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Kant

Thema erstellt von Zara.t. 
Beiträge: 2, Mitglied seit 16 Jahren
Worldcode schrieb in Beitrag Nr. 82-40:
(...)
Tja, Kant hat immer noch recht, Raum und Zeit sind seinsbedingende Universlien(Kanten in den Rahmenbedingungen). ich gehe noch weiter und behaupte, sie sind die Urmaterie schlechthin aus denen alles gemacht ist. darum haben sie auch eine Form. Eine Form hat alles was der Fall ist. Wittgenstein Upgrade.Man sollte auf Kants Kanten achtgeben.

Ich dachte Wittgenstein hätten wir mit dem Poststrukturalismus hinter uns gelassen (Foucault; Deleuze). Und Kants Raum und Zeit sind sicher nicht seinsbedingend, sondern Bedingungen für Erfahrung. Er redet ja nicht umsonst von Anschauungen vor aller Erfahrung. Man könnte sagen, dass es Zeit und Raum nur gibt, weil es Lebewesen gibt, die etwas erfahren müssen/können/sollen/etc. Irgendwie gibt es Raum und Zeit zwar, aber irgendwie so gar nicht in der Form, wie es das Alltagsverständnis haben will. Raum und Zeit sind keine Wesenheiten - existieren also nicht per se.

Der Gedanke mit der Urmaterie ist interessant, denn das könnte ja eine Art symmetrische Qualitäten-Relation sein.

Viele Grüße!

Beitrag zuletzt bearbeitet von Siraijn am 02.01.2008 um 22:51 Uhr.
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Beiträge: 1, Mitglied seit 16 Jahren
Die höchste Form der Philosophie ist ... theoretische Physik. ;-)
... umgekehrt auch... aber egal...
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Beiträge: 10, Mitglied seit 15 Jahren
Als Wiederbelebungsversuch stelle ich hier meine Sichtweise zur Diskussion.

Mein Bild von der Zeit ist aus vier Puzzlesteinen zusammengesetzt;
je ein entlehnter Denkansatz von Popper, Kant, Neurowissenschaften, und Systemtheorie.

Von Popper entlehne ich den Ansatz, demzufolge drei Klasssen von Objekten (Dingen,
Merkmalen, Beziehungen) unterschieden werden, die drei verschiedenen Welten angehören.
Welt-1 enthält jene Objekte, von denen wir gute Gründe haben, anzunehmen, dass sie
unabhängig von Menschen existieren; diese Welt könnte "objektive Realität" genannt werden.
Welt-2 umfasst (mehr oder weniger verzerrte) Repräsentationen von Objekten aus Welt-1
in den Vorstellungen von Menschen;
diese Welt könnte als "subjektive Wirklichkeit" bezeichnet werden.
Der Welt-3 sind jene Objekte zugeordnet, die ausschließlich als Gedankenkonstrukte in der
Vorstellung von Menschen entstanden sind, also keine Repräsentationen von in der Welt-1
vorgefundenen Objekten darstellen.

Von Kant entlehne ich den Denkansatz der a priori Begriffe, demzufolge der Mensch sein Bild
von der "Welt an sich", von der Welt-1 bei Popper, nur deshalb so formen kann wie er es formt,
weil elementare Verstandesbegriffe bereits in der Arbeitsweise des menschlichen Nervensystemes
angelegt sind.
Abstrakte Konzepte wie Zeit, Raum, Kausalität, Kräfte, Relationen, Information, Werte, etc.,
können nicht allein durch Beobachtung der Objekte aus Welt-1 im Hirn entstehen,
sondern dazu müssen auch bestimmte Fähigkeiten vorgegeben sein.
Fähigkeiten, die das Nervensystem des Menschen im Laufe der Evolution erworben hat.

Von den Neurowissenschaften entlehne ich Modellvorstellungen davon, wie Information
über Objekte der Welt-1 auf dem Weg über Sinnesorgane und Verarbeitung der Signale
von Sinnesorganen in das Hirn gelangt, wie also im Hirn die "subjektive Wirklichkeit",
eine Vorstellung von der Welt, entsteht.

Von der Systemtheorie entlehne ich schließlich die Konzepte Selbstorganisation und Emergenz,
also Denkmodelle dafür, wie aus sehr einfachen Bausteinen durch wiederholte Anwendung
meist sehr einfacher Wirkungsmechanismen recht komplexe Phänomene entstehen können.


Diese Puzzlesteine können bildhaft als vier gleichseitige Dreiecke mit gleicher Seitenlänge
vorgestellt werden. In geeigneter Weise zusammengesetzt, können die vier Dreiecke wieder
ein gleichseitiges Dreieck ergeben, diesmal mit doppelter Seitenlänge. Aus solchen doppelt
so großen Dreiecken lassen sich dann wieder gleichseitige Dreiecke zusammenfügen, usw.,

... bis dann schließlich das Konzept Zeit dabei herauskommt. ;-)

In der menschlichen Vorstellung von der Welt-1 ist Zeit
ein Hilfsmittel zur Beschreibung und Handhabung von Veränderungen.
Nach Popper wäre Zeit als Objekt der Welt-2 einzuordnen.

Ich finde übrigens den Begriff "Veränderung" allgemeiner und passender als "Bewegung",
weil "Bewegung" sehr stark mit Ortsveränderung konnotiert ist.
Ein Stück Eisen, das vor sich hinrostet, verändert sich zwar deutlich, führt dabei aber
keine Ortsveränderung aus, zumindest nicht in mesokosmischer Perspektive.


