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Thema erstellt von Vicky 
Beiträge: 1.177, Mitglied seit 18 Jahren
Zitat:
Ich wollte damit ausdrücken, dass in dem 2,7 Sekundenintervall das Jetzt konstruiert wird. Das heißt aber auch, das dies einer gewissen Dynamik unterliegt, denn Reize können wir nur als Veränderungen verarbeiten, so meine Annahme, was auch bedeutet, dass wir einen Vergleich brauchen, und das ist eben die vorher angesprochene Schablone, die wir 2,7 Sekunden lang verwenden, bevor sie komplett aktualisiert ist, und eben nicht mehr die Schablone, die wir vor 2,7 Sekunden verwendet haben...

Nein, diese etwa 3 Sekunden (kann je nach Mensch oder Gattung, irgendein Säugetier, variieren) wird in der Neurobiologie als die subjektive Gegenwart angenommen.

Dies hat mit einem "Jetzt" wie in der Physik, wo dieses "Jetzt" einfach nur ein Index ist rein gar nichts zu tun. Mit dem Jetzt wird einfach nur etwas ausgezeichnet, so ähnlich, als wenn ich auf die Frage hin "welche Zahl meinst du?" mit dem Finger irgendwohin auf eine Zahlengerade tippe.
Und auch bei normalen Sätzen ist dies der Fall. In Geschichten kann man zum Beispiel schreiben: "Erst jetzt erkannte er, dass er sich damals geirrt hatte."
Auch wenn in der Physik von Zeit die Rede ist, wird mit diesem Wort "Zeit" nicht der gleiche Begriff gemeint, wie in der Biologie oder Philosophie. Zeit ist hier meist eine reelle Variable und das Jetzt ist dann jeweils eine reelle Zahl.
Wenn ich dann frage, in welchem Zustand sich das System zu diesem Zeitpunkt befand, dann ist dies jeweils ein Jetzt.
Aber das sind doch alles Idealisierungen.


Den Unterschied zwischen einem Begriff und einem Wort kennen alle? Das Wort Schwein steht für den Begriff Schwein... dass dies nicht identisch ist, sieht man daran, das es auch in anderen Sprachen Wörter gibt, die den gleichen Begriff meinen.

Bei manchen Wörtern ergibt sich eben das Problem, dass mehrere Begriffe unter ein Wort fallen... und dass sich nur aus dem Kontext heraus erkennen lässt, welcher Begriff gemeint ist, wie bei der Zeit.


Ich weiß jetzt nicht genau, welche Vorstellungen du dir da gemacht hat, aber die etwa 3 Sekunden sind nicht so gemeint, dass man hier 3 Sekunden-Intervalle hintereinander reihen kann.

Man kann es sich eher als eine "anhaltende Gegenwart" denken, also viele "Jetzt" die Gleichzeitig da sind. Wie das Gehirn dies "macht" bzw. wie das Gehirn funktioniert ist nach wie vor unbekannt und auch etwas "seltsam", so wie das Bindungs-Problem, also die Tatsache, dass wir eine einheitliche Wahrnehmung haben, die Prozesse dazu im Gehirn aber an verschiedenen Stellen stattfinden und nicht irgendwo zusammengeführt werden.

Eine Melodie ist für das Ganze eine gute Metapher... eine Note erhält ihren Klang auch durch die Noten die vor ihr kamen und die nach ihr kamen... und jede Note in einem Musikstück kann man als den Mittelpunkt dieser 2,7-3 Sekunden betrachten. Dh. alle Noten, die etwa 1,5 Sekunden vor ihr und nach ihr gespielt werden, haben einen Einfluss auf ihren Klang.
Die Wahrnehmung einer Melodie hängt direkt mir dieser ausgedehnten Gegenwart zusammen.

Veränderungen im allgemeinen nehmen wir ja auch nur wahr, wenn sie innerhalb dieser Gegenwart geschehen. Zum Beispiel ist es fast unmöglich, die Bewegung des Mondes wahrzunehmen. Meist fällt einem aber auf, dass, wenn man etwa 10 Sekunden wegschaut, er sich doch ein Stück bewegt hat. Wenn man aber die ganze Zeit hinblickt, sieht man es nicht.

