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Wie aus Platonischen Ideen (sämtliche) anfassbare Materie wird

Thema erstellt von Grtgrt 
Beiträge: 2.307, Mitglied seit 13 Jahren
Stueps schrieb in Beitrag Nr. 1924-59:
Grtgrt schrieb in Beitrag Nr. 1924-58:
Wie ich schon in 1924-38 sagte: Das Bemerkenswerte an Platon war, dass er als erster unterschieden hat zwischen dem (vollkommenen) Idealbild eines Dings und dem (meist eben keineswegs mehr vollkommenen) Ding selbst.


Hallo Gebhard,

und hier interveniere ich. Es gibt absolut keinen logischen, oder sonstwie für uns ersichtlichen, ja sogar überprüfbaren Grund, zwischen einem Idealbild eines Dinges und dem Ding selbst zu unterscheiden. Das Ding kann dem Idealbild des Dinges vollkommen entsprechen, ja, muss es sogar:
Denn nach der Logik wäre eine Nichtvollkommenheit ein Umweg, und zwar ein absolut unnötiger, ja sogar ein nicht erklärbarer! -(Und deshalb nach den Regeln der Logik ein verbotener.)

Alles andere macht für mich jedenfalls momentan wenig Sinn.

Vielleicht auf den Punkt gebracht: Ein Kreis entspricht vollkommen der Idee eines Kreises. Alles andere zusätzlich anzunehmen, ist mit Logik nicht vereinbar. Wenn wir keinen perfekten Kreis zeichnen können, oder wenn es ihn in unserer Natur nicht gibt:

Es wäre jedem gelungen, der es versucht hat. Wenn er nicht gestört worden wäre.

Hi, Stueps!

Ich könnte dir soweit zustimmen, du solltest aber nicht vergessen, dass der Grund für Platons Vorstellung war, wie wir zu einer Erkenntnis dessen kommen, was ein Kreis ist. Der Kreis ist deshalb nicht das beste Beispiel, weil ein Kreis halt rund ist, und wir nur bei genauer Betrachtung sehen, dass kein Kreis, den wir entwerfen, tatsächlich vollkommen rund ist (zumal es in der Natur überhaupt kein Kreise gibt). Jetzt könnte man sagen, egal, auch wenn der Kreis nur annähernd rund ist, ist es ein Kreis - aber genau das ist der springende Punkt: Wie können wir erkennen, dass Objekte, die immer nur annähernd gleich sind, zu einer Klasse von Objekten gehören? Woran erkennen wir, das ein Nackthund ebenso ein Hund ist, wie ein Bernhardiner? Das ist eine hochmoderne Frage, weil sie nämlich immer noch nicht eindeutig geklärt ist. Und Platon erklärte sie damit, dass es für jedes Objekt, das wir mit unseren Sinnen erfassen, ein Urbild (eine Idee) gibt, dass uns durch unsere Erkenntnisfähigkeit zugänglich ist. Diese Urbild ist ewig und unvergänglich. Wir kennen quasi das Urbild und nehmen darauf Bezug und können nur auf diese Weise einen Hund der Klasse Hund zuordnen.

Nachtrag, warum der Kreis ein nicht so gutes Beispiel ist: Es ging Platon in erster Linie um Objekte, die wir mit unseren Sinnen wahrnehmen, wie eben z. B. einen Stein, ein Pferd usw., und nicht in erster Linie um Kreise in mathematischem Sinne.
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Beitrag zuletzt bearbeitet von Henry am 19.10.2012 um 09:35 Uhr.
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Hi Stueps,

dem, was Henry in Beitrag 1924-61 sagt, stimme ich voll zu (habe es bisher nur nicht derart treffend ausdrücken können).

Beste Grüße,
grtgrt
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Beiträge: 2.307, Mitglied seit 13 Jahren
Grtgrt schrieb in Beitrag Nr. 1924-58:
 
Hallo Henry,

diesen Artikel in Wikipedia hatte ich schon auch gelesen. Er scheint mir aber nicht so ganz richtig (soweit das jemand sagen darf, der — wie ich — das Original in Griechisch nicht lesen kann).

Richtig scheint mir davon auf jeden Fall:

Zitat von Wikipedia:
 
Die platonische Idee ist − im Unterschied zum modernen Begriff "Idee" ... kein Einfall oder Gedanke. Platon geht davon aus, dass die Welt, wie sie vom Menschen sinnlich wahrgenommen wird, einem sinnlicher Wahrnehmung entzogenen, aber realen und eigenständig existierenden Reich der Ideen nachgeordnet ist, welches nur auf geistigem Weg erkannt werden kann.


Nicht richtig aber scheint mir, was in jenem Zitat an der Stelle mit den 3 Pünktchen steht: dass nämlich Platons Ideen kein mentales Erzeugnis seien. Selbst wenn er selbst das so gesehen haben sollte (was ich nicht ausschließen möchte), wissen wir heute, dass dem NICHT so ist.

Wie ich schon in 1924-38 sagte: Das Bemerkenswerte an Platon war, dass er als erster unterschieden hat zwischen dem (vollkommenen) Idealbild eines Dings und dem (meist eben keineswegs mehr vollkommenen) Ding selbst.