Gibt es dazu noch irgendwelche Fragen ?
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Beiträge: 1.729, Mitglied seit 16 Jahren
Hallo Kantigerwilli,

ist klar wieso Du so heisst, nachdem Ansatz mit den Dreicken aus der Systemtheorie :)

Also Deine Synthese von Kant und Popper konnte ich nachvollziehen, aber das mit der
Systemtheorie und deren geomertischer Interpretation eher nicht.
Wenn das geometrische Modell greift, wieso soll beim Zusammensetzen von Dreiceken
wieder ein Dreieck herauskommen und nicht gerade eine Pyramide?
Und was wäre jeweils die resultierende Aussage für das Wesen der Zeit?

Gruss
Thomas

Signatur:
Ich bin begeistert!
Beitrag zuletzt bearbeitet von Thomas der Große am 01.07.2008 um 00:16 Uhr.
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Beiträge: 10, Mitglied seit 15 Jahren

@ Thomas der Große


Zitat:
[...] Also Deine Synthese von Kant und Popper konnte ich nachvollziehen,
aber das mit der Systemtheorie und deren geomertischer Interpretation eher nicht.
Wenn das geometrische Modell greift, wieso soll beim Zusammensetzen von Dreiceken
wieder ein Dreieck herauskommen und nicht gerade eine Pyramide?
[...]

Eine Pyramide ist zweifellos deutlich "kantiger" als ein Dreieck; sie ist überhaupt DIE LÖSUNG,
allerdings für ein anderes Problem. :-)

Aber Spass beiseite, die geometrische Deutung sollte ganz allgemein illustrieren,
dass durch wiederholte Anwendung eines einfachen Gesetzes
aus einfachen Bausteinen ein komplexes Gebilde entstehen kann.

Natürlich hätte ich dazu auch auf Fraktale zurückgreifen können, oder auf Bienenwaben.

Wenn die erwähnten vier Dreiecke noch mit zwei weiteren gleichseitigen Dreiecken ergänzt werden,
dann können diese sechs Dreiecke ein Sechseck bilden. Sechsecke lassen sich wiederum nahtlos
zu größeren Gebilden aneinander fügen, wie das von den Bienenwaben ja bestens bekannt ist.
Auch in graphischen Darstellungen von Strukturformeln der organischen Chemie nimmt
das Sechseck eine herausragende Stellung ein, weil sich damit eine große Vielfalt an Strukturen
von Makromolekülen (Ringe, Ketten, Kombinationen daraus) veranschaulichen lassen.

Als zusätzliche Dreiecke sollten sich grundsätzlich Konzepte aus den Sachgebieten Psychologie
und Soziologie anbieten. Allerdings wollen mir partout keine Konzepte aus diesen Sachgebieten
einfallen, die sich als elementare Bausteine eines Erklärungsmodelles für das Zustandekommen
von Erkenntnis eignen würden.
In der Psychologie machen mir die Jung-Gesellen keine rechte Freud,
und aus der Soziologie drängt sich mir auch nichts Passendes auf.

Wenn also hierzu niemandem ein überzeugendes Konzept einfällt, dann müssen wir
zunächst einmal mit den vier bereits skizzierten Dreiecken vorlieb nehmen.


Zitat:
[...] Und was wäre jeweils die resultierende Aussage für das Wesen der Zeit?

Das ist wirklich eine gute Frage.

Zur Beantwortung dieser Frage muss ich ein wenig ausholen und kurz skizzieren,
wie eine Information über die "Welt an sich"
in eine Vorstellung von der Welt im Hirn eines Menschen umgewandelt wird
(dies ist eine Leihgabe aus dem Museum für Neurowissenschaften).

Die Information über ein bestimmtes Muster in der "Welt an sich" wird in drei Etappen
in eine Vorstellung von der Welt im Hirn eines Menschen umgesetzt.

Erste Etappe:
Von den Sinnesorganen werden Signalfolgen an verschiedene Zielneuronen im Hirn gesendet;
diese Konstellationen von Signalfolgen müssen das entsprechende Muster aus der "Welt an sich"
irgendwie repräsentieren.

Zweite Etappe:
Die empfangenen Konstellationen von Signalfolgen müssen im Hirn in einer Weise interpretiert
werden, bei der dieses Muster als ein solches erkannt wird.

Dritte Etappe:
Das so erkannte Muster muss vom Hirn in das bestehende Weltbild integriert werden, d.h., in den
bereits vorhandenen Bestand an für wahr genommenen Aussagen über die Welt eingefügt werden.


Die so konstruierte Vorstellung von der Welt kann allerdings durch mehrere Faktoren verfälscht
worden sein. Zum einen durch fehlende bzw. unvollständige Information, zum anderen aber auch
durch vom Wahrnehmungssystem fabulierte Information, die zumeist bei der Interpretation
der Signale durch das Hirn hinzugefügt wird. Bekannte Beispiele dafür sind Täuschungen der
visuellen Wahrnehmung (Kanizsa-Täuschung) und Täuschungen der Schmerzwahrnehmung
(Phantomschmerzen).


Der mit Abstand komplexere Teil ist die dritte Etappe. In dieser Etappe finden umfangreiche
Adaptierungen, Neugruppierungen und Wechselwirkungen statt, die einer wiederholten Anwendung
einfacher Gesetze ähneln.
Dabei können auch die Konzepte Selbstorganisation und Emergenz zum Tragen kommen.

