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"Zeit ist nicht das Problem"

Thema erstellt von RoKo 
Beiträge: 105, Mitglied seit 14 Jahren
Bei meiner Internet-Recherche zum Zeitbegriff bin ich ein höchst interessantes Essay gestossen:

Olaf Dreyer - Time is not the Problem - http://www.fqxi.org/data/essay-contest-files/Dreyer...

weitere Informationen findet man auch unter dem Stichwort "Interna Relativity" bei Google.

Essay Abstract

Attempts to quantize general relativity encounter an odd problem. The Hamiltonian that normally generates time evolution vanishes in the case of general relativity as a result of diffeomorphism invariance. The theory seems to be saying that time does not exist. The most obvious feature of our world, namely that time seems to progress and that the world changes accordingly becomes a problem in this presumably fundamental theory. This is called the problem of time. In this essay we argue that this problem is the result of an unphysical idealization. We are caught in this ``problem of time'' trap because we took a wrong turn in the early days of relativity by permanently including a split of geometry and matter into our physical theories. We show that another possibility exists that circumvents the problem of time and also sheds new light on other problems like the cosmological constant problem and the horizon problem in early universe cosmology.


Ich finde den Ansatz von Olaf Dreyer höchst interessant, zumal er nicht nur das Zeitproblem der ART löst, sondern auch in der Quantenmechanik neue Ansätze verspricht und auch das Emerenz-phänomen der nichtlinearen Dynamik aussen vor lässt.

Ob O.D. jedoch Recht hat, kann ich nicht beurteilen - ich bin kein Professor für theoretische Physik, der am berühmten MIT lehrt und bei Smolin und Ashtekar am Perimeter Institut seinen Doktor gemacht hat.

(zur weiteren Debatte werde ich versuchen, wesentliche Gedanken in Deutsch wiederzugeben. Doch das braucht Zeit.)
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RoKo
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Also mein letzter Englischunterricht liegt 25 Jahre zurück. Wäre schön wenn das alles auf Deutsch wäre.
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@Solo1: Ich fange mal an.

Olaf Dreyer: Zeit ist nicht das Problem

Zusammenfassung

Beim Versuch der Quantisierung der ART stösst man auf ein merkwürdiges Problem. Der "Hamiltionian" (ein Term aus der Hamilton'schen Mechanik) , aus dem normalerweise die zeitliche Entwicklung des Systems abgeleitet wird, verschwindet im Falle allgemeiner Relativität als Ergebnis der Diffeomorphismus-Invarianz. Die Theorie scheint uns also zu sagen, dass Zeit nicht existiert. Das am wenigsten zu bezweifelnde Merkmal unserer Welt, namentlich das Fortschreiten der Zeit und die entsprechenden Veränderungen der Welt, werden zu einem Problem in dieser wahrscheinlich fundamentalen Theorie. Dies wird als Problem der Zeit bezeichnet.

In diesem Essay argumentieren wir, dass dieses Problem die Folge einer unphysikalischen Idealisierung ist. Wir sind mit diesem Problem der Zeit wie in einer Falle gefangen, weil wir in den frühen Jahren der Entwicklung des Relativitätsprinzips eine falsche Richtung engeschlagen haben, in dem wir eine Spaltung von Geometrie und Materie in unsere physikalische Theorie eingeführt haben. Wir zeigen, dass es eine andere Möglichkeit gibt, welche das Problem der Zeit umgeht und zudem auch ein neues Licht auf andere Probleme wirft, wie z.B. des der kosmologischen Konstante und des Horizontproblems des frühen Universums.
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RoKo
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Olaf Dreyer: Zeit ist nicht das Problem

A. Das Problem der Zeit

In der Newton'schen Physik ist die Zeit einfach geradeaus. Zeit hat die Struktur einer realen Linie und ist eines der a priori Merkmale der Theorie. Sind Position und Geschwindigkeit von Partikeln zu einer Zeit t0 zusammen mit den physikalischen Gesetzen gegeben, dann können wir für alle Zeiten t die Positionen und Geschwindigkeiten dieser Partikel berechnen. Diese Möglichkeit der Vorhersage der Zukunft bei gegeben Anfangswerten ist ein Markenzeichen physikalischer Gesetze. Für ihre Formulierung benötigen wir eine Vorstellung von der Zeit. Physikalische Gesetze und die Zeit arbeiten Hand in Hand.

Dieses simple Bild wurde in der Mitte des letzten jahrhunderts zerstört, als die gewöhnliche Struktur der ART verstanden wurde. Weil allgemeine Relativität diffeomorphismus-invariant ist und weil die zeitliche Entwicklung nichts als ein spezieller Typ von Diffeomorphis des "Hamiltonian" der klassischen Theorie ist, ist sie nichts als eine Einschränkung.

