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Zum Wesen von Physik, Mathematik, und Stringtheorie

Thema erstellt von Grtgrt 
Beiträge: 1.566, Mitglied seit 11 Jahren
 
Niels Bohr — Nobelpreisträger und Mitbegründer der Quantenphysik — soll einmal gesagt haben:

Zitat:
Die Physik kann nicht ergründen, wie die Natur funktioniert.
Aufgabe der Physik ist lediglich, zu untersuchen, wie die Natur sich uns zeigt.

Auch Richard Feynman war der Meinung:

Zitat:
I can savely say: Nobody understands Quantum Physics.

Damit scheint klar: Physik besteht aus zwei Teilen

dem Beobachten der Natur (Experimentalphysik)
und dem Modellieren der Natur (Theoretische Physik).

Man sollte aber niemals glauben, so ein Modell sei die Natur.


Warum aber modelliert man die Natur ausschließlich über Mathematik? Und warum scheint die dafür so geeignet? Hier die Antwort darauf:

Mathematik besteht aus zweierlei: Einer Denkmethodik und der Menge aller mathematischen Gesetze.

Was wir als mathematische Methodik haben ist lediglich der beste Weg, den der Mensch bisher fand, über mathematische Gesetze nachzudenken (dieser Weg könnte austauschbar sein und wird, sobald Quantencomputer verfügbar sind, fast sicher eine Art Bruder bekommen).

Ganz anders mathematische Gesetze: Sie existieren ganz unabhängig davon, ob der Mensch sie kennt oder nicht — der Mensch kann sie entdecken, aber z.B. nicht abändern.

Damit ist klar:

Mathematische Gesetze sind Teil der Natur
und Mathematik kann als der Teil der Physik verstanden werden, der diesen Teil der Natur entdeckt
und diskutierbar macht (modelliert).


Insbesondere gilt: Die Stringtheorie ist eine rein mathematische Theorie, und so ist jeder Zusammenhang, den sie entdeckt, ein mathematisches Gesetz und damit wirklich Teil der Natur — ein Puzzlestein also, von dem aber recht lange unklar sein kann, in welches unserer (Teil-) Modelle der Natur er denn am besten passt.

Da Stringtheorie eine Art Gleichungssystem ist, das — so schätzt man — etwa 10500 Lösungen hat, deren jede Modell eines möglichen Universums ist, wird klar, wie viele Puzzlesteine es mindestens gibt und wie wenig davon wir bisher schon kennen (!).

 
Beitrag zuletzt bearbeitet von Grtgrt am 18.07.2012 um 08:39 Uhr.
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Beiträge: 1.375, Mitglied seit 16 Jahren
Grtgrt schrieb in Beitrag Nr. 1896-1:
 
Warum aber modelliert man die Natur ausschließlich über Mathematik? 

Hallo Grtgrt,

das sehe ich etwas anders, nämlich so:
Der Mensch erstellt ein Modell der Natur und beschreibt dieses Modell mit Hilfe der Mathematik.

Grtgrt schrieb in Beitrag Nr. 1896-1:
 
Ganz anders mathematische Gesetze: Sie existieren ganz unabhängig davon, ob der Mensch sie kennt oder nicht — der Mensch kann sie entdecken, aber
z.B. nicht abändern. 

Das ist die Auffassung der ’Platoniker’ unter den Mathematikern. Aber auch das sehe ich anders. Die Mathematik gilt als menschliche Geisteswissenschaft und nicht als Naturwissenschaft. Ohne die Existenz von Menschen existiert auch keine Mathematik.

M.f.G. Eugen Bauhof
Signatur:
Der Kluge lernt aus allem und von jedem,
der Normale aus seinen Erfahrungen,
und der Dumme weiß alles besser.
Sokrates.
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Beiträge: 1.566, Mitglied seit 11 Jahren
Bauhof schrieb in Beitrag Nr. 1896-2:
Grtgrt schrieb in Beitrag Nr. 1896-1:
 
Warum aber modelliert man die Natur ausschließlich über Mathematik? 