Das gilt natürlich auch für das Zustandekommen unseres Begriffes von Zeit.


In der ersten und zweiten Etappe liegt das Kantige ja ziemlich offen auf der Hand.
Dass die Sinnesorgane nur dann ein Muster aus der "Welt an sich" in den zum Hirn gesendeten
Signalen repräsentieren können, wenn sie auch imstande sind, dieses Muster zu repräsentieren,
ist eine Trivialität. Da ist das "a priori" für einen Blinden greifbar.
Das Gleiche gilt für jene Instanzen im Hirn, die in den empfangenen Signalkonstellationen
das Muster erkennen sollen.

Nicht ganz so offenkundig ist die Sachlage in der dritten Etappe.
Aber selbst bei der Integration von erkannten Mustern in das bestehende Weltbild darf vermutet
werden, dass durch häufig wiederholtes Auftreten bestimmter erkannter Muster so etwas wie
eine Erwartung von Selbstverständlichem entsteht, die ihrerseits prägend (selektierend) auf
die Wahrnehmungen rückwirkt.
Ein indirektes "kantiges a priori" kann also auch in dieser Etappe nicht ausgeschlossen werden.


So war das gemeint !

Beitrag zuletzt bearbeitet von Kantigerwilli am 01.07.2008 um 19:22 Uhr.
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Beiträge: 1.851, Mitglied seit 18 Jahren
Kantigerwilli: "Von den Neurowissenschaften entlehne ich Modellvorstellungen davon, wie Information
über Objekte der Welt-1 auf dem Weg über Sinnesorgane und Verarbeitung der Signale
von Sinnesorganen in das Hirn gelangt, wie also im Hirn die "subjektive Wirklichkeit",
eine Vorstellung von der Welt, entsteht.
"

Ist mir vollkommen neu, daß die Neurowissenschaften solche Modellvorstellungen anbieten. Laß mal hören!
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Beiträge: 10, Mitglied seit 15 Jahren

Zara.t.

Zitat:
Ist mir vollkommen neu, daß die Neurowissenschaften solche Modellvorstellungen anbieten.
Laß mal hören!

Ich verstehe diesen Einwurf irgendwie nicht so recht.

Dass die Neurowissenschaften sich damit beschäftigen, wie Sinnesorgane ihre Reize in Signale
umsetzen und diese an das Hirn weiterleiten, was diese Signale weiter im Hirn auslösen, etc., ...
das wird es ja wohl nicht sein, was vollkommen neu ist.

Aber was konkret ist dann neu ?

LG Kantigerwilli

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Beiträge: 1.851, Mitglied seit 18 Jahren
Hallo Kantigerwilli!
Erstmal herzlich willkommen im Forum!

Mein Einwand ist kein sehr origineller. Ich behaupte nur es führt kein Weg aus Poppers Welt I in Poppers Welt II.
Es gibt keinen Weg, den wir verfolgen könnten von Zuständen der Welt I zu Zuständen der Welt II.
Wir können nicht beschreiben wie aus noch so komplexen Systemen von Materie eine bewußte Vorstellung entstehen soll. Welt I ist in sich abgeschlossen.

Grüße
zara.t.
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Beiträge: 10, Mitglied seit 15 Jahren

@ Zara.t.

Zitat:
[...] Ich behaupte nur es führt kein Weg aus Poppers Welt I in Poppers Welt II.
Es gibt keinen Weg, den wir verfolgen könnten von Zuständen der Welt I zu Zuständen der Welt II.

Meine diesbezüglichen Vorstellungen möchte ich anhand einer relativ einfachen Sinneswahrnehmung
illustrieren, anhand der Geschmacksempfindung "süß":

Zucker löst sich in der Mundhöhle auf, die Lösung fließt in die Geschmacksknospen und reagiert
mit den Rezeptoren für süß, Ionenwanderungen führen zu elektrischen Ladungsverschiebungen
(Aktionspotentialen), die sich u.a. über den VII. Hirnnerv an eine Umschaltzentrale in der
Medulla oblongata fortpflanzen, dort werden sie umgeschaltet in mehrere andere Hirnbezirke
(Gyrus postcentralis, Thalamus, u.a.) und lösen in diesen Bezirken weitere Feuerwerke von
elektrischen Entladungen aus (werden im weiteren Verlauf auch bewertet, gespeichert, usw.).

Nun stellt sich die Frage:
Wo und wie wird aus diesen Kaskaden von Feuerwerken die Geschmacksempfindung süß ?

Meine Antwort darauf lautet: So wie sich diese Feuerwerke im Hirn anfühlen,
das IST bereits die Geschmacksempfindung süß !


Zitat:
[...] Wir können nicht beschreiben wie aus noch so komplexen Systemen von Materie
eine bewußte Vorstellung entstehen soll.

So kann man das Qualia -Problem zwar durchaus korrekt darstellen, aber man muss nicht.
Vor allem beschreibt das eher unsere begrenzten Kommunikationsfähigkeiten, nicht so sehr
unsere begrenzten Erkenntnisfähigkeiten.

In der Abhandlung von Peter Bieri "Was machtBewusstsein zu einem Rätsel ?"
findet sich beispielsweise die rhetorische Frage (sinngemäß aus dem Gedächtnis zitiert,
der genaue Wortlaut kann geringfügig abweichen):
"Ist es nicht sinnlos, zu fragen, warum wir etwas so fühlen, wie wir es fühlen ?
Genausogut könnten wir auch fragen, warum wirkt die Gravitation so wie sie wirkt."