Und es gibt auch eine kleinste Zeitspanne für die bewusste Wahrnehmung, beim visuellen Sinn liegt sie bei etwa 40ms. Zumindest stellt man bei Experimenten fest: Wenn der Beobachter 20ms die Farbe gelb zu sehen bekommt und die nächsten 20ms blau, dann macht das Gehirn daraus eine Farbe, nämlich grün.

Na ja, es hat schon seine Gründe, warum manche Biologen zum radikalen Konstruktivismus neigen. Es gibt dann auch keinen Grund in Bezug auf die subjektive Gegenwart von einer Illusion zu reden. Wenn man dies nämlich tut, dann ist es auch eine Illusion, dass ich einen Beruf habe, irgendwo angestellt bin.

Man redet hier manchmal auch von "Sprachspielen". Man kann die Physik als eine Sprache auffassen, um über die Welt zu sprechen. Die Frage ist nun, ob man alle anderen Sprachspiele (die der Biologie, oder die der Psychologie und die des Alltages) in die Sprache der Physik übersetzen kann... und gerade das ist eher sehr fragwürdig.

Beitrag zuletzt bearbeitet von Andre am 04.09.2006 um 19:55 Uhr.
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Beiträge: 94, Mitglied seit 17 Jahren
Hallo Andre!

Hui, nun sah ich doch tatsächlich mein ganzes Gedanken Gebäude zusammenstürzen... aber nun bastel ich mir 's vielleicht einfach neu justiert zusammen:

Über die Bedeutung der drei Sekunden bin ich mir nun gar nicht mehr so im klaren. Heißt das nun, dass wie ich einen Ton wahrnehme vom davor und danach erklingenden abhängt? Oder heißt das, dass der Ton von den 5 vor ihm erklungenen Tönen und dem nachfolgenden abhängt?

Allerdings schein mir fraglich, das die Querschnittsbildung ausreicht. Was ist denn, wenn einem Ton keiner voraus ging, und keiner folgte? Klingt er dann anders als ein Ton , der innerhalb der 3 Sekunden in einer Folge zu hören war?
Und wie erklärt sich darau, das ich Jetzt einen einzelnen Ton hören kann.

Das Jetzt als Vorher-Nachher-querschnittsbildung finde ich aber ziemlich interessant. Gerade auch auf das 40-ms-Grün bezogen. Das Hirn geht also einfach davon aus, so schnell kann nicht seine Farbe wechseln, also Bilde ich einen Mittelwert.
Anderes Beispiel (?): 24 Bilder pro Sekunde, so schnell kann nichts den Ort wechseln, also bewegt sich das Objekt, die Bewegung als Durchschnittswert von zwei Orten.

Ein anderer Aspekt, die langsamen Veränderungen ob nun der Mond, oder wachsender Bambus. Da komme ich wieder zu meiner Schablone. Es wird nur verändert, wo auch eine Veränderung zu einem Anfangszustand festzustellen ist. Den Mond sehe ich ja trotzdem, und auch das Gras, es kann bloß kein Mittelwert gebildet werden.
Das Jetzt bleibt für mich ein Prozess, eine Konstruktion.

Ich unterliege hier womöglich einem fundamentalem Irrtum wenn ich annehme, das auf die ersten 2,7 Sekunden die nächsten 2,7 Sekunden folgen. Ich unterscheide Gegenwart und Jetzt nicht, vielleicht ist das der Fehler?

Zitat:
Mit dem Jetzt wird einfach nur etwas ausgezeichnet, so ähnlich, als wenn ich auf die Frage hin "welche Zahl meinst du?" mit dem Finger auf eine Zahlengerade tippe.

Das würde also bedeuten, Jetzt liegt innerhalb dieser 3 Sekunden. Gibt das nun dem Jetzt wieder die Punktgestalt?
Das würde aber auch Bedeuten, dass das Jetzt nur im Nachhinein als Jetzt bezeichnet werden könnte. Was ja an sich nicht verwunderlich ist. Aber das würde auch Bedeuten, dass man dem Jetzt als einzige Praktische Relevanz die Bewertung von Informationen zukommen lassen könnte, also den Prozess, der zur Bildung von Erinnerungen führt.

Wenn man aber das Jetzt als das Aktuelle ansieht wird man den Index, den Punkt aufgeben müssen.