Hallo Grtgrt,

das sehe ich etwas anders, nämlich so:
Der Mensch erstellt ein Modell der Natur und beschreibt dieses Modell mit Hilfe der Mathematik.

Hallo Herr Bauhof,

Sie sehen das eindeutig zu eng, denn ganz grundsätzlich gilt:

Es gibt

beobachtete, vermutete, und extrapolierte physikalische Ergebnisse:

  • Beobachtete sind die durch Experimente bestätigten (das was uns Experimentalphysik und Astronomie liefern).
  • Vermutete Ergebnisse sind solche, die als Idee schon entstanden, in der Welt um uns herum aber noch nicht beobachtet werden konnten.
  • Extrapolierte sind jene vermuteten, die uns durch rein mathematische Überlegungen nahegelegt werden.

Hier zwei Beispiele extraplolierter Physik:
  • Quantenverschränkung ist ein physikalisches Phänomen, welches zunächst rein nur auf mathematischem Wege entdeckt wurde. Die entsprechende Herleitung stammt von Einstein, Podolosky und Rosen und wurde — mindestens durch Einstein — als eine Widerlegung der Korrektheit des mathematischen Modells der Quantenmechanik angesehen: Dass eine derart „spukhafte Fernwirkung“ wirklich existieren könnte, haben Einstein, Podolsky und Rosen einfach nicht glauben wollen. Erst gut 40 Jahre später hat Experimentalphysik sie nachweisen können — und das auch nur deswegen, weil (etwa 1960) John Bell die sog. Bellsche Ungleichung entdeckt hatte (ihr Gegenstand sind gewisse Wahrscheinlichkeiten). Man erkennt an diesem Beispiel, wie lange es dauern kann, bis aus extrapolierter Physik tatsächlich beobachtete wird.
  • Supersymmetrie ist ein zweites wichtiges Beispiel extrapolierter Physik. Experimentalphysik konnte in der Welt um uns herum noch keinen Beweis dafür finden. Sie ist bislang einfach nur eine Entdeckung der Stringtheorie, dort aber wichtig, denn nur jene Modelle der Stringtheorie, die supersymmetrisch sind, reproduzieren alle aus dem Standardmodell der Elementarteilchenphysik bekannten Partikel. Da supersymmetrische Transformation eines supersymmetrischen Weltmodells Bosonen und Fermionen miteinander vertauscht ohne die physikalischen Aussagen des Modells zu verändern, würde — das grundsätzlich verschiedene Verhalten von Bosonen und Fermionen berücksichtigt — ohne Mathematik niemand auf die Idee kommen, unsere Welt könne supersymmetrisch sein. Dennoch haben schon 1970 zwei Gruppen von Forschern — unabhängig voneinander, und nur mit Hilfe mathematischer Überlegungen — bewiesen, dass das Standardmodell verträglich wäre mit einer Vertauschung der Rollen, die darin Bosonen und Fermionen spielen. Damit gibt es mindestens zwei grundverschiedene mathematische Argumente, die darauf hindeuten, unsere Welt könne supersymmetrische sein.

Siehe auch: Zu extrapolierender (und auch extrapolierter) Physik.

Mit besten Grüßen,
Gebhard Greiter (= grtgrt)

 
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Beiträge: 1.566, Mitglied seit 11 Jahren
Bauhof schrieb in Beitrag Nr. 1896-2:
Grtgrt schrieb in Beitrag Nr. 1896-1:
 
Ganz anders mathematische Gesetze: Sie existieren ganz unabhängig davon, ob der Mensch sie kennt oder nicht — der Mensch kann sie entdecken, aber
z.B. nicht abändern. 

Das ist die Auffassung der ’Platoniker’ unter den Mathematikern. Aber auch das sehe ich anders. Die Mathematik gilt als menschliche Geisteswissenschaft und nicht als Naturwissenschaft. Ohne die Existenz von Menschen existiert auch keine Mathematik.

M.f.G. Eugen Bauhof

Hallo Eugen,

Als menschliche Geisteswissenschaft kann ich beim besten Willen nur mathematische Methodik sehen — niemals aber mathematische Gesetzmäßigkeiten; die nämlich haben mit absoluter Sicherheit schon immer gegolten — lange bevor es Menschen, die Erde, oder gar unser Sonnensystem gab.