Wir fühlen eben so, wie wir fühlen, basta !

Wenn dieses "basta" als unbefriedigend empfunden wird, kann man ja postulieren,
dass bei diesen Kaskaden von Feuerwerken gewisse Emergenzen auftreten.
Das ist zwar keine zusätzliche Erklärung sondern nur eine Umbenennung des Phänomens,
hat aber bessere Chancen in einem wissenschaftlichen Umfeld akzeptiert zu werden.
Denn schließlich ist "Emergenz" ja die wissenschaftlich klingende Kurzformel für:
"Wir können zwar nicht erklären warum das so ist, aber es ist offenkundig so !"

Zitat:
Welt I ist in sich abgeschlossen.
Wenn mit "in sich abgeschlossen" gemeint ist "intersubjektiv unzugänglich"
dann würde ich eher Welt II als abgeschlossen bezeichnen.
Nicht zuletzt ist jeder Mensch ja auch ein Objekt in der Welt I,
ist also nicht aus der Welt I ausgeschlossen.


LG Kantigerwilli

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Beiträge: 1.851, Mitglied seit 18 Jahren
Kantigerwilli schrieb in Beitrag Nr. 82-49:

Meine diesbezüglichen Vorstellungen möchte ich anhand einer relativ einfachen Sinneswahrnehmung
illustrieren, anhand der Geschmacksempfindung "süß":

Zucker löst sich in der Mundhöhle auf, die Lösung fließt in die Geschmacksknospen und reagiert
mit den Rezeptoren für süß, Ionenwanderungen führen zu elektrischen Ladungsverschiebungen
(Aktionspotentialen), die sich u.a. über den VII. Hirnnerv an eine Umschaltzentrale in der
Medulla oblongata fortpflanzen, dort werden sie umgeschaltet in mehrere andere Hirnbezirke
(Gyrus postcentralis, Thalamus, u.a.) und lösen in diesen Bezirken weitere Feuerwerke von
elektrischen Entladungen aus (werden im weiteren Verlauf auch bewertet, gespeichert, usw.).

Nun stellt sich die Frage:
Wo und wie wird aus diesen Kaskaden von Feuerwerken die Geschmacksempfindung süß ?

Meine Antwort darauf lautet: So wie sich diese Feuerwerke im Hirn anfühlen,
das IST bereits die Geschmacksempfindung süß !


Das Problem ist, daß es keinen Grund gibt aus dem sich Feuerwerke irgendwie anfühlen sollten. Feuerwerke sind Feuerwerke, sonst nichts.
Die kausale Kette bis zur Entstehung der Feuerwerke ist korrekt. Aber dann kommt der Bruch. Von den Feuerwerken gibt es keine kausale Kette mehr hin zu bewußten Vorstellungen.



Zitat:
In der Abhandlung von Peter Bieri "Was machtBewusstsein zu einem Rätsel ?"
findet sich beispielsweise die rhetorische Frage (sinngemäß aus dem Gedächtnis zitiert,
der genaue Wortlaut kann geringfügig abweichen):
"Ist es nicht sinnlos, zu fragen, warum wir etwas so fühlen, wie wir es fühlen ?
Genausogut könnten wir auch fragen, warum wirkt die Gravitation so wie sie wirkt."

Wir fühlen eben so, wie wir fühlen, basta !

Wir fühlen eben so wie wir fühlen. Okay, die Qualität der sog. Qualia sei erstmal nicht unser Problem. Problem ist aber warum es überhaupt sowas wie Qualia gibt und warum wir nicht alle als sog. Zombies rumlaufen.
Poppers Welt I liefert uns diese Gründe nicht.
Mit David Chalmers sage ich deshalb: Sie kann uns diese Gründe auch gar nicht liefern. Der Materialismus ist "falsch". Und damit auch Poppers Einteilung der Welten.
Der Vergleich mit der Gravitation hinkt gewaltig. Gravitation läßt sich allein aus Poppers Welt I erklären.

Zitat:
Wenn dieses "basta" als unbefriedigend empfunden wird, kann man ja postulieren,
dass bei diesen Kaskaden von Feuerwerken gewisse Emergenzen auftreten.

Es gibt keine Emergenzen. Nenne mir eine einzige.

Zitat:
Das ist zwar keine zusätzliche Erklärung sondern nur eine Umbenennung des Phänomens,
hat aber bessere Chancen in einem wissenschaftlichen Umfeld akzeptiert zu werden.
Denn schließlich ist "Emergenz" ja die wissenschaftlich klingende Kurzformel für:
"Wir können zwar nicht erklären warum das so ist, aber es ist offenkundig so !"

Na siehst du.


Zum Problem der Geschlossenheit von Welt I : http://de.wikipedia.org/wiki/Bieri-Trilemma
eine mögliche Lösung des Trilemmas: http://de.wikipedia.org/wiki/Eigenschaftsdualismus


es grüßt
zara.t.

Beitrag zuletzt bearbeitet von Zara.t. am 03.07.2008 um 17:42 Uhr.
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Beiträge: 10, Mitglied seit 15 Jahren

@ Zara.t.

Zitat:
Das Problem ist, daß es keinen Grund gibt
aus dem sich Feuerwerke irgendwie anfühlen sollten.
Feuerwerke sind Feuerwerke, sonst nichts.

