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Streben zur Entropie? Wirklich?

Thema erstellt von Chemo 
Beiträge: 362, Mitglied seit 17 Jahren
ich hoffe dieses Thema wurde nicht schon behandelt.

Natürlich ist mir bewusst, dass der Begriff "Entropie" ein ziemlich abstrakter Begriff ist, der sich kaum beschreiben oder festlegen lässt. Wie soll man begründen, dass die Tasse auf dem Tisch Ordnung und der Scherbenhaufen unter dem Tisch Unordnung ist.

Trotzdem möchte ich die, schon oft gehörte Behauptung anfechten, dass ein 'sich selbst überlassenens' System zur Entropie strebt. Wenn wir von einem System sprechen, dann natürlich von einem geschlossenen, das nicht von äußeren Faktoren beeinflusst wird.

Nehmen wir also ein Reagenzglas als System. Die Gewichtskraft betrachten wir als systemzugehörig und nicht als äußeren Einfluss. In dem Reagenzglas befinden sich zwei Flüssigkeiten, Wasser und Öl, die völlig chaotisch vermischt sind. Es herrscht ein hohes Maß an Entropie. Es setzt nun ein Prozess ein, in dem das schwere Wasser sich unten im Glas sammelt und das leichtere Öl eine Schicht über dem Wasser bildet. Im Folgenden trennen sich Öl und Wasser voneinander und das Wasser bildet eine Säule unten und das Öl eine Säule über dem Wasser. Die Entropie geht gegen Null. Das ist nur ein Beispiel füe ein natürliches Streben zur Ordnung.
Ein weiteres Beispiel ist jede chemische Reaktion innerhalb eines geschlossenen Systems: Es entwickelt sich immer ein ausgeglichenes Verhältnis zwichen Ausgangsstoffen und Reaktionsprodukten.

Wie kann man da noch von einem natürlichen Streben zur Entropie sprechen?
Signatur:
>Warum sollte der Mensch, im Rahmen seiner beschränkten evolutionären Entwicklung, geistige Fähigkeiten entwickelt haben, um komplexe temporale Paradoxien korrekt zu erfassen?
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Beiträge: 121, Mitglied seit 18 Jahren
hallo..

wenn wir die schwerkraft ausser acht lassen.. bleibt die spezifische dichte von wasser und öl übrig..
somit ist ist die dichte von wasser dominant.. soweit ich entropie verstehe ( oder verstanden haben sollte ),
ist dominanz unsymetrisch ,entspricht also nicht der entropie..

Beitrag zuletzt bearbeitet von Branworld am 12.07.2006 um 03:30 Uhr.
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Beiträge: 1.177, Mitglied seit 18 Jahren
Hallo chemo,

irgendwie kann ich dir da nicht folgen. Die Begriff der Entropie ist sehr genau definiert und zwar in der Sprache der Mathematik... siehe Statistik und Thermodynamik.

Und Entropie ist auch kein Maß für die subjektive Empfindung von Ordnung... daher kommt auch der Fehler in deiner Argumentation.

Zitat:
Die Gewichtskraft betrachten wir als systemzugehörig und nicht als äußeren Einfluss.

Na ja... du solltest das ganze schon in der Schwerelosigkeit ablaufen lassen... ;-) Wenn man die Gravitation beachtet, hat eine große homogene Gaswolke (die du sicher als sehr unordentlich empfinden wirst) eine niedrigere Entropie, als eine Gaswolke, die zu einem Stern mit Planeten, auf denen sich Leben befindet, kollabiert ist.

Das Sonnensystem ist natürlich nicht abgeschlossen... ebenso wie die gesamte Erde ein offenes System im Fließgleichgewicht ist.

Zitat:
Ein weiteres Beispiel ist jede chemische Reaktion innerhalb eines geschlossenen Systems: Es entwickelt sich immer ein ausgeglichenes Verhältnis zwichen Ausgangsstoffen und Reaktionsprodukten.

