Willkommen in Manus Zeitforum
InformationenAnmelden Registrieren

Erweiterte Suche

Kürzester Zeitraum

Thema erstellt von Zytegyst 
Beiträge: 200, Mitglied seit 16 Jahren
Hallo Stueps,


sehr schöner, origineller Gedankengang :)...

Es ist aber natürlich schwierig, sich Quantenvorgänge an makroskopischen Objekten bzw. Systemen anschaulich zu machen (s. z.B. Schrödingers Katze), da diese makroskopischen Systeme aufgrund der Dekohärenz (Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Dekoh%C3%A4renz; sowie sehr schöne Erläuterung auch in http://www.br-online.de/cgi-bin/ravi?v=alpha/centau...) sehr schnell durch Wechselwirkung mit ihrer Umgebung aus einem überlagerten Zustand in einen nicht-überlagerten Zustand übergehen und sich daher dann wieder "klassisch" statt quantenphysikalisch verhalten.

Aber im Grunde ist das natürlich richtig. Problematisch ist nur, dass man das betrachtete physikalische System sehr groß wählen muss - denn es darf außer mit dem Beobachter bzw. dem Messvorgang nicht mit irgendetwas anderem aus seiner Umgebung wechselwirken. D.h. für uns allerdings, dass sowohl der (stattgefundene oder verhinderte) Terroranschlag genauso wie auch alle beteiligten Agenten sowie sämtliche sonstigen Umstände gleichermaßen ein Teil dieses Systems sein müssen.

Das ist deshalb für einen Vergleich mit einem echten quantenphysikalischen (mikroskopischen) System problematisch, weil es aufgrund der Größe und Komplexität des makroskopischen Systems nicht einen einzigen verhinderten Terroranschlag gibt, sondern vier ähnliche, aber nicht vollkommen identische, verhinderte Terroranschläge. Wenn man zu einem Zeitpunkt "misst", ob ein Terroranschlag stattgefunden hat oder nicht, müsste man das am gesamten System messen. Ein Zustand des Systems, in dem der potentielle Attentäter durch einen Agenten gekillt wurde, ist aber mit Sicherheit ein anderer Zustand als einer, in dem der potentielle Attentäter sich aufgrund der unbesetzten Anti-Terror-Stelle in letzter Sekunde doch noch aus Gewissensgründen gegen einen Anschlag entschieden hat - und somit weiterlebt.

Man hat also eigentlich nicht eine einzige (d.h. identische) Wirkung (bzw. Ereignis), sondern vier verschiedene, die aus makroskopischer Sicht zumindest relativ determiniert aus ihren jeweiligen Gesamt-Ursachen hervorgehen.


Vielleicht ist es daher einfacher, sich das an einem "echten" quantenphysikalischen System zu veranschaulichen. Ich nehm mal wieder das Beispiel des "Zerfalls" eines freien Neutrons.

Stellen wir uns mal vor, wir würden irgendwie ein Quantenobjekt einfangen und von seiner Umgebung isolieren können. Wir würden allerdings dabei keine Messung oder Beobachtung vornehmen, sondern deshalb auch nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein Objekt einfangen. Weiter nehmen wir mal an, dass wir unsere Versuchsanordnung so aufbauen, dass unsere "Quantenfalle" nur von Protonen und Neutronen umgeben ist, nichts sonst - sich also auch nur Protonen oder Neutronen in die "Quantenfalle" verirren können.

Wenn wir dann irgendwann die "Quantenfalle" schließen - d.h. sie vollständig von ihrer Umwelt isolieren - können sich entweder gar keins, genau eins oder mehere Quantenobjekte in ihr verirrt haben - wir wissen es nicht. Und natürlich erst recht nicht, welche konkreten Quantenobjekte hineingelangt sind.