Muss es denn einen zwingenden Grund dafür geben, dass einzelne Charakteristiken
eines menschlichen Organsystemes so sind, wie sie eben sind ?

Ein Blick auf die belebte Natur fördert eine nahezu unüberschaubare Vielfalt an
Lebensformen zutage, die mit recht unterschiedlichen Organsystemen ausgestattet
sind, deren Wirkungsweise auf recht unterschiedlichen Prinzipien beruht.
Nur ganz wenige Prinzipien sind bei allen Lebensformen anzutreffen.
Demnach kann von kaum einer Lebensform gesagt werden,
dass ihre Merkmalsausstattung zwingend notwendig ist.
Selbst bei einer Beschränkung der Betrachtung auf den Homo sapiens lassen sich
mühelos Charakteristiken identifizieren, die nicht zwingend notwendig sind.
Der Mensch hat normalerweise einen Blinddarm, obwohl der nicht notwendig ist,
er hat normalerweise zwei Nieren, obwohl eine Niere ausreichen würde, usw..

Die Ausstattungsmerkmale einer Lebensform sind nicht zwingend notwendig,
sondern haben sich im Laufe einer Millionen oder Milliarden Jahre währenden Evolution
so ergeben. Diese Lebensformen haben die stark wechselnden Umgebungsbedingungen
als Art überlebt, deshalb gibt es sie heute noch.

In Anbetracht dieser Kontingenz von Charakteristiken erscheint es nicht gerechtfertigt,
für ein bestimmtes Charakteristikum des menschlichen Nervensystemes eine
zwingende Notwendigkeit zu fordern.


Die Frage "ist es zwingend notwendig, dass sich bestimmte neuronale Aktivitäten
in bestimmter Weise anfühlen ?" erscheint für eine Einsicht in die Arbeitsweise des
menschlichen Nervensystemes von untergeordneter Bedeutung.

Vielmehr ist vorrangig zu fragen "trifft es zu, dass sich bestimmte neuronale Aktivitäten
in bestimmter Weise anfühlen ?".

Beim erwähnten Beispiel steht außer Streit, dass wir eine Geschmacksempfindung "süß"
haben können. Die zugrundeliegenden neuronalen Aktivitäten sind ebenfalls
einigermaßen gut erforscht. Es fehlt nur noch eine Zusammenführung der Ergebnisse
aus der bottom-up Synthese (neurophysiologischer Zugang) einerseits,
und der top-down Analyse (psychologischer Zugang) andererseits.

Diese Zusammenführung kann auf zwei Wegen erfolgen. Entweder durch die Annahme
eines bisher noch unentdeckten Verbindungsstückes, oder durch die Annahme,
dass sich ein bestimmtes neuronales Geschehen eben in bestimmter Weise anfühlt.

In meinem Verständnis ist die Annahme eines missing links dem Rasiermesser von
Ockham zum Opfer gefallen, übriggeblieben ist die Annahme, das neuronale Geschehen
selbst fühlt sich so an, ist also bereits die Geschmacksempfindung.

Zitat:
[...] Es gibt keine Emergenzen. Nenne mir eine einzige.
Zum Beispiel die Verbindung von Sauerstoff und Wasserstoff zu H2O.
Die Elemente Sauerstoff und Wasserstoff sind bei Raumtemperatur gasförmig.
Werden an ein Sauerstoffatom zwei Wasserstoffatome angelagert, dann entsteht
dabei das uns wohlvertraute Wasser, das bei Raumtemperatur flüssig ist.
Ein typischer Fall von:
"Wir können zwar nicht erklären warum das so ist, aber es ist offenkundig so !"


LG Kantigerwilli


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Hallo Willi

"Zum Beispiel die Verbindung von Sauerstoff und Wasserstoff zu H2O.
Die Elemente Sauerstoff und Wasserstoff sind bei Raumtemperatur gasförmig.
Werden an ein Sauerstoffatom zwei Wasserstoffatome angelagert, dann entsteht
dabei das uns wohlvertraute Wasser, das bei Raumtemperatur flüssig ist.
Ein typischer Fall von:
"Wir können zwar nicht erklären warum das so ist, aber es ist offenkundig so !""



Wir können die Eigenschaften von Wasser aus den Eigenschaften von Wasserstoff und Sauerstoff im Voraus nicht genau berechnen, wir können sie aber erklären (Elektronenorbitale...) und a posteriori plausibel machen.

Der Fall Bewußtsein liegt ganz anders. Bewußtsein kannst du nicht aus Elektrochemie erklären.

Dein Gebrauch des Begriffs <Emergenz> ist der allgemein übliche. Danach wäre Wasser ein emergentes Produkt aus Wasserstoff und Sauerstoff. Ich will den Begriff <Emergenz> strenger fassen. Ich werde darüber nachdenken.
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Hallo Kantigerwilli,