Ohne Energiezufuhr von Außen befinden sich solche Systeme sehr schnell in einem chemischen Gleichgewicht... im Falle der Erde wäre dies das Ende allen Lebens. Ordnung wird auf der Erde durch Entropieexport erreicht, d.h. die Entropie nimmt in einem größerem Gebiet des Weltalls zu und lokal, auf der Erde, ab.
Der gesamte Prozess wird durch die Sonne am laufen gehalten.
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Beiträge: 362, Mitglied seit 17 Jahren
Möglicherweise habe ich eine grundlegend falsche Vorstellung des Begriffs "Entropie".

Es wäre hilfreich, wenn mir jemand den Begriff (in diesem Zusammenhang!) erläutern oder mir eine verständliche Quelle nennen könnte.

Ursprünglich bezog sich mein Beitrag übrigens auf diesen Artikel: http://www.wasistzeit.de/wasistzeit/a5.htm


im übrigen glaube ich schon, dass ein abgeschlossenes System mit Schwerkraft legitim und repräsentativ ist, da Schwerkraft ein materie-immanentes phänomen ist. vielleicht sollte ich das beispiel modifizieren:
es wirkt keine schwerkraft in eine gleiche richtung auf die materie im system.
allerdings bietet die materie selbst nun die ordnungsbringende Schwerkraft: da sich die teilchen gegenseitig anziehen, werden sie nach physikalischen gesetzen eine kugel bilden (ähnlich einem stern, oder planeten) in der sich nun die schweren bestandteile im kern und die leichten bestandteile an der oberfläche voneinander abscheiden werden.
ein zustand der dem Begriff "Ordnung" näher kommt, als das chaotische gemisch zuvor.

aber wie gesagt, ist es möglich, dass ich ein völlig falsche vorstellung von entropie habe.
Signatur:
>Warum sollte der Mensch, im Rahmen seiner beschränkten evolutionären Entwicklung, geistige Fähigkeiten entwickelt haben, um komplexe temporale Paradoxien korrekt zu erfassen?
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Beiträge: 726, Mitglied seit 18 Jahren
Chemo schrieb in Beitrag Nr. 885-1:
ich hoffe dieses Thema wurde nicht schon behandelt.

Natürlich ist mir bewusst, dass der Begriff "Entropie" ein ziemlich abstrakter Begriff ist, der sich kaum beschreiben oder festlegen lässt. Wie soll man begründen, dass die Tasse auf dem Tisch Ordnung und der Scherbenhaufen unter dem Tisch Unordnung ist.

Die Gleichsetzung von Entropie und Ordnung ist mit Vorsicht zu genießen. Der wesentliche Punkt ist die Unterscheidung von Makrozuständen und Mikrozuständen. Makrozustände sind Beschreibungen, die mit wenigen, charakteristischen Größen auskommen. Mikrozustände beschreiben den Zustand des Systems vollständig. Grob gesagt:Je mehr Mikrozustände nun ein Makrozustand hat, desto größer ist seine Entropie (für mikrokanonische Ensemble, also abgeschlossene Systeme, im thermodynamischen Gleichgewicht ist diese grobe Beschreibung sogar exakt). Genauer muß man auch noch die Wahrscheinlichkeit der Mikrozustände betrachten (anschaulich: Zustände, deren Wahrscheinlichkeit sehr klein ist, tragen auch nicht allzu viel zur Entropie bei).

Im Beispiel mit der Tasse: Die betrachteten Makrozustände sind sehr grob (Tasse auf dem Tisch vs. Scherbenhaufen unter dem Tisch). In der Tat sollte man, um die Entropie zu vergleichen, besser noch ein paar zusätzliche Angaben machen (z.B. ist die Annahme sinnvoll, dass die Tasse auf dem Tisch und der Scherbenhaufen unter dem Tisch die gleiche Temperatur haben; ich schätze, eine Tasse mit der Temperatur von flüssigem Helium auf dem Tisch hat weniger Entropie als ein glühender Scherbenhaufen unter dem Tisch :-)