Hier drei Beispiele:
  • Es gibt sicher keinen Sinn anzunehmen, dass z.B. das mathematische Gesetz, welches von Pythagoras entdeckt wurde (und etwas über einen Zusammenhang zwischen den Längen der Seiten rechtwinkliger Dreiecke aussagt), nicht schon vor ihm richtig war.
  • Ein noch überzeugenderes Beispiel: Sämtliche mathematischen Gesetze, die gleichseitige 5-Ecke betreffen (und wie man sie zur Oberfläche eines fußballartigen Körpers anordnen kann), sind durch die Natur selbst schon lange vor dem Menschen genutzt worden: so etwa beim Bau der Fullerene (das sind hoch sysmmetrische Moleküle bestehend aus je 60 Kohlenstoffatomen).
  • Auch jeder in der Natur vorkommende Kristall hat eine Struktur, die den Gesetzmäßigkeiten 3-dimensionaler Geometrie gehorcht. Wir sehen: Kristalle und komplexe Moleküle sind eine Art Buch, in dem die Natur selbst mathematische Gesetze formuliert und demonstriert (!).
Kurz: Man muss nicht Platoniker sein, um zu sehen, dass mathematische Gesetze Naturgesetze sind.

Mit besten Grüßen,
grtgrt (= Gebhard Greiter)
 


PS: Hier noch ein Beispiel für ein mathematisches Naturgesetz, das wir noch nicht kennen, dessen Auswirkung wir aber beobachten:

Zitat von Igor und Grichta Bogdanov (Inhaber des Lehrstuhls für Kosmologie an der Uni Belgrad):
Wenn Sie im Sommer an einer Wiese vorbeigehen, pflücken Sie doch mal wahllos ein paar Margeriten, und zählen Sie ihre Blütenblätter. ... Sie werden keine finden, die 7 hat, oder 16. Wieso? Weil auch die Zahl der Blütenblätter einer Blume kein Zufall ist. Tatsächlich folgt sie einem mathematischen Gesetz, das in den Tiefen der Blüte verborgen wirkt.

Und wieder ist die Frage: Woher kommt dieses Gesetz?
 
Beitrag zuletzt bearbeitet von Grtgrt am 31.07.2012 um 17:32 Uhr.
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Beiträge: 12, Mitglied seit 11 Jahren
Grtgrt schrieb in Beitrag Nr. 1896-1:
Physik besteht aus zwei Teilen

dem Beobachten der Natur (Experimentalphysik)
und dem Modellieren der Natur (Theoretische Physik).

Man sollte aber niemals glauben, so ein Modell sei die Natur.

Aus was besteht eigentlich der Beobachter?
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Beiträge: 2.307, Mitglied seit 13 Jahren
Zitat von Gebhard:
Kurz: Man muss nicht Platoniker sein, um zu sehen, dass mathematische Gesetze Naturgesetze sind.

Mit besten Grüßen,

Hallo, Gebhard!

Ich denke nicht, dass die Mathematik grundlegend ist. Das System „Mathematik“ beruht auf Lehrsätzen, die wiederum von Axiomen abhängen. Nimm z. B. Pi, die Kreiszahl. Sie beruht auf dem Verhältnis von Radius und Umfang. Aber nur in der Euklidischen Ebene! Lokal beschreibt Pi selbstverständlich das Verhältnis korrekt. Aber ist unser Kosmos denn mit der Euklidischen Geometrie zu beschreiben? Und wenn nicht, mit welcher Geometrie dann? Riemann? Minkowski? Ist er denn überhaupt lokal? Welche Geometrie beschreibt den Kosmos bzw. genauer gesagt die Raumzeit? Die der Raumzeit zugrunde liegende Struktur ist vielleicht überhaupt nicht mathematisch zu erfassen, jedenfalls gibt es bis dato nicht den geringsten Hinweis darauf, wie das zu bewerkstelligen sei (was ist, wenn Mach doch Recht hat, und es gibt keinen realen Raum, keine reale Zeit, was beschreibt die Mathematik dann?).