ich denke, du etwas vereinfachst das Vorgehen mit der Wahrnehmung. Wenn Bewusstsein einfach eine Umkehrseite der elektrischen Wellenmuster wäre, dann wir das Süß augenblicklich fühlen würden. Die elektrische Impulse aus der Zunge suchen aber erst in dem Gehirn eine Anknüpfung - unsere Gedächtnis für geschmackliche Erlebnisse. Es wird verglichen mit so zu sagen dem Bestand. Nur wenn es geschieht, beginnen wir es bewusst wahrnehmen: es ist süß!
Die langzeit-Gedächtnis funktioniert auf die biochemischen Vorgängen, die bilden einen Art Netz, in dem die elektrische Impulse sich entfalten. Diese Netz für primäre Wahrnehmungen (Sinne) bildet sich sofort nach dem Geburt, und wenn das Gehirn wird nicht in diesem frühen Stadium gereizt, dann kann Wahrnehmung unwiderruflich verloren werden. Z.B. wenn ein Baby nach Geburt hat Hornhautentzündung und ist blind, wenn er später (mehr als nach eienm Jahr) wird operiert, weil es zur Zeit eine operative Heilung möglich ist - er wird trotzdem blind bleiben! Obwohl seine Augen werden geheilt, seine Augen praktisch visuelle Reize annehmen, sie finden keine Anknüpfung in Gehirn. Die Zeit der Bildung des entsprechendes Netzes, entsprechenden Verbindungen ist nicht nachzuholen.

Gerade diese Netz von Verbindungen gibt uns mehr Ausschus über das Bewusstsein. Sie sind individuell "codiert". Diese Code ist unsere Identität, das wir als ICH empfinden.


Hallo zara.t,

du hast recht, das Begriff Emergenz wird oft missbraucht. Oft sogar erhält es esoterische Züge. Ich erkläre Emergenz als ein kollektives Phänomen. Es ist das, was aus der Analyse einen Einzelnen man nicht schließen kann, weil es auf den Wechselwirkungen zwischen Einzelnen begründet. Erst durch diese Wechselwirkung wird die einfache Summe der Einzelnen nach aussen als das Ganze auftretten - also Emergenz zeigen.

Gruß,

Irena
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@ Zara.t.

Zitat:
[...] Dein Gebrauch des Begriffs <Emergenz> ist der allgemein übliche.
Ich verstehe darunter das Auftreten einer systemischen Eigenschaft,
die in keinem Bestandteil des Systemes vollständig enthalten ist.

Auch wenn der Begriff "Emergenz" in jüngster Zeit etwas überstrapaziert erscheint,
so sollte doch nicht übersehen werden, dass schon in früheren Jahrhunderten das
Auftreten neuer Eigenschaften an bestimmten Punkten einer Entwicklung oder eines
Prozesses thematisiert wurde.

Schon Karl Marx hat gerne auf das Umschlagen von Quantität in Qualität verwiesen,
und die Kalenderspruch-Weisheit "Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile"
hat auch schon ziemlich viele Jahre auf dem Buckel.

Der Begriff "Emergenz" ist zwar jung, stellt aber letztlich nur einen kompakten Namen
für einen altbekannten schwer durchschaubaren Sachverhalt bereit.
Er sollte deshalb nicht ausschließlich als ein fragwürdiges Konstrukt von Philosoterikern,
Schaumschlägern, und Scharlatanen verstanden werden.

Zitat:
[...] Wir können die Eigenschaften von Wasser aus den Eigenschaften von
Wasserstoff und Sauerstoff im Voraus nicht genau berechnen, wir können sie aber
erklären (Elektronenorbitale...) und a posteriori plausibel machen.

Der Fall Bewußtsein liegt ganz anders.
Bewußtsein kannst du nicht aus Elektrochemie erklären.
Wenn die Geschmacksempfindung als eine Emergenz aus neuronalen Aktivitäten
begriffen wird, dann lässt sie sich genausogut im Nachhinein plausibel machen,
wie das bei den Eigenschaften von H2O der Fall ist.
Schließlich lautet ja auch beim Wasser die Erklärung: Die Erfahrung lehrt, dass es so ist.


LG Kantigerwilli

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@ Irena

Zitat:
ich denke, du etwas vereinfachst das Vorgehen mit der Wahrnehmung.
Wenn Bewusstsein einfach eine Umkehrseite der elektrischen Wellenmuster wäre,
dann wir das Süß augenblicklich fühlen würden. Die elektrische Impulse aus der Zunge
suchen aber erst in dem Gehirn eine Anknüpfung - unsere Gedächtnis für geschmackliche
Erlebnisse. Es wird verglichen mit so zu sagen dem Bestand.
Nur wenn es geschieht, beginnen wir es bewusst wahrnehmen: es ist süß!

Zweifellos war meine Skizze der Geschmackswahrnehmung eine verkürzte Darstellung
des Geschehens.
Eine zeitliche Verzögerung erklärt sich mit Ladungstransportzeiten auf den Neuriten
und Dendriten sowie mit Prozesszeiten in den Synapsen und im Soma der Neuronen.
Bei mehreren Zwischenstufen (die "Feuerwerke" werden von "Mehrstufenraketen"
gebildet) ergeben sich Verzögerungen in der Größenordnung einiger Zehntelsekunden.

Von einer detaillierten Betrachtung der zeitlichen Relationen erwarte ich aber keine
zusätzlichen Antworten auf die Kernfrage, die da lautet:
Sind die neuronalen Aktivitäten bereits die Geschmacksempfindung,
oder kommt darüberhinaus noch etwas dazu ?

Bei dieser Entscheidung ist zu bedenken, dass die "Feuerwerke" ja deutlich mehr sind,
als nur elektrische Ladungsverschiebungen. Im Zuge dieser neuronalen Aktivitäten
werden auch Neurotransmitter, Neuromodulatoren und Endorphine ausgeschüttet.
Es sind also ausreichend materielle Grundlagen für ein anfühlen dieses Geschehens
vorhanden.