In der heutigen Sprache der Informatik bedeutet das: Er hat unterschieden zwischen dem Konzept (dem Typ eines Dings) und dessen Implementierungen, die dann das Ding selbst in verschiedenen Instanzen darstellen.

Auf jeden Fall gilt:
  • Wer heute vor allem Details seiner Auffassung betont, die sich durch neuere Erkenntnisse überholt haben, ist auf dem falschen Dampfer (wenn er nicht gerade Historiker sein sollte).
  • Wichtig ist zu betonen, was Platon richtig sah, dass das was ganz Wesentliches darstellt (von ihm also eine große Leistung war), und dass es deswegen durchaus angebracht ist, seinen Namen in diesem Zusammenhang weiter zu verwenden.

Beste Grüße,
grtgrt
 

Guten Morgen, Gebhard!

Du hast nicht verstanden, worum es geht, und zwar geht es um den Unterschied dessen, was wir Heute unter „Idee“ verstehen und dem, was Platon darunter verstand.

Es geht NICHT darum, dass „Idee“ nach Platon kein „mentales Erzeugnis“ sei. Das wäre auch völliger Unsinn, denn nach Platon haben wir einzig und allein „mental“, also auf Grund unseres Geistes, Zugriff auf die „Idee“.

Selbst, wenn es so wäre, das Platon die Idee nicht als mentales Erzeugnis sähe, kann es bei der Beurteilung dessen, was er unter seiner Ideenlehre verstand, nicht darum gehen, was wir heute unter Platonismus verstehen (jedenfalls, soweit er sich von Platon entfernt hat).


Es gibt eine Beurteilung der Ideenlehre aus der Sicht des damaligen Wissensstandes

Es gibt eine Beurteilung der Ideenlehre aus der Sicht des heutigen Wissensstandes.

Und es gibt eine reine Darstellung dessen, was die Ideenlehre ohne jede Beurteilung ist. Und das habe ich getan, als ich schrieb, dass zum platonischen Verständnis die Vorstellung gehört, dass das Urbild realer ist als das sinnlich wahrgenommene Objekt.

Wenn ich mich auf Platon berufe, so habe ich SEINE Sicht der Dinge zu sehen; wenn ich mich auf Platonismus aus heutiger Sicht berufe, so habe ich das korrekter Weise auch zu erwähnen.

Dazu gehört auch, dass es nicht richtig ist, Platon habe den Unterschied zwischen einem vollkommenen Ideal und dem Ding selbst gesehen, sondern er hat den Unterschied zwischen Objekten gleicher Art auf die real Existenz eines Urbildes zurückgeführt. Auch nicht richtig ist, dass die Unterscheidung „wesentlich“ sei, sondern richtig ist, dass das Urbild das eigentliche Wesen eines Dinges ist.

Was ist denn nun ein Pferd ohne unsere Implementierungen? Was ist das Wesen (Urbild, Idee) eines Pferdes? Was ist ein vollkommenes Pferd in diesem Sinne?
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Hilbert Raum schrieb in Beitrag Nr. 1924-60:
 
Zu sagen, dass eine W-Welle geistig ist (ja, was denn sonst, "alien???"), ist trivial. Das steckt kein Inhalt hinter.

Und: "Geistiges: weder Materie, noch Energie."
Ja selbstverständlich, das sind Zustände der Materie (resp. Energie).

Hallo Hilbert,

dein Standpunkt (soweit er sich im ersten Statement und deinen früheren widerspiegelt) scheint mir widersprüchlich: Einerseits stört es dich, wenn ich Begriffe wie "Geist" und "rein Geistiges" benutze, andererseits sagt du jetzt, das sei ja trivial. Ob man etwas als trivial (= natürlich richtig) oder als nackten Unsinn bezeichnet, ist ein großer Unterschied.

Das mal vorweg gesagt und nicht weiter betrachtet, lass' mich jetzt bitte erklären, warum ich glaube, dass dein rein mechanistisches Weltbild zu kurz greift:


Wir müssen uns dazu überlegen, wie sich der Begriff "Information" denn nun eigentlich charakterisiert.

Dein PC, vor dem du eben jetzt sitzt, hat eine Festplatte. Auf der — so denkst du — sei Information gespeichert. Aber stimmt das wirklich?

Tatsächlich verhält sich die Sache so:
  • Die Oberfläche deiner Festplatte gliedert sich in Kreisringe, deren jeder sich seinerseits gliedert in kleine Abschnitte, deren jeder als ein kleiner Magnet aufgefasst werden kann, der sich in zwei verschiedenen Richtungen ausrichten lässt: Die eine interpretiert man als 1, die andere interpretiert man als 0.
  • Irgendwann wirst du deine Festplatte wegwerfen. Nimm mal an, du hast sie vorher nicht gelöscht und so etwa 2500 n.Chr. findet sie jemand. Aus irgend einem Grund, so lass uns weiter annehmen, sei sie noch ebenso magnetisiert, wie sie war, als du diese Platte zum letzten Mal beschrieben hattest.
  • Der Finder wird fast sicher noch merken, dass, was er da fand, eine sehr lange Folge von Bits darstellt.
  • Er wird aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr erkennen, welcher Code (sprich: mit welchem Betriebssystem aus ferner Vergangenheit) diese Bitfolge erzeugt wurde. Mit anderen Worten: Die Bitfolge wird für ihn keinerlei Information mehr darstellen, da er ja nicht weiß, nach welcher Regel das Gerät, das sie schrieb, damals Information kodiert hat.

