Spalt ganz offensichtlich andere Wellenfunktion als jene, deren Weg nicht feststellbar war.

Und das, obwohl sie sich von den anderen in rein GAR NICHTS unterschieden (!)


 
Beitrag zuletzt bearbeitet von Grtgrt am 18.10.2012 um 13:51 Uhr.
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Okotombrok schrieb in Beitrag Nr. 1923-30:
...
Dass aber mehrere Ausgangszustände gleichwertig nebeneinander vorliegen sollen, kann ich nicht nachvollziehen und somit auch nicht die Konsequenz die du daraus ziehst. Ein Ausgangszustand ist doch ein exakt zu erfassender Istzustand, z.B. dass eine Laserkanone ein Energiequant verloren hat. Unbestimmt hingegen ist dann, wo sich die Fotoplatte schwärzt, da gibt es mehrere z.T. gleichwertige mögliche Endzustände.
Wieso sollte dieses einzelne Energiequant sich in unzähligen neuen Universen manifestieren? Und was hätte dann die Wellenfunktion für eine Bedeutung? Manifestieren sich doch bei der VWI alle auch noch so unwahrscheinliche Möglichkeiten, macht also keine Unterscheidung zwischen wahrscheinlich und unwahrscheinlich.

Meines Wissens wurde die Viele-Welten-Theorie nur entwickelt um das Kollabieren der Wellenfunktion zu vermeiden. Aber was kollabiert denn da? Doch nichts physikalisches sondern nur Wissen. Beim Würfeln weiß ich, dass jede Zahl mit der Wahrscheinlichkeit 1/6 geworfen werden kann. Nach dem Würfeln kollabiert dieses Wissen zu einer einzigen Zahl.

mfg okotombrok

Hi okotombrok und die anderen Leser,

ich glaube, wenn man sich der Materie wirklich nähern möchte, muss man sich in die "harte" Mathematik begeben (ich
versuche ja ab und an hier im Forum). Denn sonst besteht die Gefahr, dass das Thema mystisch wird.

Die klass. Phys. hat gezeigt, dass die Punkt-Zustandsräume die von uns wahrgenommene Wirklichkeit unzulänglich beschreiben.
Daher hat man Vektorräume und spezielle Operatoren (hermitesche Formen: Grund - die haben mit Sicherheit immer
reelle Eigenwerte) zur Beschreibung genommen. Zunächst Hilberträume, die reichen aber auch nicht, man muss auch
Diracräume heranziehen (= "überabzählbare Zustände").
Der Witz hier: die erlauben "Überlagerungen" (Superposition), die tatsächlich vorkommen in der Mikrowelt (jeder kennt
die verschränkten Photonen, als ein Bsp.). Das ist ein Faktum, auch wenn man sich das evtl. nicht sofort vorstellen kann (wichtig:
löse dich von makroskopischen Vergleichen...).

Die Wellenfunktion hat eine exakt definierte Bedeutung, ohne Wenn und Aber!

Und das Viele-Welten-Modell ist nicht entwickelt worden, um irgend einen Kollaps zu verhindern. Leider steht so etwas
öfter mal in Zeitungen (man versucht hier umgangssprachlich dem Thema gerecht zu werden, was allerdings
nur sehr bedingt funktioniert).
Das Modell entspringt vielmehr der Theorie. Man hat gesehen, dass bei Messprozessen die Kohözenz (des Messsystems) verloren geht (zu Bohrs Zeiten
hat man das noch mit allerlei Mystik erklärt). Dies führt in der Konsequenz zu einer diagonalisierten reduzierten Dichtematrix.
Die Diagonalwerte sind alle möglichen Messzustände. Einen davon messen wir. Was passiert mit den anderen? Ein
Erklärungsversuch ist nun der Viele-Welten-Ansatz. Es wird nur gesagt, solange wir es nicht besser wissen, ist dies
eine mögliche Erklärung.

Gruss
H.
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Hilbert Raum schrieb in Beitrag Nr. 1923-36:
...Das Modell entspringt vielmehr der Theorie. Man hat gesehen, dass bei Messprozessen die Kohözenz (des Messsystems) verloren

Ein seltener Fall von Selbst-Zitat:
Kohözenz - weiss jemand, was das ist? ;-)

Ich meine natürlich Kohärenz
Signatur:
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Grtgrt schrieb in Beitrag Nr. 1923-28:
Henry schrieb in Beitrag Nr. 1923-25:
Gödels Unvollständigkeitssatz beweist, dass formale System von hinreichender Komplexität nicht widerspruchsfrei sein können, ...