Ok, warum hat nun die Tasse weniger Entropie als der Scherbenhaufen? Nun, schauen wir mal, wieviele verschiedene Mikrozustände der Makrozustand "Tasse auf dem Tisch" hat. Die Tasse könnte z.B. links auf dem Tisch stehen, oder rechts, vorne oder hinten, sie könnte auch noch etwas gedreht sein, aber damit hat es sich schon (hinzu kommen natürlich die tatsächlich mikroskopischen Mikrozustände, aber die vernachlässige ich jetzt der Einfachkeit halber). Nun betrachten wir den Scherbenhaufen: Die Tasse kann auf Millionen verschiedene Arten in Scherben zersprungen sein (von "in zwei Hälften" bis "in tausende von kleinen Splittern", wobei die Größen und Formen der einzelnen Scherben sehr unterschiedlich sein können). Und jede Scherbe kann für sich genommen genauso viele Zustände einnehmen wie die ganze Tasse vorher. Somit ist klar, daß die Scherben mehr Entropie haben als die Tasse.

Zitat:
Trotzdem möchte ich die, schon oft gehörte Behauptung anfechten, dass ein 'sich selbst überlassenens' System zur Entropie strebt. Wenn wir von einem System sprechen, dann natürlich von einem geschlossenen, das nicht von äußeren Faktoren beeinflusst wird.

Nehmen wir also ein Reagenzglas als System. Die Gewichtskraft betrachten wir als systemzugehörig und nicht als äußeren Einfluss. In dem Reagenzglas befinden sich zwei Flüssigkeiten, Wasser und Öl, die völlig chaotisch vermischt sind. Es herrscht ein hohes Maß an Entropie. Es setzt nun ein Prozess ein, in dem das schwere Wasser sich unten im Glas sammelt und das leichtere Öl eine Schicht über dem Wasser bildet. Im Folgenden trennen sich Öl und Wasser voneinander und das Wasser bildet eine Säule unten und das Öl eine Säule über dem Wasser. Die Entropie geht gegen Null. Das ist nur ein Beispiel füe ein natürliches Streben zur Ordnung.

Die Entmischung findet deshalb statt, weil der entmischte Zustand energetisch günstiger ist. Das heißt, beim Entmischen wird Energie frei. Da es sich um ein abgeschlossenes System handelt, heizt diese Energie das Wasser/Öl auf und erhöht somit die Entropie, die in der ungeordneten Bewegung der einzelnen Moleküle innerhalb der Flüssigkeiten steckt. Dieser Entropiezuwachs ist höher, als der Entropieverlust durch die Entmischung.

Zitat:
Ein weiteres Beispiel ist jede chemische Reaktion innerhalb eines geschlossenen Systems: Es entwickelt sich immer ein ausgeglichenes Verhältnis zwichen Ausgangsstoffen und Reaktionsprodukten.
Genauer: Es bildet sich immer ein Verhältnis, das die Entropie maximiert. Wo das genau liegt, hängt von den genauen Bedingungen ab (z.B. wird bei einer Reaktion, bei denen die Produkte geringeres Volumen haben als die Ausgangsstoffe, das Verhältnis in Richtung der Produkte verschoben wenn man den Druck erhöht).

Zitat:
Wie kann man da noch von einem natürlichen Streben zur Entropie sprechen?
Indem man die gesamte Entropie betrachtet und nicht nur die Mischungsentropie.
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Beiträge: 362, Mitglied seit 17 Jahren
Zitat:
Ok, warum hat nun die Tasse weniger Entropie als der Scherbenhaufen? Nun, schauen wir mal, wieviele verschiedene Mikrozustände der Makrozustand "Tasse auf dem Tisch" hat. Die Tasse könnte z.B. links auf dem Tisch stehen, oder rechts, vorne oder hinten, sie könnte auch noch etwas gedreht sein, aber damit hat es sich schon (hinzu kommen natürlich die tatsächlich mikroskopischen Mikrozustände, aber die vernachlässige ich jetzt der Einfachkeit halber). Nun betrachten wir den Scherbenhaufen: Die Tasse kann auf Millionen verschiedene Arten in Scherben zersprungen sein (von "in zwei Hälften" bis "in tausende von kleinen Splittern", wobei die Größen und Formen der einzelnen Scherben sehr unterschiedlich sein können). Und jede Scherbe kann für sich genommen genauso viele Zustände einnehmen wie die ganze Tasse vorher. Somit ist klar, daß die Scherben mehr Entropie haben als die Tasse.
hmm, nehmen wir eine Gaswolke in einem unbegrenzten Vakuum. Würde die Gaswolke sich ungehindert in diesem Raum verbreiten, so könnte sie viel, viel mehr Mikrozustände annehmen (Form, Verteilung, Position der Teilchen) als bei dem was sie tatsächlich machen wird: sich aufgrund der wirkenden Gravitation zu einem kugelartigen Gashaufen zusamenknüllen.
ist hier nun die 'ganze Entropie' beachtet worden?