Konsequenz daraus:

Eine Darstellung D von Information ist noch lange nicht jene Information selbst.

Erst wer die zur Herstellung von D genutzte Kodierungsregel R kennt, hat im Paar (D,R) Information vorliegen.



Auf unseren Fall angewandt bedeutet das:
  • Die Wellenfunktion ist mit D vergleichbar — wir kennen weder den Mechanismus, der D erstellt, noch die Regel R, die uns sagen würde, was D eigentlich genau kodiert. Nur Beobachtungen lassen uns vermuten, dass es sich hierbei um Wahrscheinlichkeiten handelt, die sagen, wo ein Quantum sich zeigen wird, wenn wir versuchen, es zu beobachten.
  • Die Natur selbst aber kennt mehr als nur D: Sie kennt das Paar (D,R). Wie sie — als Rechenmaschine — es nutzt, um D stets so anzupassen, dass es zu keinem Zeitpunkt zu einem Widerspruch zwischen der Wellenfunktion einerseits und dem Pauli-Prinzip andererseits kommt, wissen wir nicht.

Nun: Wie ich in Beitrag 1927-28 schon sagte: Als » Geist « bezeichne ich eben diese, uns noch völlig unbekannte Rechenmaschine.

Würdest du mir wenigstens dahingehend recht geben, dass sie doch eigentlich existieren müsste?

Wer sonst würde R kennen? Dein "Zustand der Materie" ist ja schließlich nur D.


Man könnte jetzt auf die Idee kommen zu sagen: R ist Information und kann somit ebenfalls im "Zustand der Materie" kodiert sein. Das würde aber zur Folge haben, dass auch diese Kodierung einer Regel und einer sie durchführenden Rechenmaschine bedürfte.

Wie also verträgt sich all das mit deinem Weltbild?


Gruß,
grtgrt
 
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Henry schrieb in Beitrag Nr. 1924-56:
Ausnahmsweise mal ein Zitat, Wikipedia: "Ideen als transzendente Objekte

Die platonische Idee ist − im Unterschied zum modernen Begriff „Idee“ − kein mentales Erzeugnis, ...

Henry schrieb in Beitrag Nr. 1924-63:
Es geht NICHT darum, dass „Idee“ nach Platon kein „mentales Erzeugnis“ sei. Das wäre auch völliger Unsinn, denn ...

Hi Henry,

was du mir wohl sagen willst, scheint zu sein:

Die "Idee" nach Platon
  • ist kein mentales Erzeugnis in dem Sinne, dass es sie nicht gab, bevor ein Mensch sie als erster gedacht hat.
  • Sie ist etwas, das ohne uns existiert, zu dem wir aber nur mentalen Zugang haben.

Ist das so richtig ausgedrückt?

grtgrt
 
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Grtgrt schrieb in Beitrag Nr. 1924-65:
 
Henry schrieb in Beitrag Nr. 1924-56:
Ausnahmsweise mal ein Zitat, Wikipedia: "Ideen als transzendente Objekte

Die platonische Idee ist − im Unterschied zum modernen Begriff „Idee“ − kein mentales Erzeugnis, ...

Henry schrieb in Beitrag Nr. 1924-63:
Es geht NICHT darum, dass „Idee“ nach Platon kein „mentales Erzeugnis“ sei. Das wäre auch völliger Unsinn, denn ...

Hi Henry,

was du mir wohl sagen willst, scheint zu sein:

Die "Idee" nach Platon
  • ist kein mentales Erzeugnis in dem Sinne, dass es sie nicht gab, bevor ein Mensch sie als erster gedacht hat.
  • Sie ist etwas, das ohne uns existiert, zu dem wir aber nur mentalen Zugang haben.

Ist das so richtig ausgedrückt?

grtgrt
 

Ja, ist es! Aber bitte, nicht ich sage das, sondern Platon!
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Henry schrieb in Beitrag Nr. 1924-66:
Grtgrt schrieb in Beitrag Nr. 1924-65:
 

Die "Idee" nach Platon
  • ist kein mentales Erzeugnis in dem Sinne, dass es sie nicht gab, bevor ein Mensch sie als erster gedacht hat.
  • Sie ist etwas, das ohne uns existiert, zu dem wir aber nur mentalen Zugang haben.

Ist das so richtig ausgedrückt?

grtgrt
 

Ja, ist es! Aber bitte, nicht ich sage das, sondern Platon!

Schön, Henry,

dann sind also alle mathematischen Gesetzmäßigkeiten (z.B. die Kreiszahl π als Verhältnis von Kreisumfang zu Kreisdurchmesser, oder auch die Gestzmäßigkeit, die nach dem Satz von Phytagoras für die Längenverhältnisse der Seiten eines rechtwinkeligen Dreiecks gilt), Ideen im Sinne Platons.