Nein, Henry, das beweist er definitiv NICHT.
  • Der Gödelsche Unvollständigkeitssatz beschäftigt sich mit der Ableitbarkeit von Aussagen in formalen Systemen. Der Satz zeigt die Grenzen der formalen Systeme ab einer bestimmten Leistungsfähigkeit auf. Er weist nach, dass es in hinreichend starken Systemen, wie der Arithmetik, Aussagen geben muss, die man weder formal beweisen, noch widerlegen kann.
  • Genauer werden zwei Unvollständigkeitssätze unterschieden. Der Erste Unvollständigkeitssatz besagt, dass es in hinreichend starken widerspruchsfreien Systemen immer unbeweisbare Aussagen gibt. Der Zweite Unvollständigkeitssatz besagt, dass hinreichend starke widerspruchsfreie Systeme ihre eigene Widerspruchsfreiheit nicht beweisen können.
  • Durch diese Sätze ist der Mathematik eine prinzipielle Grenze gesetzt: Nicht jeder wahre mathematische Satz kann aus den Axiomen eines mathematischen Teilgebietes (zum Beispiel Arithmetik, Geometrie und Algebra) formal abgeleitet werden.

Auf jeden Fall befasst sich Gödels Satz nur mit FORMALER Ableitbarkeit.

Tatsächlich ist nur ein sehr kleiner Teil aller mathematischen Sätze formal bewiesen. Dennoch existieren Beweise dafür (sie sind nur nicht formal).

Gruß,
grtgrt
 

Hi, Gebhard!

Um unseren Mathedisput abzuschließen: Überzeugt bin ich nicht, aber ich habe nicht den nötigen Einblick, um weiterhin zu argumentieren. Deshalb: Ich denke, wenn in der Mathematik etwas formal bewiesen ist, gilt dieser Beweis grundlegend. Die Tatsache, dass es Sätze gibt, die noch nicht formal bewiesen sind, heißt nicht, dass diese Sätze zu Widersprüchen führen, sie sind halt nur noch nicht formal bewiesen. Umgekehrt sind aber Sätze, deren Widersprüchlichkeit formal bewiesen wurde, auch für alle sonstigen („skizzenhaften“) Beweise bindend.

Wenn nun Gödel nachgewiesen hat, dass die Mathematik keinen Bezug zur „Realität“ hat (Realität als unabhängig vom Bewusstsein existent), so ist das seine Sicht, die sich daraus schöpft, dass er Platoniker ist. In seinem Sinne ist die Mathematik Realität als „platonisches“ Objekt, also als Idee. Dass du dem folgen kannst, sehe ich ein, ich folge dem nicht, und deshalb haben die Sätze der Mathematik für mich auch nicht den Rang von „Naturgesetzen“.

Schöne Grüße
Signatur:
Herr Oberlehrer

Die Wolken ziehen hin. Sie ziehen auch wieder her.
Der Mensch lebt einmal. Dann nicht mehr.

(Donald Duck)
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Hi Henry,

natürlich ist es für Leute, die keine Vorlesungen über mathematische Logik gehört haben, schwierig, zu verstehen, was Gödels Satz genau sagt.

Wenn du mir nicht glaubst, dann glaube vielleicht Lothar Schäfer (habe eben jetzt im Index zu seinem Buch nachgesehen und bin so zu Seite 71 geführt worden, wo steht):

Zitat von Schäfer:
 
In der Mathematik ist Gödels Theorem der Beweis, dass komplexe logische Systeme, wie Arithmetik, zu ihrer Begründung Postulate benötigen, die sie nicht mit ihren eigenen Lehrsätzen beweisen können, sondern nur mit Begriffen eines umfassenderen Systems, das sozusagen auf einer höheren Stufe operiert.

Kein mathematisches System ist in sich abgeschlossen, weil Axiome, die für den Beweis seiner Lehrsätze benötigt werden, sich nicht selbst beweisen können.
 