Und was beschreiben die mathematischen Modelle der Physik? Das Verhalten von physikalischen Objekten, die Stärke der Kräfte, ihre Beziehungen zueinander. Ich kenne kein Modell, dass uns sagt, was physikalische Objekte SIND. Gibt es ein mathematisches Modell, das das leistet? Was IST ein Elektron? Was IST eine elektrische Ladung?

Ich denke, Mathematik macht die Welt quantifizierbar, sagt aber nicht über die Qualität.
Signatur:
Herr Oberlehrer

Die Wolken ziehen hin. Sie ziehen auch wieder her.
Der Mensch lebt einmal. Dann nicht mehr.

(Donald Duck)
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Okotombrok (Moderator)
Beiträge: 1.476, Mitglied seit 16 Jahren
Hallo Grtgrt,

habe den Thread von "Allgemeines" nach "Raum und Zeit" verschoben, hier passt es besser.

mfg okotombrok
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"Der Kopf ist rund, damit die Gedanken die Richtung wechseln können"
(Francis Picabia)
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Beiträge: 1.566, Mitglied seit 11 Jahren
Henry schrieb in Beitrag Nr. 1896-6:
Zitat von Gebhard:
Kurz: Man muss nicht Platoniker sein, um zu sehen, dass mathematische Gesetze Naturgesetze sind.

Mit besten Grüßen,

Hallo, Gebhard!

Ich denke nicht, dass die Mathematik grundlegend ist. Das System „Mathematik“ beruht auf Lehrsätzen, die wiederum von Axiomen abhängen. Nimm z. B. Pi, die Kreiszahl. Sie beruht auf dem Verhältnis von Radius und Umfang. Aber nur in der Euklidischen Ebene! Lokal beschreibt Pi selbstverständlich das Verhältnis korrekt. Aber ist unser Kosmos denn mit der Euklidischen Geometrie zu beschreiben? Und wenn nicht, mit welcher Geometrie dann? Riemann? Minkowski? Ist er denn überhaupt lokal? Welche Geometrie beschreibt den Kosmos bzw. genauer gesagt die Raumzeit?
 
Hi Henry,

kann Dich verstehen; auch ich selbst dachte lange Zeit, die Mathematik sei nur ein gedankliches Gebäude. Warum aber lassen sich dann selbst so völlig unvermutete Eigenschaften der Natur (wie etwa Quantenverschränkung) mit ihrer Hilfe entdecken?

Erst seitdem mir klar wurde, dass mathematische Gesetze auch dann gelten, wenn wir sie nicht kennen, und dass sie von ganz anderer Qualität sind als mathematische Methodik, bin ich der Überzeugung, sie seien Naturgesetze.

Methodik ist austauschbar — Naturgesetze sind es nicht.

ABER: Naturgesetze sind Aussagen, die unter jeder Voraussetzung wahr sind.

Wenn ich also sage, jedes mathematische Gesetz sei ein Naturgesetz, dann meine ich damit natürlich eine Formulierung dieses Gesetzes, die alle notwendigen Voraussetzungen explizit nennt. (So weit also zu Deinen Beispielen).

Mehr zu diesem Thema findet sich auf meiner Seite Welcher Teil der Mathematik ist absolutes Axiom?.

Beste Grüße,
grtgrt = Gebhard Greiter
 
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Beiträge: 1.566, Mitglied seit 11 Jahren
Henry schrieb in Beitrag Nr. 1896-6:
Und was beschreiben die mathematischen Modelle der Physik? Das Verhalten von physikalischen Objekten, die Stärke der Kräfte, ihre Beziehungen zueinander. Ich kenne kein Modell, dass uns sagt, was physikalische Objekte SIND. Gibt es ein mathematisches Modell, das das leistet? Was IST ein Elektron? Was IST eine elektrische Ladung?

Hi Henry,

Niels Bohr soll mal gesagt haben:

Die Physik kann nicht ergründen, wie die Natur beschaffen ist.

Aufgabe der Physik ist nur, darüber zu diskutieren, wie die Natur sich uns zeigt.