Würdest du auch dazu noch JA sagen?

grtgrt
 
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Zitat von Gebhard:
Grtgrt schrieb in Beitrag Nr. 1924-67:

Ja, ist es! Aber bitte, nicht ich sage das, sondern Platon!

Schön, Henry,

dann sind also alle mathematischen Gesetzmäßigkeiten (z.B. die Kreiszahl π als Verhältnis von Kreisumfang zu Kreisdurchmesser, oder auch die Gestzmäßigkeit, die nach dem Satz von Phytagoras für die Längenverhältnisse der Seiten eines rechtwinkeligen Dreiecks gilt), Ideen im Sinne Platons.

Würdest du auch dazu noch JA sagen?

grtgrt
 


Nein, würde ich nicht! ICH bin kein Platoniker! Aber gut, die mathematischen Gesetzmäßigkeiten, wie wir sie kennen, wären nur Abbilder von "Ideen", was aber sind sie, wenn alle unsere Implementierungen abstrahiert würden? Was ist das Wesen der Kreiszahl pi?
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Beitrag zuletzt bearbeitet von Henry am 19.10.2012 um 15:13 Uhr.
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Henry schrieb in Beitrag Nr. 1924-68:
 
Nein, würde ich nicht! ICH bin kein Platoniker!

Aber gut, die mathematischen Gesetzmäßigkeiten, wie wir sie kennen, wären nur Abbilder von "Ideen", was aber sind sie, wenn alle unsere Implementierungen abstrahiert würden? Was ist das Wesen der Kreiszahl pi?

Gut Henry, ich weiß jetzt also:

Du hast ein andere Verständnis von "Dingen", "Ideen" und ihrem Verhältnis zueinander als Platon.
Aber welches denn nun genau? Worin genau bist du seiner Meinung, und worin genau bist du anderer Meinung?


Und hier meine Antwort auf die Fragen, die du mir im zweiten Teil stellst:

Das Besondere an "Dingen" und "Ideen" mathematischer Art ist, dass hier — und NUR hier — beide Begriffe zusammenfallen: Jede mathematische "Idee" ist einzige Implementierung dieser Idee, da in der realen Welt absolute Präzision nicht erreichbar ist (denk an Heisenbergs Unschärfe-Relation). Es ist daher insbesondere nicht möglich, mathematische "Ideen" abstrakter zu machen, als sie jeweils selbst schon sind.

Insofern, so könnte man sagen, ist die Welt mathematischer Gesetze eine ganz besonders einfache.

Der Anspruch eines mathematischen Gesetzes (der mit Teil seines Wesens ist), besteht u.A. darin, absolut genau zu sein. Eben das schließt aus, dass eine mathematische "Idee" Implementierungen hat, die mit der Idee selbst nicht identisch sind.

Bei Pferden ist das genau umgekehrt (bis hin zu dem Punkt, dass es das Pferd als "reine Idee" wohl gar nicht gibt). Es gibt nur Approximationen einer solchen Idee, aber — so würden Mathematiker sagen — keinen Häufungspunkt in der Menge all dieser Approximationen.


Das Wesen der Kreiszahl π ist, ein bestimmtes Längenverhältnis zu sein.

Gruß,
grtgrt
 
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Henry schrieb in Beitrag Nr. 1924-68:
 
ICH bin kein Platoniker! Aber gut, die mathematischen Gesetzmäßigkeiten, wie wir sie kennen, wären nur Abbilder von "Ideen", ...

Hi Henry,

meine Meinung, dass mathematische Gesetzmäßigkeiten nicht Abbilder von "Ideen" (im Sinne Platons) sind, sondern vielmehr die "Ideen" selbst, sehe ich bestätigt, durch eine Aussage von Nora Leuschner. In ihrer Charakterisierung von Platons Ideen-Lehre sagt sie:

Zitat:
 
Die Ideen sind ewig, unteilbar und unveränderlich und existieren unabhängig von wahrnehmbaren Dingen. Also wird die Urform des Pferdes auch dann bestehen, wenn das Pferd tot ist. Die Ideen entstehen also weder, noch vergehen sie, und deshalb kommt ihnen Wahrheit zu. Also existieren laut Platon auch allgemeingültige Aussagen, zum Beispiel mathematische Aussagen: Die Winkelsumme im Dreieck wird immer 180 Grad betragen.

Gruß, grtgrt
 
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Grtgrt schrieb in Beitrag Nr. 1924-70:
Die Ideen sind ewig, unteilbar und unveränderlich und existieren unabhängig von wahrnehmbaren Dingen. Also wird die Urform des Pferdes auch dann bestehen, wenn das Pferd tot ist. Die Ideen entstehen also weder, noch vergehen sie, und deshalb kommt ihnen Wahrheit zu. Also existieren laut Platon auch allgemeingültige Aussagen, zum Beispiel mathematische Aussagen: Die Winkelsumme im Dreieck wird immer 180 Grad betragen.