Angenommen, wir haben beim Schließen der "Falle" ein Proton (z.B. einen Wasserstoffkern) erwischt, so werden wir zu einem späteren Zeitpunkt t1 auch wieder ein Proton beobachten (...ich vermute mal, ein Proton kann sich nicht ohne äußere Einwirkung in z.B. ein Neutron umwandeln). Haben wir hingegen beim Einfangen zufällig ein freies Neutron von seiner Umgebung isoliert, so könnten wir zum Zeitpunkt t1 eines von vier verschiedenen Teilchen - Neutron, Proton, Elektron und Antineutrino - beobachten.

Nun stellen wir zum Zeitpunkt t1 tatsächlich eine Beobachtung bzw. Messung an und stellen fest, es befindet sich a) genau ein Objekt in der Falle und b) es handelt sich um ein Proton. Welche Ursache hatte dann dieses beobachtete Proton? Ein eingefangenes Proton (z.B. einen Wasserstoffkern) oder ein durch "Neutronenzerfall" umgewandeltes Neutron? Selbst wenn man alle (gleichzeitig messbaren) Eigenschaften des betrachteten Quantensystems misst, kann man rückwirkend die Ursache nicht mehr eindeutig bestimmen. Denn ein Proton ist ein Proton und unterscheidet sich durch nichts von sich selbst. Oder anders formuliert: ein durch Neutronenzerfall gebildetes Proton ist zum Zeitpunkt t1 identisch mit einem "echten" Proton.

Die Beobachtung legt also nicht mehr rückwirkend die Ursache fest (s. Kopenhagener Deutung), sondern es sind mehrere voneinander verschiedene Ursachen möglich, die jede für sich zum gleichen Ergebnis (bzw. Ereignis/Wirkung) geführt hätten. Man kann für die verschiedenen Ursachen höchstens noch Wahrscheinlichkeiten angeben, mit der sie eingetroffen hätten sein müssen, damit jetzt ein Proton beobachtet werden kann.

Zitat:
Da krieg ich echt nen Knoten im Gehirn....
Du versuchst ja auch (genau wie ich) Dir zuerst immer die schwierigsten Fälle zu veranschaulichen ;)...



beste Grüße,
parad0x
Signatur:
remember: 21 is just half of the truth...
[Gäste dürfen nur lesen]
avatar
Beiträge: 1.375, Mitglied seit 16 Jahren
Hallo Stueps,
Stueps schrieb in Beitrag Nr. 1139-18:
Ich lese deine Beiträge sehr gern, auch wenn ich oft nicht ganz durchblicke.
Am besten wie folgt vorgehen, wenn etwas unklar ist: Mit Zitat antworten und nur den Textabschnitt im Zitat belassen, der einer Erläuterung bedarf. Und dann die entsprechende Frage dazu stellen. Ich werde mich dann bemühen, dir den notwendigen Durchblick zu verschaffen, soweit mir das möglich ist. Was nicht einfach ist, denn nach einem Ausspruch des Physikers Richard Feynman hat noch niemand die Quantenmechanik verstanden. Wir als Laien schon gar nicht.
Zitat:
"Sollten die Vorgänge in quantenmechanischen Dimensionen wirklich akausal sein, muss die Frage erlaubt sein: Woher kommt denn dann die Kausalität (die mich noch niiieee im Stich gelassen hat)?"
Das ist eine sehr gute Frage und nicht leicht zu beantworten. Anders als in unserem Makrokosmos sind im Mikrokosmos nicht einzelne Ereignisse, sondern nur potentielle Möglichkeiten ihrer Verwirklichung kausal verbunden. Anders ausgedrückt: Die Wahrscheinlichkeiten der Ereignisse sind kausal miteinander verbunden. Entscheidend dafür ist die Größe des Planckschen Wirkungsquantums. Wenn diese Naturkonstante erheblich größer wäre als es ist, würde dich auch im Makro-Kosmos "die Kausalität in Stich lassen" (um es mal mit deinen Worten auszudrücken). Warum? Weil dann die Dekohärenzgeschwindigkeit viel kleiner wäre. Es würde viel länger dauern, bis die quantenmechanische Wellenfunktion zum unwiderruflichen Ereignis zusammengebrochen wäre. Das mit der Dekohärenz hat dir bereits Parad0x erklärt.