Kein Wunder also, dass du kein Modell kennst, das uns sagt, was dieses oder jenes physikalische Objekt (als Teil der Natur gemeint) denn nun wirklich ist.

Alles was wir haben, sind Modelle, mit denen wir versuchen, die Natur nachzubilden mit dem Ziel, vorhersagbar zu machen, welches Verhalten sie in dieser oder jener Situation zeigen wird.

Noch genauer: Unsere Modelle sind Mechanismen, das Verhalten der Natur nachzubilden — keineswegs aber was sie wirklich ist (und so ist es kein Wunder, dass Stringtheoretiker zunehmend mehr völlig unterschiedliche Modelle finden, die identisches physikalisches Verhalten bedeuten).


Siehe auch: Zum Wesen physikalischer Aussagen.

Beste Grüße,
grtgrt = Gebhard Greiter
 

PS: Heisenberg übringens sah das wie Bohr, als er schrieb:

Zitat von Heisenberg:
Bei Experimenten über atomares Geschehen haben wir es mit Dingen und Tatsachen zu tun, die ebenso real sind wie irgendein Phänomen im täglichen Leben. Aber die Atome und Elementarteilchen sind nicht gleichermaßen real; sie bilden eher eine Welt von Möglichkeiten als eine von Dingen oder Tatsachen.
Quelle: Werner Heisenberg: Physik und Philosophie. Stuttgart: Hirzel, 1959


 
Auf jeden Fall muss man zur Kenntnis nehmen, dass die Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte Quantentheorie eine philosophische Revolution zur Folge hatte, deren zentrale Erkenntnisse waren:

Die Natur funktioniert keineswegs voll deterministisch.

und auch alle sonstige Realität, existiert stets nur ungenau.


Einstein war der letzte große Physiker, der das nicht glauben konnte.

John Wheeler hat den Unterschied der alten und der neuen Weltsicht auf den Punkt gebracht über ein erfundenes Gesprächs zwischen Baseball Schiedsrichtern:
  • Erster (Einstein): Ich entscheide, wie es ist.
  • Zweiter (Bohr): Ich entscheide, wie ich es sehe.
  • Dritter (Messung): Solange ich nichts entscheide, war auch nichts.
Ironischerweise ergänzt die Relativitästheorie:

... und keine zwei Schiedsrichter sehen dasselbe.


Der Physiker Roger G. Newton sagt deswegen auch folgerichtig (1993):

Physiker kümmern sich nicht um so metaphysische Begriffe wie Existenz; sie versuchen nicht, die letzte Realität zu ergründen, was auch immer man darunter verstehen mag. Die Bausteine für unsere grundlegenden Vorstellungen über die Welt werden danach ausgewählt, ob sie ein kohärentes Gedankengebäude ermöglichen.

 
Beitrag zuletzt bearbeitet von Grtgrt am 29.08.2012 um 10:32 Uhr.
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Hallo Grtgrt,

Du schreibst zum Wesen physikalischer Aussagen: "Physikalische Objekte sind nichts anderes als gedankliche Modelle....."

Ich halte diese Gleichsetzung für unzweckmäßig. Es ist zwar so, dass wir physikalische Objekte (die Wirklichkeit) nur mit Hilfe von Modellen erfassen können, indem wir uns eine Vorstellung von der Wirklichkeit machen, unsere Vorstellung mit der Wirklichkeit vergleichen, unsere Vorstellung zu der Wirklichkeit in Beziehung setzen. Unsere Vorstellung (Theorie) kann aber mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmen, falsch sein.
Bestes Beispiel: Die Vorstellung, die Erde sei der Mittelpunkt des Sonnensystems.
Zugegebenermaßen verflüchtigt sich die Unterscheideung zwischen Theorie und Wirklichkeit im Mikrokosmos, insbesondere wenn eine Beschreibung der Wirklichkeit nur noch mit abstrakten, mathematischen Modellen möglich ist und uns die Sprache (Begriffe) bzw. die Bilder für die Erfassung der Wirklichkeit fehlen. Trotzdem ist die Unterscheidung aber zweckmäßig.
Was würdest Du vom Modell einer Eier- legenden- Woll-Milch-Sau als physikalisches Objekt halten ?