Kann ich garnicht damit anfangen, da hier die Rede über die ewige Ideen, die vergessen, bzw. als falsch herausgestellt werden, über die unveränderliche Ideen, die sich immer weiter entwickeln (=verändern). Vor allem aber wird in ein Topf geworfen geistige Erzeugnisse (matehmatische Sätze) mit der s. g. Materie, die wir durch unsere (auch durch Meßgeräte erweiterte) Sinne wahrnehmen. Aber auch Materie ist nicht ewig und unveränderlich. Statt an Platon-Ideen zu klammern, guckst Drei-Welten-Lehre (Karl Popper). Da kann man schon mehr anfangen, da man unterscheidet sinnliche Wahrnehmung (das Subjektive), die unabhängige Realität (Materie) und die geistige Erzeugnisse, die zwar auch zum Leben durch das mentale Erlebnis (das Denken) "zum Leben" erweckt werden, dennoch ist es gemeinschaftliches Gut. In dem Sinne sind diese geistige Erzeugnisse mit Objektivität behaftet.
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Grtgrt schrieb in Beitrag Nr. 1924-70:
Nora Leuschner schreibt:
"Die Ideen sind ewig, unteilbar und unveränderlich und existieren unabhängig von wahrnehmbaren Dingen. Also wird die Urform des Pferdes auch dann bestehen, wenn das Pferd tot ist. Die Ideen entstehen also weder, noch vergehen sie, und deshalb kommt ihnen Wahrheit zu. Also existieren laut Platon auch allgemeingültige Aussagen, zum Beispiel mathematische Aussagen: Die Winkelsumme im Dreieck wird immer 180 Grad betragen."

Hallo Grtgrt,

die Winkelsumme im Dreieck ist nur deshalb 180°, weil wir einen rechten Winkel willkürlich mit 90° bezeichnen. Würden wir ihn mit 100° Grad bezeichnen, wäre die Winkelsumme im Dreieck 200°. Dies liegt daran, dass wir ein Objekt, genannt Rechteck, mit vier innenliegenden Winkeln konstruieren. Die Summe dieser Winkel ist auf der Grundlage unserer Konstruktion und der Bezeichnung eines rechten Winkels mit 100° dann 400°. Wenn wir dieses Rechteck diagonal halbieren, erhalten wir zwei Dreiecke mit einer Winkelsumme von jeweils 200°. Eine Verschiebung des Rechtecks zu einem Parallelogramm ändert an diesen Gegebenheiten nichts.

Die Winkelsumme im Dreieck beträgt nur deshalb 180°, weil wir das Objekt so konstruiert haben und den rechten Winkel mit 90° bezeichnet haben.

MfG
Harti
Signatur:
Wichtig ist, dass man nicht aufhört zu fragen. A.E.
Beitrag zuletzt bearbeitet von Harti am 20.10.2012 um 10:29 Uhr.
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Harti schrieb in Beitrag Nr. 1924-72:
 
die Winkelsumme im Dreieck ist nur deshalb 180°, weil wir einen rechten Winkel willkürlich mit 90° bezeichnen.

Hi Harti,

Platons "Idee" als Urbild und Essenz dessen, was sich dann in konkreten Instanzen zeigt, hat nichts mit einer spezifischen Formulierung in einer konkreten Sprache zu tun.

Wir aber beziehen uns auf eine ganz bestimmte sprachliche Regelung, wenn wir sagen "Die Winkelsumme im Dreieck ist 180°" (und müssen das tun, da wir sonst keine Möglichkeit hätten, Ideen aus dem Kopf einer Person in den Kopf einer anderen zu bringen).

Die jeweils gewählte Sprachregelung ist so eine Art "Tüte", in der man die "Idee" transportiert. Als solche aber kann sie keinerlei Einfluss auf die Qualität der "Idee" haben.

Gruß, grtgrt
 
Beitrag zuletzt bearbeitet von Grtgrt am 20.10.2012 um 13:56 Uhr.
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Grtgrt schrieb in Beitrag Nr. 1924-70:
Henry schrieb in Beitrag Nr. 1924-68:
 
ICH bin kein Platoniker! Aber gut, die mathematischen Gesetzmäßigkeiten, wie wir sie kennen, wären nur Abbilder von "Ideen", ...

Hi Henry,

meine Meinung, dass mathematische Gesetzmäßigkeiten nicht Abbilder von "Ideen" (im Sinne Platons) sind, sondern vielmehr die "Ideen" selbst, sehe ich bestätigt, durch eine Aussage von Nora Leuschner. In ihrer Charakterisierung von Platons Ideen-Lehre sagt sie:

Zitat:
 
Die Ideen sind ewig, unteilbar und unveränderlich und existieren unabhängig von wahrnehmbaren Dingen. Also wird die Urform des Pferdes auch dann bestehen, wenn das Pferd tot ist. Die Ideen entstehen also weder, noch vergehen sie, und deshalb kommt ihnen Wahrheit zu. Also existieren laut Platon auch allgemeingültige Aussagen, zum Beispiel mathematische Aussagen: Die Winkelsumme im Dreieck wird immer 180 Grad betragen.

Gruß, grtgrt
 

Hi, Gebhard!

Nur kurz:

Die Ideen entsprechen nur deshalb deiner Vorstellung von mathematischen Gesetzmäßigkeiten, weil DU sie so definierst. Das Zitat nach Frau Leuschner ist also kein Beweis.