Max Planck, nach dem dieses Wirkungsquantum benannt ist, hat diese Naturkonstante mit der Lichtgeschwindigkeit und der Gravitationskonstante formelmäßig verknüpft. Ein Ergebnis dieser Verknüpfungen ist die Planck-Länge (etwa 1,6*10^-33 cm). Bei dieser Größe ist eine nicht-quantisierte Beschreibung der Raumzeit nicht mehr möglich. Die Autoren Blome und Zaun drücken die Verhältnisse auf Seite 102 ihres Buches [1] wie folgt aus, Zitat:

"Aus quantentheoretischer Sicht gibt es daher auch keine zeitlich durchgängig existierende objektive Welt. Streng genommen präjudiziert die Welt der Gegenwart nur eine Möglichkeit der Zukunft. Eine noch so genaue Kenntnis der Gegenwart reicht wegen der objektiven Unbestimmtheit, die der Quantenstruktur unserer Welt innewohnt, nicht aus, um das zukünftige Geschehen vorherzusagen, sondern eröffnet nur ein bestimmtes Feld von Möglichkeiten, für deren Realisierung sich bestimmte Wahrscheinlichkeiten angeben lassen."

Mit freundlichen Grüßen
Eugen Bauhof

[1] Hans-Joachim Blome und Harald Zaun
Der Urknall. Anfang und Zukunft des Universums.
München 2004, ISBN=3-406-50837-5

Signatur:
Der Kluge lernt aus allem und von jedem,
der Normale aus seinen Erfahrungen,
und der Dumme weiß alles besser.
Sokrates.
Beitrag zuletzt bearbeitet von Bauhof am 13.03.2008 um 14:22 Uhr.
[Gäste dürfen nur lesen]
avatar
Beiträge: 3.476, Mitglied seit 18 Jahren
Alles klar Bauhof, vielen Dank!
Demnach kann ich ja dann bei dem Gedanken bleiben, dass wir in der Quantenmechanik den Determinismus, nicht jedoch die Kausalität aufgeben müssen, oder?
Signatur:
Diese Welt gibt es nur, weil es Regeln gibt.
[Gäste dürfen nur lesen]
avatar
Beiträge: 1.375, Mitglied seit 16 Jahren
Hallo Stueps,
Stueps schrieb in Beitrag Nr. 1139-23:
Demnach kann ich ja dann bei dem Gedanken bleiben, dass wir in der Quantenmechanik den Determinismus, nicht jedoch die Kausalität aufgeben müssen, oder?
Ganz so einfach ist es leider nicht. Nicht die Ereignisse in der Quantenwelt sind kausal miteinander verbunden, sondern nur die Wahrscheinlichkeiten der Ereignisse sind kausal miteinander verbunden. Der quantenmechanische Indeterminismus bedeutet tatsächlich eine Kausalitäts-Verletzung in der Natur. Und zwar in dem Sinne, dass sich hinter der statistischen Welt, die beobachtet wird, keine 'wirkliche' Welt verbirgt, in der das Kausalgesetz gilt.

Man suchte hinter der statistisch beschreibbaren Quantenwelt eine 'wirkliche' Welt zu finden, die deterministisch beschreibbar ist. Diese Suche lief unter dem Thema "Verborgene Variable". Aber man fand diese fiktive deterministische Welt nicht. Diese Deutung der Quantentheorie durch verborgene Variable konnte experimentell widerlegt werden. John Archibald Wheeler und Max Tegmark [1] formulierten diesen Sachverhalt wie folgt, Zitat:

"Lässt sich die quantenphysikalische Zufälligkeit vielleicht durch irgendwelche unbekannten Größen innerhalb der Teilchen - so genannte verborgene Variable - klassisch erklären, das heißt auf deterministische Prozesse zurückführen? Wie der damals am europäischen Kernforschungszentrum Kern tätige Theoretiker John S. Bell zeigte, würden in diesem Fall gewisse Ensembles von Messwerten, die in höchst diffizilen Experimenten bestimmt werden könnten, unweigerlich den Vorhersagen der etablierten Quantentheorie widersprechen. Erst nach vielen Jahren wurden solche Versuche technisch durchführbar; sie schlossen die Existenz von (lokalen) verborgenen Variablen definitiv aus."