MfG
Harti
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Wichtig ist, dass man nicht aufhört zu fragen. A.E.
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Beiträge: 1.566, Mitglied seit 11 Jahren
 
Hi Harti,

meine Aussage auf Seite Zum Wesen physikalischer Aussagen

Zitat von grtgrt:
Physikalische Objekte sind nichts anderes als gedankliche Modelle,
die der Mensch sich macht, aus dem Wunsch heraus,
das Verhalten der Natur verstehbar und vorhersagbar zu machen.

darf natürlich nicht so verstanden werden, dass umgekehrt auch jedes gedankliche Modell ein physikalisches Objekt sei.

Gruß, grtgrt
 
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Grtgrt schrieb in Beitrag Nr. 1896-11:
meine Aussage auf Seite Zum Wesen physikalischer Aussagen
darf natürlich nicht so verstanden werden, dass umgekehrt auch jedes gedankliche Modell ein physikalisches Objekt sei.

Hallo Grtgrt,

dann sind wir uns ja wohl einig, dass eine Gleichsetzung von gedanklichem Modell (Vorstellung) und physikalischem Objekt (Wirklichkeit) unzweckmäßig ist.
MfG
Harti
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Grtgrt schrieb in Beitrag Nr. 1896-11:
 
Hi Harti,

meine Aussage auf Seite Zum Wesen physikalischer Aussagen

Zitat von grtgrt:
Physikalische Objekte sind nichts anderes als gedankliche Modelle,
die der Mensch sich macht, aus dem Wunsch heraus,
das Verhalten der Natur verstehbar und vorhersagbar zu machen.

darf natürlich nicht so verstanden werden, dass umgekehrt auch jedes gedankliche Modell ein physikalisches Objekt sei.

Gruß, grtgrt
 

Wieherum es auch zu verstehen wäre - es bleibt das gravierende Problem, dass - FALLS - physikalische Objekte nur gedankliche Modelle sind, es keine Wirklichkeit außerhalb eines Bewusstseins gibt.
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Der Mensch lebt einmal. Dann nicht mehr.

(Donald Duck)
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Harti schrieb in Beitrag Nr. 1896-12:
Hallo Grtgrt,

dann sind wir uns ja wohl einig, dass eine Gleichsetzung von gedanklichem Modell (Vorstellung) und physikalischem Objekt (Wirklichkeit) unzweckmäßig ist.
MfG
Harti
 
Nein Harti,
wir sind uns da NICHT einig, denn:

Niels Bohr und Werner Heisenberg (siehe Beitrag 1896-9) sagen ganz klar, dass man die Natur nicht verwechseln darf mit dem Bild, das wir uns von ihr machen. Heisenberg sagt explizit, dass z.B. Atome oder Elementarteilchen mehr eine Welt von Möglichkeiten sind als eine von Dingen oder Tatsachen.

Atome, Elementarteilchen, und auch jedes andere sog. physikalische Objekt sind Subobjekte unseres Verständnisses von der Natur (des Modells also, das wir uns von der Natur machen) — sind aber nicht notwendig genau so auch Teil der Natur selbst.

Die Umgangssprache, Du und fast jeder Mensch sonst auch ignoriert diesen Unterschied.

Das ist meist tragbar, aber sicher nicht dort, wo man — wie hier in diesem Blog — den Dingen und ihrem Wesen wirklich auf den Grund gehen möchte.

Allein schon die Tatsache, dass sich die Definition wenig gut verstandener physikalischer Objekte ändert, sobald man sie besser versteht, zeigt, dass Bohr und Heisenberg recht haben.

Mfg, grtgrt
 
Beitrag zuletzt bearbeitet von Grtgrt am 14.08.2012 um 15:46 Uhr.
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Beiträge: 1.566, Mitglied seit 11 Jahren
Henry schrieb in Beitrag Nr. 1896-13:
... es bleibt das gravierende Problem, dass - FALLS - physikalische Objekte nur gedankliche Modelle sind, es keine Wirklichkeit außerhalb eines Bewusstseins gibt.