Wenn man hingegen annimmt, dass darüberhinaus noch etwas dazukommt,
dann muss man auch Antworten auf folgende Anschlussfragen geben:

Was genau ist dieses Etwas, das dazu kommt ?

Woher kommt das ?

Wie erfolgt die enge Kopplung zwischen neuronalem Geschehen und diesem Etwas ?

Bei dieser Annahme muss man dann höllisch aufpassen,
dass man nicht von Herrn Ockham mit seinem Rasiermesser erwischt wird.


Zitat:
[...] Die langzeit-Gedächtnis funktioniert auf die biochemischen Vorgängen,
die bilden einen Art Netz, in dem die elektrische Impulse sich entfalten.
[...]
Diese Code ist unsere Identität, das wir als ICH empfinden.
Diese Darstellung ist weitgehend mit meinem Verständnis kompatibel.



LG Kantigerwilli

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Hallo,
Kantigerwilli schrieb in Beitrag Nr. 82-55:
Wenn man hingegen annimmt, dass darüberhinaus noch etwas dazukommt,
dann muss man auch Antworten auf folgende Anschlussfragen geben:

Was genau ist dieses Etwas, das dazu kommt ?

Woher kommt das ?

Wie erfolgt die enge Kopplung zwischen neuronalem Geschehen und diesem Etwas ?

Wenn du meinst das Etwas eine Seele ist die den Körper bewohnt, es kommt für mich überhaupt nicht zur Diskussion. Ich finde reduktionistisch schon ein menschliches Wahrnehmen auf das Gehirn zu reduzieren. Ganze Körper ist dabei beteiligt: unseres zweites - ursprüngliches - "Gehirn" am Verdauungstrakt, viele hormonen Drüsen u.s.w. Annehmen, dass es Einwegvorgang - vom Gehirn zu dem Körper (etwa Gehirn befehlt dem Körper) - ist falsch. Es ist etwa, wie in einem zentralisiertem demokratischem Staat. Obwohl der Staat hat zentrales Verwaltungs-System, die Gemeinden und einzelnen Bürger durchaus ein Einflüß auf den Entscheidung nehmen.

Mir ist interessant, wann die Quantität schägt in Qualität um und ob es überhaupt mit dem zu tun ist. Viele Eigenschaften, die wir schlechthin für die Intelligenz halten -etwa gutes Gedächtnis, haben die Tiere und sogar qualitativ besseren. M.E. gerade dann, wann die "absolute Zentralisierung" des Gehirns nachgegeben hat und begann ein Dezentralisierungs Prozess - dann beginnt sich das Bewusstsein äussern. Ich spreche hier über die evolutive Entwicklung des Homo Sapiens als Art in allgemein und als ein Mensch - im Einzelnen. Diese Dezentralisierung äussert sich z.B. in Verzicht auf Supergedächtnis. Es ist nicht absolute Spiegelung (und die Festhaltung) der Umwelt gefragt. Die Evolution hat bevorzugt behutsames Umgehen mit dem "Speicherplatz". Jede weitere "Speicherung" soll nur um das Unbekanntes erweitert werden. Alles schon Bekanntes soll auf das Vorhandenes angeknüpft auf bestimmte kausale Weise, die wir durch unsere Erinnerung aktivieren und die durch eine Rückspiegelung prägt unseres Denken. So haben wir viel mehr Probleme mit der Erinnerung von komplexen abstrakten Bildern, die ein Schimpanze ohne mühe schafft. Weil wir eben jedes Bild zu Speicherung müssen "zerlegen" um an vorhandenen Assoziationen zu kommen, aber auch ein Art der Zusammensetzung - die "Gesetzmässigkeit" - extra zu notieren. So ein kleines Bild kann zu eine Herausforderung werden.
Hier versuche ich aus eigene WErfahrung ein Beispiel zu "basteln". Ich habe überdurchschnittlich schlechtes Gedächtnis. Besonders schlecht für die Gesichte, NAmen, Daten... Ich hatte aber niemals ein Problem in der Schule oder Studium. Ich brauchte ein Theorem nicht blind zu lernen. Ich brauchte nur es zu verstehen. Wenn Zusammenhang mir klar würde, dann hatte es diese Theorem, als jede andere mathematische Aufgabe gelösst. Also nicht den gelesenen Text wiedergeben. MAn erinnert A, Z und den Weg von A nach Z ergibt sich auf logische - kausale Weise. Man hält nur den Richtung in Erinnerung fest.

Ich entschuldige mich für die Fehler. Es ergibt sich leider immer mehr, was meine Aufmerksamkeit auffordert, als das Lernen der deutsche Grammatik.

Gruß

Beitrag zuletzt bearbeitet von Irena am 05.07.2008 um 12:59 Uhr.
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Hallo Willi

du: "Wenn die Geschmacksempfindung als eine Emergenz aus neuronalen Aktivitäten
begriffen wird, dann lässt sie sich genausogut im Nachhinein plausibel machen,
wie das bei den Eigenschaften von H2O der Fall ist. "


Eine echte Emergenz -und bei Geschmacksempfindungen handelt es sich um eine solche- läßt sich eben nicht aus ihren Konstituenten (Elektrochemie) plausibel herleiten.
Bei Wasser ist das kein Problem.
Wasser hat dieselben messbaren Eigenschaftsklassen wie seine Konstituenten: Masse, Impuls, Ladung, Aggregatszustand, Brechungsindex........
Das materielle Gehirn (Feuerwerke) kann in derselben Begrifflichkeit beschrieben werden.
Geschmacksempfenden brauchen eine ganz andere Terminologie: angenehm, intensiv, süßlich, ...
Siehst du den Unterschied nicht?