Was die 180 Grad angeht, so ist der Einwand von Harti nicht richtig und deine Behauptung gilt nur in der euklidischen Geometrie und ansonsten nur lokal, denn auf der Erdkugel z. B. ist die Summe der Winkel keineswegs 180 Grad, sondern größer. Ein rechter Winkel, Harti, ist IMMER ein rechter Winkel, auch wenn er z. B. in Gon angegeben wird. Nur die Einteilung in 360 Grad bezogen auf den Vollkreis ist willkürlich, es können auch 400 Grad in Gon sein oder 975 Grad in meiner Sekt-Einteilung ( die gerade erfunden habe). Entscheiden ist die Beziehung von Radius und Umfang zueinander, und die ist immer gleich (aber Abhängig von der gewählten Geometrie)

Bis denn
Signatur:
Herr Oberlehrer

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(Donald Duck)
Beitrag zuletzt bearbeitet von Henry am 20.10.2012 um 16:59 Uhr.
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Henry schrieb in Beitrag Nr. 1924-74:
Die Ideen entsprechen nur deshalb deiner Vorstellung von mathematischen Gesetzmäßigkeiten, weil DU sie so definierst.

Nein, Henry, ich definiere da gar nichts. Vielmehr gilt:

Mathematische Gesetzmäßigkeiten sind "Ideen" im Sinne Platons, da sie all seine Kriterien dafür erfüllen:


Zitat von Nora Leuschner:
 
Über das Reich der Ideen kann man sicheres Wissen erlangen, allerdings nur, wenn man die Vernunft benutzt. Die Ideenwelt läßt sich also nur mit dem Verstand, nicht aber mit den Sinnen erkennen. Die Ideen sind ewig, unteilbar und unveränderlich und existieren unabhängig von wahrnehmbaren Dingen.
 

 
Beitrag zuletzt bearbeitet von Grtgrt am 20.10.2012 um 23:28 Uhr.
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Henry schrieb in Beitrag Nr. 1924-74:
 
Was die 180 Grad angeht, ... deine Behauptung gilt nur in der euklidischen Geometrie und ansonsten nur lokal, denn auf der Erdkugel z. B. ist die Summe der Winkel keineswegs 180 Grad, sondern größer.


Guten Morgen, Henry,

wie ich in Beitrag 1924-61 zu erklären versucht habe, ist jede Formulierung einer Idee einer Tüte vergleichbar, in der die Idee transportiert wird. Als Formulierung ist diese Tüte eine Kodierung, die so beschaffen sein muss (aber leider nicht immer ist), dass der Empfänger sie korrekt dekodiert — der Tüte also genau das entnimmt, was der Sender dort reingesteckt hat.

Dazu allerdings muss der Sender beim Empfänger bestimmtes Vorwissen als gegeben annehmen.

Im Beispiel der Aussage

"Die Winkelsumme im Dreieck wird immer 180 Grad betragen."


geht der Sender der Idee (Nora Leuschner) davon aus, dass der Empfänger (jeder Leser ihrer Charakterisierung von Platons Ideenlehre) wissen wird, dass
  • wir hier von der Default-Geometrie sprechen (für uns die euklidische)
  • und dass ganz grundsätzlich jedes mathematische Gesetz G gelesen werden muss in der Form "A impliziert G" (d.h. in der Form: G oder NOT A), wo A die Menge aller dem Theorem G zugrundeliegenden Definitionen und Axiome ist.
  • Im Beispiel ist das die Menge aller Definitionen, die den Begriff euklidischer Geometrie definiert und zudem noch die Begriffe "Dreieck", "Winkel", "Grad" und "die additive Halbgruppe aller reller Zahlen" (worin sich dann auch das findet, was man unter "180" und als "Summe" bezeichnet).


Lass uns den zweiten dieser Punkte noch genauer betrachten:

Jedes mathematische Gesetz G muss man so lesen, als wäre es formuliert in der Form


w( G(DG) oder NOT A(DA) ) = TRUE ,

worin
  • w die Funktion ist, die jeder Aussage einen Wahrheitswert TRUE oder FALSE zuordnet, und
  • DA bzw. DG die Menge aller Definitionen ist, die notwendig sind, das Axiom A bzw. das Gesetz G zu formulieren.

Für das Axiom A selbst — welches ja auch als mathematisches Gesetz gesehen werden muss —, reduziert sich das auf die Aussage


w( A(DA) oder NOT A(DA) ) = TRUE ,


und die ist offensichtlich richtig, macht also Sinn.


Man erkennt hier sehr schön den Unterschied zwischen dem, was wir das mathematische Gesetz G nennen im Unterschied zu einer seiner Formulierungen G(DG).

Dass ein und dasselbe mathematische Gesetz G extrem unterschiedliche Formulierungen G(DG) haben kann, zeigen sehr schön zwei Theoreme der Mengenlehre, die man

Man kann beweisen, dass beide zueinander äquivalent sind, so dass man das Paar ( Auswahlaxiom, Zornsches Lemma ) als Paar ( A, G ) ebenso wie als Paar ( G, A ) sehen kann.

Eine dritte, wieder völlig anders aussehende Formulierung des Auswahlaxioms ist übgrigens der sog. Wohlordnungssatz.