Gleichung 1: H(q,p)=0

Während dies in der klassischen Theorie einfach nur verwirrend ist, wird es in der Quantentheorie zu einem vertrakten Problem. Hier wird der "Hamiltonian" H zu einem Operator, der notwendigerweise bei der Anwendung auf physikalische Zustände verschwinden muss.

Gleichung 2: H|Psi>=0

Der Grund, warum diese Gleichung schwerer zu handbaben ist als Gleichung 1 liegt daran, dass |Psi> warscheinlich eine quantenmechanische Superpositionen ist, die mit verschiedenen klassischen Raumzeiten korrespondiert. Die Frage nach dem klassischischen Limes wird damit zu einem schwer händelbaren Problem. Wie kann eine klassische Raumzeit (Minkowski-Raum) aus solch einer Superposition gewonnen werden?

Dieser Fragenkomplex wird gewöhnlich als Problem der Zeit benannt. Es war ein ein zentrales Problem der Quantengravitation der letzten 50 Jahre und ist es bis heute geblieben. Statt dass wir nun den gegenwärtigen Diskussionsstand zu diesem Problem betrachten wollen wir herausarbeiten, dass dieses oben beschriebene Problem der Zeit nur haben, weil die ART uns erlaubt, dass Gravititationsfeld isoliert zu betrachten. In der ART ist die Metrik ein neues Feld, welches wie durch die Einstein'schen Feldgleichungen beschrieben mit den anderen Materiefeldern zusammenspielt. Es macht so Sinn, die Metrik isoliert zu betrachten, doch in diesem Zusammenhang treten dann die obigen Probleme auf. Das Problem der Zeit tritt auf, weil die Metrik von den Materiefeldern unterschieden wird. In diesem Essay zeigen wir auf, dass diese Spaltung in Geometrie und Materie Schuld am Problem der Zeit und an zahlreichen weiteren Problemen ist.
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RoKo
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Fortsetzung der Übersetzung.

B. Die Spaltung

Die Spaltung zwischen Geometrie und Materie hat ihren Ursprung in den frühen Jahren der speziellen Relativität. Bevor Einstein axiomatisch die SRT begründete, leitete Lorentz viele der wichtigen Formeln der speziellen Relativität auf komplett andere Weise ab. Er schaute auf Maxwell’s Theorie und stellte sich die Frage: Wenn die Materie durch die Maxwell’schen Gleichungen richtig beschrieben, was bedeutet das dann für die Möglichkeit, Raum und Zeitintervalle zu messen?

Obwohl Lorentz mit einem Newton’schen Bezugssystem arbeitete, fand er heraus, dass der absolute Raum vor uns verschleiert wird durch die Tatsache, dass unsere Beobachtungen auf Materie beruhen, die den Maxwell’schen Gleichungen genügt. Wir können das erkennen, wenn wir betrachten, wie ein Feld auf eine bewegte Ladung reagiert. Nur im Fall, dass die Geschwindigkeit v = 0 ist, ergibt sich für das Feld eine sphärische Symmetrie. Für jede Geschwindigkeit v>0 wird das Feld um den Gamma-faktor in Bewegungsrichtung gequetscht.

Gamma-faktor = Wurzel aus (1- v quadrat / c quadrat )

Gegeben dieses Verhalten eines elektromagnetischen Feldes ist es nicht schwer einzusehen, dass ein Festkörper, bestehend aus Atomen, deren geladene Kerne ebensolche Felder produzieren, bei Bewegung in gleicher Weise gequetscht werden. Die Elektronen, die den Kern umgeben und für die chemischen Bindungen, die einen solchen Festkörper zusammenhalten, werden ihre Orbits dem gequetschten Feld anpassen. Ihre Orbits werden um den genannten Gamma-Faktor gequetscht, und damit der gesamte Festkörper. Solange unsere Messgeräte als aus Festkörpern bestehen, werden wir stets Minkowski-Raum statt absoluten Raum feststellen.

Wenn wir die beiden unterschiedlichen Sichtweisen auf die spezielle Relativität vergleichen, dann unterscheiden sie sich im wesentlichen durch die unterschiedlichen Beziehungen zwischen Materie und Geometrie. Aus Einsteins Sicht lebt die Materie in der Geometrie und muss sich dementsprechend verhalten. Aus Lorentz Sicht wird Materie genutzt, um die Geometrie zu definieren. Einsteins Sicht führt zu einer kompletten Spaltung zwischen Materie und Geometrie. Diese Sichtweise wird dann auch auf die allgemeine Relativität übertragen.
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RoKo
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