Der springende Punkt ist:

Jeder KALKÜL im Sinne von Gödels Satz ist nur EIN logisches System.


Die Mathematik als Ganzes (als Vereinigung ALL ihrer logischen Systeme) kann man vergleichen mit einer Ebene, die komplett überdeckt ist mit Kreisringen, die sämtlich denselben Mittelpunkt M haben. Jeder dieser Kreisringe R(K) entspricht EINEM der mathematischen Kalküle K, und es gilt:
  • Aussagem in Inneren des Kreisringes R(K) sind die Axiome, auf denen K aufbaut (die K also nicht beweisen kann bzw. als wahr voraussetzt).
  • Aussagen auf dem Kreisring R(K) sind all die Aussagen, die K beweisen kann.
  • Alle weiteren Aussagen liegen ausserhalb von R(K). Sie zu beweisen benötigt man einen mächtigeren, dem K übergeordneten Kalkül. Auch der aber ist ein mathematischer Kalkül.

Nochmals also: Verwechsle bitte nie die Mathematik mit nur einem einzigen formalen Kalkül.

Was ich als den Mittelpunkt M aller R(K) bezeichne ist im übrigen nichts anderes als das Axiom vom Widerspruch (Aristoteles hat es wohl als Erster in seiner überaus grundlegenden Bedeutung klar erkannt). Es ist Basis all unseres logischen Denkens.

Beste Grüße,
grtgrt
 
Beitrag zuletzt bearbeitet von Grtgrt am 09.10.2012 um 13:59 Uhr.
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Grtgrt schrieb in Beitrag Nr. 1923-39:
 
Hi Henry,

natürlich ist es für Leute, die keine Vorlesungen über mathematische Logik gehört haben, schwierig, zu verstehen, was Gödels Satz genau sagt.

Wenn du mir nicht glaubst, dann glaube vielleicht Lothar Schäfer (habe eben jetzt im Index zu seinem Buch nachgesehen und bin so zu Seite 71 geführt worden, wo steht):

Zitat von Schäfer:
 
In der Mathematik ist Gödels Theorem der Beweis, dass komplexe logische Systeme, wie Arithmetik, zu ihrer Begründung Postulate benötigen, die sie nicht mit ihren eigenen Lehrsätzen beweisen können, sondern nur mit Begriffen eines umfassenderen Systems, das sozusagen auf einer höheren Stufe operiert.

Kein mathematisches System ist in sich abgeschlossen, weil Axiome, die für den Beweis seiner Lehrsätze benötigt werden, sich nicht selbst beweisen können.
 


Der springende Punkt ist:

Jeder KALKÜL im Sinne von Gödels Satz ist nur EIN logisches System.


Die Mathematik als Ganzes (als Vereinigung ALL ihrer logischen Systeme) kann man vergleichen mit einer Ebene, die komplett überdeckt ist mit Kreisringen, die sämtlich denselben Mittelpunkt M haben. Jeder dieser Kreisringe R(K) entspricht EINEM der mathematischen Kalküle K, und es gilt:
  • Aussagem in Inneren des Kreisringes R(K) sind die Axiome, auf denen K aufbaut (die K also nicht beweisen kann bzw. als wahr voraussetzt).
  • Aussagen auf dem Kreisring R(K) sind all die Aussagen, die K beweisen kann.
  • Alle weiteren Aussagen liegen ausserhalb von R(K). Sie zu beweisen benötigt man einen mächtigeren, dem K übergeordneten Kalkül. Auch der aber ist ein mathematischer Kalkül.

Nochmals also: Verwechsle bitte nie die Mathematik mit nur einem einzigen formalen Kalkül.

Was ich als den Mittelpunkt M aller R(K) bezeichne ist im übrigen nichts anderes als das Axiom vom Widerspruch (Aristoteles hat es wohl als Erster in seiner überaus grundlegenden Bedeutung klar erkannt). Es ist Basis all unseres logischen Denkens.

Beste Grüße,
grtgrt
 

Ok, das verstehe ich soweit. Falls du nichts dagegen hast, würde ich dennoch ab und an ein paar Fragen dazu stellen.
Signatur:
Herr Oberlehrer

Die Wolken ziehen hin. Sie ziehen auch wieder her.
Der Mensch lebt einmal. Dann nicht mehr.

(Donald Duck)
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