Beste Grüße,
grtgrt

PS: So auf den ersten Blick könnte man versucht sein, das Auswahlaxiom, das Zornsche Lemma und den Wohlordnungssatz als 3 verschiedene Implementierungen ein und derselben "Idee" zu sehen. Das aber wäre falsch: Sie sind ebenfalls "Ideen" im Sinne Platons (und nicht "Dinge" in seinem Sinne).

Als Formulierung einer "Idee" dürfen sie dennoch nicht mit eben dieser "Idee" verwechselt werden.

 
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Hallo grtgrt,

ich nehme Bezug auf Beitrag Nr. 1924-64.
Meine Sicht in Kürze (habe mal im Gedächtnis gestöbert, m.a.W. keine Erfindung von mir):

Information := beseitigte Unsicherheit (s. z.B. Shannon), damit Verbunden Entropie (=-Sum(pi ld pi, pi Wahrsch. für Auftreten der Ergeb.(pi))

Info-Austausch: Quelle -> Kanal -> Senke (mögl. mit Störung)

Vor. für Info-Austausch/Fluss: Quelle und Senke einigen sich über Zeichenvorrat u. Kodierung (=Zuordnung von Zeichen zu Bedeutungen)

Was tut die Wissenschaft?
a) beobachtet (z.B. Überlagerungprozesse)
b) nimmt geeignete Zeichen und verbindet diese in verabredeter Art& Weise (z.B. math. Symbole verknüpfen "zu einer Wellenformel")
c) damit entsteht für die Senke eine Bedeutung (z.B. Interpretation der Wellenfkt., die Zustände eines Quantensystems beschreiben)
c1) einem Nichtphysiker ist die Kodierung nicht bekannt, für ihn ist die Wellenfkt. keine Information

Bitte versteh mich nicht falsch, ich habe nichts gegen Begriffe wie "geistig" etc.
Der Punkt war, das z.B. die Wellenfkt. ein Zeichensatz des Menschen mit bestimmter vereinbarter Kodierung ist. Insofern ist
es eben trivial zu sagen, dass sie geistig ist. Das muss sie ja sein, sie ist Kultur (= von Menschenhand erschaffen), mit natureller (unabh. vom Menschen) Bedeutung.

Gruss H.
Signatur:
Warum gibt es ETWAS und nicht NICHTS? (GL)
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Hilbert Raum schrieb in Beitrag Nr. 1924-77:
 
Was tut die Wissenschaft?
a) beobachtet (z.B. Überlagerungprozesse)
b) nimmt geeignete Zeichen und verbindet diese in verabredeter Art& Weise (z.B. math. Symbole verknüpfen "zu einer Wellenformel")
c) damit entsteht für die Senke eine Bedeutung (z.B. Interpretation der Wellenfkt., die Zustände eines Quantensystems beschreiben)
c1) einem Nichtphysiker ist die Kodierung nicht bekannt, für ihn ist die Wellenfkt. keine Information

Bitte versteh mich nicht falsch, ich habe nichts gegen Begriffe wie "geistig" etc.
Der Punkt war, das z.B. die Wellenfkt. ein Zeichensatz des Menschen mit bestimmter vereinbarter Kodierung ist. Insofern ist
es eben trivial zu sagen, dass sie geistig ist. Das muss sie ja sein, sie ist Kultur (= von Menschenhand erschaffen), mit natureller (unabh. vom Menschen) Bedeutung.

Hi Hilbert,

wie ich sehe, sind wir uns da durchaus einig — mit einer kleinen Ausnahme allerdings:
  • Du scheinst triviale Aussagen zu verachten (so dass es dich stört, wenn jemand sie erwähnt).
  • Ich aber freue mich immer wieder von neuem, wenn ich etwas auf so eine Aussage reduzieren kann (weil die Welt dann für mich ein Stück besser verständlich wurde).
  • Die Tatsache, dass auch viele "triviale" Wahrheiten sehr vielen Leuten als Irrtümer erscheinen, zeigt mir, dass es durchaus Sinn macht, auch scheinbar triviale Aussagen hin und wieder zu diskutieren. "Trivial" wird etwas erst für den, der es wirklich voll verstanden hat.

Beste Grüße,
grtgrt
 
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Henry schrieb in Beitrag Nr. 1924-61:
Der Kreis ist deshalb nicht das beste Beispiel, weil ein Kreis halt rund ist, und wir nur bei genauer Betrachtung sehen, dass kein Kreis, den wir entwerfen, tatsächlich vollkommen rund ist (zumal es in der Natur überhaupt kein Kreise gibt).

Hallo Henry,

ich darf mich nicht verzetteln, da es im Grunde für mich klar ist, momentan jedenfalls.
Wenn ich dich richtig verstehe, unterscheidet sich die Ideenwelt von der uns durch Sinne zugänglichen dadurch, dass die eine ewig und vollkommen ist, die andere jedoch nicht: Die Idee eines Kreises ist perfekt, ein echter Kreis, gleichwertig wie die Idee des Kreises kommt jedoch in unserer Welt nicht vor. Ist das richtig? Hier stimme ich natürlich zu.
Meine Argumentation lautet dann jedoch wie in Beitrag Nr. 1924-59. Ich wollte mit dem letzten Satz dort

Zitat:
Wenn wir keinen perfekten Kreis zeichnen können, oder wenn es ihn in unserer Natur nicht gibt:

Es wäre jedem gelungen, der es versucht hat. Wenn er nicht gestört worden wäre.

etwas m.E. Entscheidendes andeuten: (Ich gehe davon aus, dass nach Platon die Ideenwelt auf Unsere wirkt.)