Im übrigen hab ich zum Thema Emergenz einen Thread eröffnet. Die Diskussion bitte dort fortsetzen. Hier gehts ja eigentlich um Kant.

Grüße
zara.t.

Beitrag zuletzt bearbeitet von Zara.t. am 05.07.2008 um 13:24 Uhr.
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@ Irena

Zitat:
[...] Ich finde reduktionistisch schon ein menschliches Wahrnehmen auf das Gehirn
zu reduzieren. Ganze Körper ist dabei beteiligt: unseres zweites - ursprüngliches - "Gehirn"
am Verdauungstrakt, viele hormonen Drüsen u.s.w.
Annehmen, dass es Einwegvorgang - vom Gehirn zu dem Körper
(etwa Gehirn befehlt dem Körper) - ist falsch.

Bei der Wahrnehmung sind selbstverständlich die Signalgeber (Sinnesorgane, Viszera)
auf den ganzen Körper verteilt, aber die Interpretation und Bewertung der Signale ist
meinem Verständnis nach beim Menschen überwiegend im Gehirn zentralisiert.
Das erleichtert die vielfältigen wechselseitigen Einflussnahmen zwecks Aufrechterhaltung
des lebensnotwendigen ausgewogenen inneren Milieus.

Aber das ist jetzt vielleicht doch schon zu weit entfernt vom eigentlichen Thema
"a priori Verstandesbegriffe bei Kant".


LG Kantigerwilli

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Zitat:
[...] Im übrigen hab ich zum Thema Emergenz einen Thread eröffnet.
Die Diskussion bitte dort fortsetzen. Hier gehts ja eigentlich um Kant.

Die Diskussion über Emergenzen und Modellvorstellungen der Neurowissenschaften
zur Erklärung von Gefühlen und Empfindungen stellt tatsächlich ein Nebengleis dar.

In diesem Punkt stimme ich mit Zara.t. voll überein, ich habe allerdings auch nicht übersehen,
dass die Weichenstellung auf dieses Nebengleis just von Zara.t. erfolgte.
Der Einwurf von Zara.t. ...
Zitat:
Ist mir vollkommen neu, daß die Neurowissenschaften solche Modellvorstellungen anbieten.
Laß mal hören!
... führte die Diskussion schnurstracks auf dieses Nebengleis.

Für dieses Vergehen gebührt Zara.t. die Gelbe Karte. ;-)

Als Unbestechlicher versuche ich jetzt eine Weiche zu finden, die von diesem Nebengleis
wieder zurück auf das Hauptgleis führt.
Dazu bietet sich folgende Feststellung von Zara.t. an:
Zitat:
[...] Eine echte Emergenz -
und bei Geschmacksempfindungen handelt es sich um eine solche

- läßt sich eben nicht aus ihren Konstituenten (Elektrochemie) plausibel herleiten.
Mit diesem unmissverständlichen Bekenntnis ist klargestellt, dass die Geschmacksempfindung
ohnehin auch von Zara.t. als eine Emergenz aus neuronalen Aktivitäten begriffen wird.
Damit kann dieser Disput als abgeschlossen betrachtet werden.


Zurück am Hauptgleis wäre noch zu diskutieren, wie sich im Hirn allmählich eine Vorstellung
von der Welt entwickelt.

Der Fötus im Mutterleib und das Neugeborene Baby haben wohl nur einen rudimentären Begriff
von Wohlbehagen und Unbehagen, diese Grundausstattung reicht aber als Ausgangspunkt für eine
Entwicklung, die im Zusammenwirken mit einem Wachstum und weiterer Ausdifferenzierung
des Nervensystems zu einer "Spirale nach oben" führt (sollte man das besser mit einer Schnecke,
oder mit einer Wendeltreppe vergleichen ?).
Anfangs werden nur sehr einfache Erfahrungen und Bewertungen gespeichert, auf diese Weise
bildet sich nach und nach ein Repertoire an Erfahrungswerten. Durch Rückwirkungen auf das
Wahrnehmungssystem verändern sich mit diesem Repertoire allmählich auch die Bewertungen
und es kommen neue Unterscheidungsfähigkeiten dazu.

Die Mustererkennung in den empfangenen Signalen und die anschließende Einordnung
der erkannten Muster in ein für wahr genommenes Bild von der Welt verändern sich sowohl
durch die Rückwirkungen der gemachten Erfahrungen, als auch durch Emergenzen im Gefolge
des Reifungsprozesses des Nervensystems.

Umgebungseinflüsse prägen also nicht nur das teilweise genetisch bedingte Ausreifen von
Hirnstrukturen und Sinnesorganen mit,
sondern liefern auch das Basismaterial für die Bildung neuer Unterscheidungsfähigkeiten.

Die Umgebungseinflüsse sind aber zumindest teilweise Wirkungen der "Welt an sich",
woraus abzuleiten ist, dass neben den "a priori" Verstandesbegriffen sehr wohl auch
die "Welt an sich" die Entwicklung unserer Erkenntnisfähigkeit mitprägt. Sorry, Mr Kant !


LG Kantigerwilli

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