Hi Henry,

genau das Gegenteil ist der Fall:

Nach Bohr und Heisenberg kann die Realität sehr wohl außerhalb unseres Bewusstsein liegen. Beide betrachten das eher als den Normalfall.

Bitte beachte: Was uns bewusst ist, machen wir zu einem Teil unseres Modells der Wirklichkeit.

Gruß, grtgrt
 
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Beiträge: 2.307, Mitglied seit 13 Jahren
Grtgrt schrieb in Beitrag Nr. 1896-15:
Henry schrieb in Beitrag Nr. 1896-13:
... es bleibt das gravierende Problem, dass - FALLS - physikalische Objekte nur gedankliche Modelle sind, es keine Wirklichkeit außerhalb eines Bewusstseins gibt.

Hi Henry,

genau das Gegenteil ist der Fall:

Nach Bohr und Heisenberg kann die Realität sehr wohl außerhalb unseres Bewusstsein liegen. Beide betrachten das eher als den Normalfall.

Bitte beachte: Was uns bewusst ist, machen wir zu einem Teil unseres Modells der Wirklichkeit.

Gruß, grtgrt
 

Lass doch mal Bohr und Heisenberg außen vor. DU argumentierst, und zwar behauptest du, "physikalische Objekte sind gedankliche Modelle". Gedankliche Modelle sind aber offensichtlich gedachte Modelle, respektive von uns gedachte Modelle, und weiter Zitat: "Atome, Elementarteilchen, und auch jedes andere sog. physikalische Objekt sind Subobjekte unseres Verständnisses von der Natur (des Modells also, das wir uns von der Natur machen) — sind aber nicht notwendig genau so auch Teil der Natur selbst". Zitat ende

Es geht in meiner Anmerkung nicht darum, ob wir Teil der Wirklichkeit sind oder nicht - wer wollte bezweifeln, dass wir es sind? - sondern darum, dass nach deinem Argument wir die Wirklichkeit schaffen. DAS bedeutet nämlich deine Behauptung. Falls du es anders meinen solltest, musst du entsprechend formulieren.
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Beitrag zuletzt bearbeitet von Henry am 14.08.2012 um 16:26 Uhr.
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Hi Henry,

es ist mir absolut unverständlich, warum mein Argument bedeuten sollte, dass wir die Wirklichkeit schaffen.

Wir schaffen Modelle, sprich: physikalische Objekte — Theorien also, die zeigen, wie wir uns die Natur vorstellen. Ob sie wirklich so beschaffen ist, steht auf einem ganz anderem Blatt und kann — so sagt Niels Bohr — durch die Physik nicht entschieden werden.

Du scheinst physikalische Objekte als Teil der Natur zu sehen, Bohr tut das nicht, und so findet die moderne Theoretische Physik es auch gar nicht mehr so verwunderlich, dass es für ein und denselben Teil der Natur deutlich unterschiedliche Modelle geben kann, die beide gleiches Naturgesetz zum Ausdruck bringen (also gleich richtig sein können).

Gruß, grtgrt
 
Beitrag zuletzt bearbeitet von Grtgrt am 14.08.2012 um 17:00 Uhr.
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Hallo Grtgrt,
Grtgrt schrieb in Beitrag Nr. 1896-14:
Niels Bohr und Werner Heisenberg (siehe Beitrag 1896-9) sagen ganz klar, dass man die Natur nicht verwechseln darf mit dem Bild, das wir uns von ihr machen.
Genau das tue ich nicht, wenn ich sage: Gedankliche Modelle und physikalische Objekte sind zweierlei; während Du sagst: Gedankliche Modelle sind physikalische Objekte. Deine Aussage steht im Gegensatz zu den Äußerungen der von Dir genannten Physiker.