Meine Herren, so langsam beginne ich mich im Kreis zu drehen.
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Beiträge: 1.177, Mitglied seit 18 Jahren
Zitat:
Was ist denn, wenn einem Ton keiner voraus ging, und keiner folgte? Klingt er dann anders als ein Ton , der innerhalb der 3 Sekunden in einer Folge zu hören war?

Ja, der klingt anders. Musik ist eine interessante Sache.

Zitat:
Und wie erklärt sich daraus, das ich Jetzt einen einzelnen Ton hören kann.

Wie meinst du das? Ein einzelner Ton ist eben eine bestimmte Schwingungsfrequenz. Aber diese Entsprechung gilt eben nicht mehr, wenn es sich nicht um einen einzelnen Ton, sondern um eine Melodie handelt.

Zitat:
Anderes Beispiel (?): 24 Bilder pro Sekunde, so schnell kann nichts den Ort wechseln, also bewegt sich das Objekt, die Bewegung als Durchschnittswert von zwei Orten.

Ja, stimmt schon... nur funktioniert das mit den 24 Bildern pro Sekunde nur mit einem kleinen Trick (falls dich das interessiert), den man "Motion Blur" nennt... d.h. bei Bewegungen ist das Objekt auf einem Einzelbild entsprechend seiner Bewegungsgeschwindigkeit verschwommen.

Deswegen wirken Computerspiele bei 24 Bilder pro Sekunde bei schnellen Bewegungen auch nicht flüssig, da hier jedes Einzelbild gestochen Scharf ist, außer es wird durch aufwendige Berechnungen wird dieser Trick künstlich erzeugt, der bei Kameras durch die Belichtungszeit automatisch auftritt... oder man liefert eben etwa 60 Bilder pro Sekunde.

Zitat:
Das würde also bedeuten, Jetzt liegt innerhalb dieser 3 Sekunden. Gibt das nun dem Jetzt wieder die Punktgestalt?

Na ja, in Bezug zum Beispiel auf die klassische Physik kann man fragen, in welchem Zustand sich das System zu einem Zeitpunkt befand... und da man hier für die Variable "t", also die Zeit die reellen Zahlen verwendet, ist dieses jetzt auch ohne Ausdehung... es ist nichts reales, so wie die klassische Physik auch nur eine Idealisierung ist.

Und im Alltag bedeutet das "Jetzt" wieder etwas anderes. Da musst du einfach selbst einmal schauen, wie du dieses Wort benutzt.

"Ich gehe jetzt einkaufen." - Bezeichnet das einen Zeitpunkt? Oder ist damit die gesamte Zeitdauer des Einkaufs gemeint?
Und es ist die Antwort auf eine Frage: "Was machst du jetzt?"

Man könnte das "jetzt" auch weglassen und einfach fragen: "Was machst du am 08.09.2006 um 16:46 Uhr und 12 Sekunden?" ;-)

Man kann das "Jetzt" in Sätzen also als eine Art Platzhalter benutzen, wenn eine Zeitangabe unwichtig ist.

Beitrag zuletzt bearbeitet von Andre am 08.09.2006 um 17:01 Uhr.
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Beiträge: 94, Mitglied seit 17 Jahren
Hallo Andre,

tja, nun ist die philosophische Dimension irgendwie futsch. Ich habe mich wohl etwas zu sehr auf den Menschen konzentriert. Ich meine, durch Messinstrumente und Aufnahmegeräte kann man ja zu einem Zeitpunkt gelangen.
Und an sich scheint uns ja ein Zeitpunkt auch plausibel, eben ein Zustand...

Das mit den Tönen habe ich mir vom absoluten Gehör her zusammengedacht, wenn es also einem Menschen möglich ist die Tonhöhe außer- und innerhalb einer Tonfolge genau zu bestimmen, so dachte ich mir, kann der Effekt den Du beschrieben hast nicht maßgebend für die Wahrnehmung eines Tones sein.

Aber gut, im Moment, also jetzt weiß ich gerade nicht, wo ich nun anknüpfen könnte, vielleicht ist alles gesagt?

Beitrag zuletzt bearbeitet von Kaimangadil am 23.09.2006 um 20:03 Uhr.
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