Mit freundlichen Grüßen
Eugen Bauhof

[1] John Archibald Wheeler und Max Tegmark
100 Jahre Quantentheorie.
Aufsatz in: Spektrum der Wissenschaft, April 2001
Signatur:
Der Kluge lernt aus allem und von jedem,
der Normale aus seinen Erfahrungen,
und der Dumme weiß alles besser.
Sokrates.
[Gäste dürfen nur lesen]
avatar
Beiträge: 1.375, Mitglied seit 16 Jahren
Hallo Parad0x,
Parad0x schrieb in Beitrag Nr. 1139-15:
Ich vermute aber, Max Born verstand "das Kausalitätsprinzip in seiner üblichen Fassung" im Rahmen seiner Zeit als streng deterministisch - und kritisierte daher eben diese (seine) zeitgenössische Interpretation (...nämlich dass alles ausschließlich nur dann kausal ist, wenn sämtliche Ursachen bekannt sind, d.h. wenn die Vereinigung aller dieser Einzel-Ursachen als (Gesamt-)Ursache selbst streng deterministisch genau eine einzige Wirkung hat).
Ich glaube nicht, dass Max Born das so formuliert hätte. Max Born spricht in seinem Buch [1] auf Seite 49 nicht nur vom Zusammenbruch des Determinismus, sondern auch vom Zusammenbruch der Kausalität, Zitat:

"Erinnern wir uns nun, dass gerade die genaue Kenntnis von Lage und Geschwindigkeit zu einem gegebenen Zeitpunkt nach der klassischen Mechanik nötig ist, um daraus die zukünftige Bewegung zu bestimmen. Die Quantengesetze stehen im Widerspruch zu dieser Voraussetzung und bedeuten damit den Zusammenbruch von Determinismus und Kausalität. Wir können es so ausdrücken, dass diese Idee [2] nicht gerade falsch ist, jedoch leer, denn die Prämisse ist niemals erfüllt." Zitat Ende.

Für den Kausalbegriff [3] gibt es einen übergeordneten allgemeineren Begriff, nämlich den Begriff der Wahrscheinlichkeit. Ein Spezialfall der Wahrscheinlichkeit ist die Notwendigkeit: Sie ist eine Wahrscheinlichkeit von 100%. Die Physik hat sich im Wandel zur Quantenmechanik in eine statistische Wissenschaft entwickelt, er der nicht nur mit Notwendigkeiten, sondern hauptsächlich mit Wahrscheinlichkeiten operiert wird, die kleiner als 100% sind.

Mit freundlichen Grüßen
Eugen Bauhof

[1] Max Born
Physik im Wandel meiner Zeit.
Braunschweig 1983, ISBN=3-528-08539-8
Antiquarisch bestellbar z.B. hier: http://www.zvab.com/SESSz56074895511205071347/gr2/d...

[2] Hier meint Max Born die Idee des Determinismus und der Kausalität.

[3] Kausalität wird in der Wissenschaftstheorie definiert als der 'wirkursächliche Zusammenhang von Ereignissen'. Und zwischen den quantalen Einzelereignissen ist kein wirkursächlicher Zusammenhang feststellbar.

Signatur:
Der Kluge lernt aus allem und von jedem,
der Normale aus seinen Erfahrungen,
und der Dumme weiß alles besser.
Sokrates.
Beitrag zuletzt bearbeitet von Bauhof am 17.03.2008 um 16:04 Uhr.
[Gäste dürfen nur lesen]
avatar
Beiträge: 1.052, Mitglied seit 18 Jahren
Zitat:
Was ist der kürzeste Zeitraum?

das Quantum Zeit
http://www.math.tu-cottbus.de/INSTITUT/lsam/CompPhy...

Gruß Real
Signatur:
All sind alle
[Gäste dürfen nur lesen]
In diesem Forum dürfen nur Mitglieder schreiben. Hier kannst du dich anmelden
Zum Seitenanfang Nach oben