Die Idee des Kreises ist dann bei weitem nicht die Einzige, die nach meinem Verständnis auf unsere Welt wirkt. (Sonst bestünde unsere Welt einzig aus perfekten Kreisen.) So wird der Kreis in unserer Welt immer gestört werden, und zwar von anderen ewigen und vollkommenen Ideen. In der Quantenwelt äußert sich dies vielleicht durch Wahrscheinlichkeiten.
Wenn wir mit unserem Bewusstsein einen nahezu perfekten Kreis konstruieren können, dann vielleicht deshalb, weil wir durch abstrahieren (in Kenntnis vieler anderer platonschen Ideen) Jenes im Kreis erkennen können, was ihn von den anderen Ideen unterscheidet (jeder Punkt auf dem Kreisbogen hat den gleichen Abstand zum Kreismittelpunkt).
Jedoch können wir nicht jede Idee in unserer Welt "unterdrücken", um einen perfekten Kreis zu konstruieren (Unschärferelation). Und dann ganz wild spekuliert: Vielleicht ist die Idee der Orts/Impuls-Unschärfe der des Kreises hierarchisch "übergeordnet".

Bitte beachte immer, dass dies nur eigene Gedanken über die Welt sind, die mich hoffentlich zu einem besseren Verständnis der Dinge bringen. Unter diesem Aspekt scheint mir die Ideenwelt von Platon ein guter erster Ansatz zu sein. Jedoch werde ich auch mal ein Auge auf Karl Popper werfen, angeregt durch Irenas Hinweis zwischendurch. Der scheint mir für diese Thematik einen genaueren Blick wert.
Ich hab das alles vor Jahren schon einmal flüchtig gelesen, ohne dem jedoch besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Jetzt fange ich nochmal von vorne an, verdammt...
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Beitrag zuletzt bearbeitet von Stueps am 21.10.2012 um 22:52 Uhr.
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Stueps schrieb in Beitrag Nr. 1924-79:
Wenn wir mit unserem Bewusstsein einen nahezu perfekten Kreis konstruieren können, dann vielleicht deshalb, weil wir durch abstrahieren (in Kenntnis vieler anderer platonschen Ideen) Jenes im Kreis erkennen können, was ihn von den anderen Ideen unterscheidet (jeder Punkt auf dem Kreisbogen hat den gleichen Abstand zum Kreismittelpunkt).
Jedoch können wir nicht jede Idee in unserer Welt "unterdrücken", um einen perfekten Kreis zu konstruieren (Unschärferelation). Und dann ganz wild spekuliert: Vielleicht ist die Idee der Orts/Impuls-Unschärfe der des Kreises hierarchisch "übergeordnet".

Hallo Stueps,
Ich würde aus diesen Überlegungen eine andere Folgerung ziehen. Es ist zweckmäßig zwischen (absolut denkbaren) Ideen und der nicht absoluten, nur beschränkt erfassbaren (beschreibbaren) Wirklichkeit zu unterscheiden. Ein Über-/Unterordnungsverhältnis besteht dazwischen nicht, sondern Ideen und Wirklichkeit stehen auf gleicher Ebene nebeneinander und überschneiden sich, wie zwei Kreise, teilweise. Soweit eine Idee Absolutheitsaussagen trifft, z.B. über einen perfekten Kreis, hat sie in der Wirklichkeit keine Entsprechung.

Die "Idee des Pferdes" hat in der Wirklichkeit eine Entsprechung, liegt also im Überschneidungsbereich.

Andere Ideen tun dies nicht mehr, z.B. Fragen wie: Was zeitlich unendlich vor dem Urknall war, wo der absolute Rand des Universums ist und damit (nach der Idee des Kreises) sein Mittelpunkt liegt, was am Ende aller Zeiten sein wird u.s.w. Antworten dazu sind Ideen, die nicht im Überschneidungsbereich von Ideen und Wirklichkeit liegen.

Ich würde z.B. auch einen absoluten, durch zwei Zahlen in einem Koordinatensystem definierten Ort (nulldimensionaler Punkt) und eine Momentangeschwindigkeit, also eine Geschwindigkeit ohne Ortsveränderung, für eine Idee ohne Entsprechung in der Wirklichkeit halten.

Nur zur Klarstellung: Dies ändert selbstverständlich nichts an der Brauchbarkeit der letztgenannten "Ideen" für die Erfassung der Wirklichkeit, auch wenn wir die Planckgrößen nicht unterschreiten, die Lichtgeschwindigkeit nicht überschreiten und die Unschärferelation nicht beseitigen können.

MfG
Harti
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Wichtig ist, dass man nicht aufhört zu fragen. A.E.
Beitrag zuletzt bearbeitet von Harti am 22.10.2012 um 12:42 Uhr.
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