ich wäre froh über eine verständliche Definition von Entropie. Kann man sagen, Entropie ist der Grad der Menge der möglichen Zustände in denen sich das beobachtete System befinden kann?

MfG Chemo

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>Warum sollte der Mensch, im Rahmen seiner beschränkten evolutionären Entwicklung, geistige Fähigkeiten entwickelt haben, um komplexe temporale Paradoxien korrekt zu erfassen?
Beitrag zuletzt bearbeitet von Chemo am 14.07.2006 um 17:49 Uhr.
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Beiträge: 1.851, Mitglied seit 18 Jahren
Die für mich anschaulichste Definition der Entropie benutzt den Begriff der Wahrscheinlichkeit.
Ein sog. Makrozustand wird definiert durch Druck, Temperatur, Volumen und auch über seine Entropie.
Ein bestimmter Makrozustand kann durch n verschiedene sog. Mikrozustände (z.B. Arrangement seiner Moleküle) realisiert werden. Je größer n, umso wahrscheinlicher ist es, daß das System in den entsprechenden Makro-Zustand übergeht.

S = k ln P

S= Entropie; k = Boltzmann Konstante; P = Wahrscheinlichkeit des jeweiligen Zustandes; ln ist die Logarithmusfunktion.

Im Alonso Finn steht, was ich hier im Original wiedergebe:
Thus the Entropie of a system is proportional to the logarithm of the probability P of the partition correspondingto the state of the system.

Frage an timeout: Ist P nicht die Wahrscheinlichkeit des entsprechenden Makrozustandes?

Dann sagt der zweite Hauptsatz der Thermdynamik:

dS>=0

nichts anderes, als daß das System sich zu immer wahrscheinlicheren Zuständen hin bewegt. So betrachtet eigentlich eine Trivialität.

zara.t.
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Ja... und anschaulich darstellen kann man es wohl mit einem Buch.

Es gibt grob zwei Makrozustände beim Buch, einmal "Seiten angeordnet" und "Seiten ungeordnet"... je nach Anzahl der Seiten gibt es eine bestimmte Anzahl an möglichen Kombinationen, die Seiten anzuordnen... bei z.B. 1000 möglichen Kombinationen gibt es nur ein einzige, welche "Seiten angeordnet" realisiert und 999 Mikrozustände, welchen den anderen realisieren.

Es ist eben sehr viel wahrscheinlicher, dass man einen dieser 999 Zustände erwischt, wenn man die Seiten heraustrennt und hochwirft, als diesen einen. Mit jedem weiteren Wurft, werden sie mehr durchmischt.. irgendwann ergibt sich dann ein Gleichgewicht.
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Beiträge: 362, Mitglied seit 17 Jahren
damit definierst du Entropie aber doch wieder als subjektiven Eindruck von Unordnung, der einen als Ordnung festgelegten Zustand , in diesem Fall die bestimmte Anordnung der Seiten, gegenübersteht, oder nicht?
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>Warum sollte der Mensch, im Rahmen seiner beschränkten evolutionären Entwicklung, geistige Fähigkeiten entwickelt haben, um komplexe temporale Paradoxien korrekt zu erfassen?
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Beiträge: 1.851, Mitglied seit 18 Jahren
Ein Zustand höherer Entropie (also ein wahrscheinlicherer Zustand) erscheint uns meist ungeordneter als ein Zustand niederer Entropie. Aber diese Anschaulichkeit ist nicht immer gegeben und wie Chemos Beispiel zeigt manchmal sogar irreführend.
Korrekt ist die Formel: S = k ln P (siehe oben)

Beitrag zuletzt bearbeitet von Zara.t. am 19.07.2006 um 09:11 Uhr.
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