Zitat:
Heisenberg sagt explizit, dass z.B. Atome oder Elementarteilchen mehr eine Welt von Möglichkeiten sind als eine von Dingen oder Tatsachen.
Das heißt doch nichts anderes, als dass sie mit überkommenen Begriffen und Vorstellungen nur schwer oder garnicht zu beschreiben sind und deshalb neue Begriffe und Bilder gefunden werden müssen.
Zitat:
Atome, Elementarteilchen, und auch jedes andere sog. physikalische Objekt sind Subobjekte unseres Verständnisses von der Natur (des Modells also, das wir uns von der Natur machen) — sind aber nicht notwendig genau so auch Teil der Natur selbst.
Von was sonst als der Natur sollen sie denn Teil sein.
Außerdem scheinst Du den Begriff "physikalisches Objekt" nur auf Elementarteilchen zu beziehen. Für mich umfasst der Begriff "physikalische Objekte" auch makrokosmische Objekte.
Beispiel: Meine Vorstellung von dem Apfel, der vor mir auf dem Tisch liegt ist, dass er süß ist. Beim anschließenden Experiment, das darin besteht, dass ich ihn esse, stelle ich fest, dass er sauer ist. Meine Vorstellung (Theorie) über den Apfel war falsch und muss durch eine neue ersetzt werden.
Das ist der Grund weshalb man gedankliche Modelle und physikalische Objekte nicht gleichsetzen sollte, wie Du es im Widerspruch zu den Äußerungen von Bohr und Heisenberg tust.
Mit freundlichen Grüßen
Harti
Signatur:
Wichtig ist, dass man nicht aufhört zu fragen. A.E.
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Beiträge: 1.566, Mitglied seit 11 Jahren
 
Henry und Harti,

die Tatsache, dass ihr — anders als ich — den Begriff "physikalisches Objekt" als Synonym für "ein Teil der Natur" seht, zeigt mir, dass ich in Zukunft wohl besser von physikalischen Modellen (statt Objekten) sprechen sollte.

Ein Elektron, aber z.B. auch ein ganzes Universum, wären dann also stets zu verstehen als ein Teil der Natur, dessen Verhalten wir zu beschreiben suchen über ein oder mehrere — gleichwertige oder einander ergänzende — Modelle.

Danke & Gruß,
grtgrt
 
Beitrag zuletzt bearbeitet von Grtgrt am 14.08.2012 um 19:46 Uhr.
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Beiträge: 2.307, Mitglied seit 13 Jahren
Grtgrt schrieb in Beitrag Nr. 1896-19:
 
Henry und Harti,

die Tatsache, dass ihr — anders als ich — den Begriff "physikalisches Objekt" als Synonym für "ein Teil der Natur" seht, zeigt mir, dass ich in Zukunft wohl besser von physikalischen Modellen (statt Objekten) sprechen sollte.

Ein Elektron, aber z.B. auch ein ganzes Universum, wären dann also stets zu verstehen als ein Teil der Natur, dessen Verhalten wir zu beschreiben suchen über ein oder mehrere — gleichwertige oder einander ergänzende — Modelle.

Danke & Gruß,
grtgrt
 

Hallo, Gebhard,
wir kommen der Sache langsam näher! Ich kann nur für mich sprechen: Mit einem „physikalischen Objekt“ meine ich einen quantifizierbaren, also messbaren Teil der Natur und nicht das Modell davon. (Dass sich die Physik nun mit den messbaren Eigenschaften ihrer Objekte befasst, ist natürlich nicht meine Idee.)

Die „physikalischen Objekte “ sind auch Teil der Natur, aber nicht einfach „Synonym für Teil der Natur“. Ein Mensch (ein Lebewesen) ist ein physikalisches Objekt, aber wer will behaupten, es würde mit einer physikalischen Beschreibung vollständig erfasst sein? Objekte der Natur sind mehr als quantifizierbare Einheiten, sie „sind“ auch und vor allen Dingen Qualität, und die lässt sich nicht messen. Ein Elektron z. B. ist ein physikalisches Objekt, über das wir nur in Modellen aufgrund von Messungen etwas aussagen können. Wenn wir auch nicht sagen können, was ein Elektron letztlich tatsächlich ist (wir also nichts über seine Qualität sagen können), so ist es aber dieses „Etwas“, über das unsere Modelle Aussagen machen.

Henry
Signatur:
Herr Oberlehrer

Die Wolken ziehen hin. Sie ziehen auch wieder her.
Der Mensch lebt einmal. Dann nicht mehr.

(Donald Duck)
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